Protocol of the Session on June 26, 2019

Was ist geschehen? Was haben wir schon an Verbesserungs maßnahmen eingeleitet? Wir hatten mit großer Freude den schnellen Interregio-Expresszug von Aalen durchgängig bis Karlsruhe angekündigt. Ärgerlich war: Der hat das Problem mit den Schiebetritten, und dann ist er ständig zu spät gekom men. Die Züge waren zum Teil erheblich überfüllt, und die Züge hatten nicht alle die bestellte lange Form, sondern wa ren kürzer. Auch das war ein Grund, warum sie überbesetzt waren. Schließlich gab es auch noch ein Problem mit den Bremsen und der Steuerungseinheit. Das wird jetzt von Stad ler alles sukzessive bearbeitet, und das Versprechen ist schon, dass sie Mitte Juli damit durch sind. Wir werden alles tun, da mit das klappt.

Wir haben auch in die Wege geleitet, dass wir einen Personal puffer einbauen. Wir bauen in den Regionen Baden-Württem bergs gerade vier Personalpools auf, zunächst einmal auf Lan deskosten, weil wir nicht wollen, dass immer dann, wenn mor gens ein Lokführer krank ist, schon der Zug ausfällt, weil die Gesellschaften keinen „Vorrat“ haben. Das gilt übrigens für die Deutsche Bahn genauso wie für die Neuen. Deswegen bauen wir jetzt diesen Pool auf, bei dem wir, das Land, erst einmal in Vorleistung treten. Aber wenn die Gesellschaften aufgrund eines Mangels an Lokführern oder Zugbegleitern auf den Pool zurückgreifen wollen, müssen sie bezahlen. Da her gehen wir davon aus, dass es sich um eine Vorfinanzie rung handelt. Anschließend müssen sie dann bei uns bezah len.

Wir haben außerdem mit der DB vereinbart, dass ein zusätz licher Zug bereitgestellt wird, weil wir festgestellt haben: Der Fahrplan ist zu eng getaktet. Die Verspätungen, die am An fang der Strecke entstehen, sind dann in Karlsruhe gehäuft aufgelaufen, und dann startet der Zug in Karlsruhe die Rück fahrt schon mit erheblicher Verspätung.

Jetzt ist es so, dass in Karlsruhe ein Zug bereitsteht, damit die Abfahrt zum geplanten Zeitpunkt stattfindet, damit sich also die Verspätungen nicht im Laufe des Tages weiter aufbauen. Diesen zusätzlichen Zug gibt es.

Wir haben übrigens auch vereinbart, dass in einem bestimm ten Fall, bei einer morgendlichen Verbindung von Pforzheim nach Karlsruhe, bei der es Schwierigkeiten gibt, die Fahrgäs te, wenn dieser Zug ausfällt, mit dem Intercity fahren dürfen. Dort fahren ja Intercityzüge, und diese dürfen sie zum Nah verkehrstarif nutzen, weil das Land sozusagen dafür einsteht und das kompensiert.

Sie sehen, wir lassen uns viel einfallen. Wir nehmen übrigens auch die Unternehmen wirklich in die Pflicht. Wir führen re gelmäßig Gespräche mit den Chefs von Stadler und Bombar dier. Denn der eigentliche – das muss ich so salopp sagen – Problembär des Systems ist im Moment die Bahnindustrie, die nicht rechtzeitig liefert, die nicht gut genug liefert und die auch nicht genügend Vorbereitungen getroffen hat, um mög liche kleinere Probleme lösen zu können.

Letzteres ist jetzt aber auch in Arbeit. Sie haben uns zugesagt, dass sie mit Teams vor Ort sind, sodass kleinere technische Probleme nicht erst Tage später in Berlin gelöst werden kön nen, sondern vor Ort gelöst werden können.

Ein Beispiel: Am Anfang war das Personal völlig überrascht, dass sich die Schiebetritte verklemmt haben und dann gar nichts mehr ging, sodass sie erst einmal das ganze System he runterfahren und dann wieder hochfahren mussten, wodurch viel Zeit verloren ging. Bei solchen Problemen wissen die Ex perten unter Umständen schneller, wie es geht.

Alles in allem kann ich sagen: Es ist ärgerlich. Aber ich sage Ihnen auch: Wir beobachten dies in ganz Deutschland, wo es gerade überall Betreiberwechsel gibt, also auch untereinan der, auch bei der DB. Wir erinnern uns, dass die DB beim letz ten Übergangsvertrag auf Verträgen aufgesetzt hat, die sie jahrzehntelang bedient hat, aber dennoch Probleme hatte mit der Technik, mit alten Türen, mit dem Personal usw.

Ich muss sagen: Das ist ein großes Hindernis. Wenn wir wol len, dass mehr Menschen umsteigen, dann brauchen wir ein richtig gutes, ein gut funktionierendes, sicheres System. Die Züge müssen verlässlich sein, sie müssen funktionieren und natürlich auch pünktlich ankommen. Deswegen tue ich alles, damit das wirklich klappt. Denn sonst ist das keine Einladung zum Umsteigen.

Vielen Dank. – Es gibt weite re Fragen, und zwar zunächst von Herrn Abg. Baron, dann von Herrn Abg. Haußmann und danach von Frau Abg. Rol land.

Vielen Dank, Herr Minister, für die Informationen. – Ich möchte noch einmal auf die Franken bahn eingehen. Jetzt habe ich aus der Zeitung erfahren, dass auch da der Start für Abellio sehr holprig wird,

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Woher wissen Sie das?)

genauso wie auch in Pforzheim. Können Sie dazu vielleicht ein paar Informationen geben?

Im Zusammenhang mit der Hitze, die wir gerade erleben, in teressiert mich: Sind die Klimaanlagen diesmal auch für Tem peraturen um die 40 Grad ausgelegt?

Wir haben im Moment noch keine Ansage, dass bei der Frankenbahn etwas schiefgeht. Auf der Frankenbahn fahren übrigens verschiede ne Betreiber, von der DB über Abellio bis zu Go-Ahead. Da sind es verschiedene Netzteile der Frankenbahn, die so abge wickelt werden.

Die neuen Züge haben Klimaanlagen, die auch auf solche Temperaturen ausgelegt sind. Wenn sie nicht funktionieren sollten, dann wäre das auch wieder ein Beispiel, dass nicht ge liefert wird wie bestellt. Aber ich gehe mal davon aus, dass die Probleme so nicht auftreten.

Ich muss allerdings dazusagen, was Abellio anbetrifft: Bom bardier hat von den 18 bestellten Zügen, die sie zum 8. Juni hätten liefern müssen, ganze zwei geliefert. Über Wochen ha ben sie uns etwas anderes erzählt. Wir haben uns getäuscht, betrogen gefühlt, weil wir seit einem halben Jahr entsprechend nachfragen, da wir allergrößtes Interesse haben, dass es nicht schiefgeht. Auch weil wir wissen, dass das eine oder andere mit der Bahn nicht stimmt, haben wir immer wieder nachge fragt.

Ich hatte den Chef von Bombardier zwei Monate vorher ins Ministerium eingeladen. Damals war noch die klare Ansage: „Wir kriegen das hin.“ Dann hat man einen Plan B gemacht. Kurze Zeit später war der Plan B auch schon hinfällig. Dann hat man einen Plan C machen müssen. Am Ende war es dann eben der Plan C, bei dem mit den zwei gelieferten Zügen so wie anderweitig besorgten Zügen geplant wurde, der zur An wendung kam.

Jetzt hat Bombardier angekündigt, diesen Sommer zu liefern. Wir hoffen, dass Sommer nicht Herbst sein wird. Aber es ist ein Problem. Wir haben am Ende nichts in der Hand. Wenn die Züge nicht geliefert werden, hat man kein Drohpotenzial, damit sie geliefert werden.

Man kann am Beispiel Stadler sehen: Es wurde pünktlich zum Start geliefert, aber dennoch sechs Wochen zu spät, sodass man keinen Probelauf machen konnte. Das ist dann auch är gerlich. Wenn neue Züge nicht funktionieren, versteht das auch kein Mensch.

Danke schön. – Herr Abg. Haußmann bitte.

Herr Minister, Sie ha ben die Anlaufschwierigkeiten beschrieben. Inzwischen wird es ja etwas besser. Das sieht man, wenn man mitfährt. Zumin dest sind alle Fahrgäste rundum informiert. Wenn einer den Toilettenknopf drückt, weiß jeder im Zug, dass das WC nicht aufgeht, weil die Ansage derart laut ist, dass es alle mitkrie gen, wenn jemand auf die Toilette will. Aber Spaß beiseite.

Weil Sie sagen, Sie wollen alles dafür tun, muss ich sagen: Auch heute ist wieder ein Zug ausgefallen. Dabei handelt es sich auch um Ausfälle wegen Erkrankung des Zugführers. Ha ben Sie denn genügend Zugmaterial, um tatsächlich die Re serven bereitzustellen? Denn Sie haben ja gesagt, Sie wollen einen Reservezug einsetzen.

Wenn ich sehe, was auf der Strecke nach Karlsruhe z. B. am Samstag der vorletzten Woche los war, dann habe ich den Ein druck: Sie haben viel zu wenig Züge, um die Funktionsfähig keit überhaupt erhalten zu können. Das geht dann mit Ihnen nach Hause, nicht mit den Unternehmen. Denn Sie haben da mals eben auch zu wenige Züge bestellt.

Insofern: Sie müssen den Unternehmen auch die Möglichkeit geben, ausreichend Ersatz bereitzustellen.

Dann noch einmal: Wenn ich das auf den verschiedenen Stre cken sehe, habe ich den Eindruck, dass man damals eben auch viel zu wenig bestellt hat. Es wäre notwendig, nicht nur einen Zug bereitzustellen, sondern für die verschiedenen Bahnen durchaus mehr Ersatzzüge bereitzustellen.

Vorhin haben Sie auf die Frage von Herrn Gruber abschlie ßend sinngemäß gesagt: „Umstiege erreichen wir dann, wenn wir nicht billig fahren, sondern zuverlässig fahren.“ Dabei üben die Fahrgäste im Moment nach den Erfahrungen des Übergangs und aufgrund der aktuellen Situation starke Zu rückhaltung.

Deswegen hier auch noch einmal die Frage: Wie gelingt es, dass wir weitere Züge bereitstellen, damit auch Ersatzfahrten realisiert werden können?

Vielen Dank, Herr Haußmann. Danke schön auch dafür, dass Sie sagen: „Es ist besser geworden.“ Das ist auch unser Eindruck. Durch un sere Interventionen und die Maßnahmen ist es schon besser geworden. Aber ich juble noch nicht. Denn es gibt auch wie der Rückfälle. Es gibt dann doch wieder einen Ausfall.

Deswegen habe ich aber gesagt: Wir bauen jetzt diesen Lok führerpool auf. Den gibt es momentan noch nicht. Den bauen wir jetzt auf. Wir bauen auch einen Fahrzeugpool auf, damit genau für solche Fälle die Möglichkeit besteht, einen Zug aus diesem Pool zu holen.

Wenn Sie aber sagen, es sei mein Problem, wenn nicht genü gend Züge bestellt worden sind, muss ich Ihnen Folgendes sa

gen: Es ist für mich immer hart, wenn ich jemanden von der FDP marktwirtschaftlich belehren muss. Aber es ist so: Wir machen einen Vertrag mit einem privaten Unternehmen, ob das die Deutsche Bahn ist oder Go-Ahead. Dann ist es die Aufgabe des Unternehmens, diesen Auftrag zu erfüllen. Das Unternehmen braucht nicht den Ratschlag des Ministers, wie viele Züge es bestellen muss. Wir bestellen einen Fahrplan mit einer genauen Garnitur, wie viele Sitzplätze es geben muss.

Wir haben überall mit den Unternehmen gesprochen. Dort, wo wir den Eindruck hatten, es sei zu knapp bestellt worden, haben wir nachbestellt und haben alle Optionen ausgeübt. Wir haben übrigens in allen Netzen deutlich nachbestellt. Wir se hen jetzt aber, dass die Unternehmen trotzdem zu knapp kal kulieren.

In der Marktwirtschaft – das ist sozusagen auch Lernen aus der Marktwirtschaft – optimiert jeder einzelne Spieler sein System ökonomisch und in seinem Interesse. Im Schienen system gibt es jetzt mehrere Player, die auf einem Netz mit einander klarkommen müssen, dort miteinander guten Ver kehr machen müssen.

Weil die Einzelnen kein übergeordnetes Interesse wahrneh men, haben wir gesagt: Dann müssen wir, das Land, diese Funktion mit einem Lokführerpool, mit einem Fahrzeugpool übernehmen, damit sichergestellt wird, wenn es im Einzelfall Schwierigkeiten gibt, dass die dann bestellen können, aber eben auch dafür bezahlen müssen. Denn eigentlich müssen sie als kluge Unternehmer schon vorher die Reserve selbst bereit stellen. Das haben nicht alle gemacht. Deswegen haken wir da nach. Ich glaube, das ist auch eine ganz gute Lösung so.

Wir haben da also schon ziemlich aufgepasst. Uns war klar, dass ein Betreiberwechsel schwierig ist. Denn wir sind ja auch nicht die Ersten, die einen Betreiberwechsel vornehmen. Man hat ja sehen können, dass es anderswo auch nicht klappt. Des wegen waren wir da schon sehr in Habachtstellung.

Vielen Dank. – Jetzt hat Frau Abg. Rolland das Wort.

Frau Präsidentin, herzlichen Dank. – Herr Minister, mir fällt da eigentlich erst einmal nur ein: Der Wettbewerb richtet es dann doch nicht so schnell.

Aber ich möchte fragen: War denn mit der Bestellung und mit der Vertragsunterzeichnung eine Vertragsstrafe für den Fall verbunden, dass der Vertrag nicht erfüllt wird? Kann jetzt zu mindest in Form von Geld eine Rückerstattung oder eine Strafzahlung erfolgen?

Denn es ist ja für uns eine schlechte Visitenkarte, vor allem aber für die Fahrgäste und diejenigen, die wir auf der Bahn haben wollen, eine schlechte Ausgangssituation, dass jetzt ständig diese Fahrzeugausfälle passieren. Deswegen fände ich es eigentlich nur richtig, wenn dann auch eine Strafzahlung wie eine Pönale oder so geleistet werden müsste.

Vielen Dank. – Ich habe nie erzählt, dass der Wettbewerb alle Probleme lö sen würde. Im Gegenteil, ich habe gesagt: Wir wollen das wettbewerbliche Instrument nutzen; es muss aber geregelt

sein, und man muss es überwachen und muss einen guten Rah men setzen. Das haben wir getan.

Zu diesem Rahmen gehört auch, dass in den Verträgen Rege lungen für den Fall getroffen werden, dass der Vertrag nicht erfüllt wird. Das war schon bei der Deutschen Bahn so, das ist auch jetzt bei den neuen Verträgen so. Verspätungen wer den pönalisiert, und für Züge, die nicht gefahren werden, wird nicht bezahlt.

Also: Dieser holprige Start ist auch für die Unternehmen, öko nomisch gesehen, ein Desaster. Das muss man ganz klar se hen. Die haben selbst ein allergrößtes Interesse, dass das jetzt gut läuft.

Übrigens wird der Rechtsstreit dann so aussehen: Abellio und Go-Ahead werden mit Bombardier und Stadler natürlich ei nen Rechtsstreit beginnen, weil nämlich die verantwortlich dafür sind, dass sie das, was sie vertraglich versprochen hat ten, nicht liefern konnten.

Ich lege großen Wert darauf, dass wir in der Politik – ich bit te darum, dass auch Sie als Parlamentarier dazu beitragen – nicht pauschal sagen: „Das funktioniert halt nicht“ oder: „Die Bahn ist halt schlecht“, sondern dass man schon auch benennt: Was sind die Probleme?

Die Probleme im deutschen Schienensystem sind langwieri ger Art. Das liegt an einer Infrastruktur, die einen erheblichen Modernisierungsbedarf hat – das schlägt durch im NichtFunktionieren von Weichen, Signalen und Sonstigem –, und an einer Bahnindustrie, die über Jahrzehnte abgewickelt wird, weil sie festgestellt haben: Die Aufträge werden immer selte ner. Es gab eine Phase, in der praktisch gar keine öffentlichen Aufträge mehr erteilt worden sind. Man kann am BombardierKonzern sehen, wie massiv er abgebaut hat.

Jetzt kommt die öffentliche Hand – und zwar nicht nur wir, das Land, sondern überall – und sagt: „Jetzt brauchen wir mehr Straßenbahnen, mehr S-Bahnen und mehr Züge.“ Doch jetzt ist die Bahnindustrie nicht mehr leistungsfähig genug, wenn es heißt: „Wir wollen die Züge aber schnell, sofort und möglichst schon übermorgen haben.“

Wir in Baden-Württemberg haben bereits vor Jahren die Be stellungen in die Wege gesetzt, weil wir wussten, dass man Jahre braucht. In der Folge haben alle gesagt: „Ja, das reicht gut.“ Am Ende hat es doch nicht gereicht.

Also: Die Leistungsfähigkeit der Bahnindustrie ist nicht gut genug; sie muss besser werden. Die öffentliche Hand muss auch lernen, dass wir mit den Bestellungen nicht mal hoch- und mal herunterfahren können, sondern dass es kontinuier liche Bestellprozesse geben muss. Der Bahnindustrie muss klar sein, dass sie auch in fünf Jahren noch einen Zug verkau fen kann, weil es das Vorhaben gibt, das Schienensystem kon tinuierlich zu verbessern.