Dass es sich um einen Bürger jüdischen Ursprungs handelt, will ich hier nicht weiter thematisieren. Hätten wir so etwas gewagt, dann möchte ich nicht wissen, was hier an Antisemi tismusvorwürfen von Ihrer Seite gekommen wäre.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Das ist auch eine Verschwörungs theorie! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Wer im Glashaus sitzt!)
Um auch noch einmal zu Ihrer Verschwörungstheorie zu kom men, sage ich nur: Gustl Mollath. Wollen Sie diesen Fall auch als Verschwörungstheorie brandmarken?
Meine Damen und Herren, nehmen Sie einmal das Standard werk der modernen Diagnostik in Amerika, „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“, kurz DSM5, zur Hand. Ich darf einmal zitieren, was der Verfasser dieses Stan dardwerks sagt. Er erklärt: Das DSM5 hat die Grenzen zwi schen psychischer Krankheit und Gesundheit verwischt. Die Zahl der Krankheitsbilder sei mit jeder Überarbeitung in die Höhe geklettert und damit die Zahl derer, die eine Diagnose bekommen. Die Forscher hätten ehrenwerte Absichten, die aber leider zu unglücklichen Entscheidungen in der realen Welt führten. Verhalten, Erleben und Denken psychisch ge sunder Menschen würden pathologisiert, weil die Diagnosen zu weit gefasst und unspezifisch seien.
Meine Damen und Herren, da der Gesetzentwurf eine Verbes serung gegenüber dem jetzigen Zustand darstellt, werden wir ihn nicht ablehnen. Aber aufgrund der teilweise falschen Vo raussetzungen, auf denen er fußt, werden wir ihn auch nicht unterstützen.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Herr Kollege Poreski hat es schon ge sagt: Wir hatten konstruktive Beratungen im Ausschuss – nicht verwunderlich. Im Ausschuss gab es auch, was den Inhalt des Gesetzes anbelangt, keine neuen Erkenntnisse. Was den Kern des Gesetzes betrifft, ist insofern aus unserer Sicht alles pa letti.
Die Zwangsbehandlung, insbesondere die Fixierung, ist ein massiver Eingriff in die persönlichen Freiheitsrechte. Deshalb erfordert ein solcher Eingriff einen sorgfältigen Umgang – möglichst mit dem Ziel der Vermeidung. Falls sich eine Fi xierung nicht vermeiden lässt, dann ist eine richterliche Ge nehmigung erforderlich. Insofern erfüllt dieser Gesetzentwurf aus unserer Sicht die Vorgaben des Bundesverfassungsge richts. Der Inhalt ist aus unserer Sicht insoweit okay.
Nicht okay ist – das bleibt auch nach den Ausschussberatun gen unsere Auffassung –, wie die Landesregierung im Vor blatt und in der Begründung mit dem Haushaltsgesetzgeber, mit uns hier, umgeht. Zu den Umsetzungskosten finden sich nur Ausführungen, was die Personalkosten für die Psychiat rie, für den Maßregelvollzug anbelangt, nicht aber, was die Kosten für die Justiz betrifft, obwohl vom Justizministerium bereits 20 Richterstellen berechnet worden sind.
Insofern ist es schon bemerkenswert, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU, unseren Entschließungsantrag, der im ersten Teil nichts anderes fordert, als zusätzlich notwendige Personalstellen vor zusehen und ordnungsgemäß bei der Haushaltsplanung zu be rücksichtigen,
abzulehnen, obwohl uns ein Vertreter des Justizministeriums im Ausschuss zeitgleich mitteilte, dass die 20 Stellen in den laufenden Haushaltsverhandlungen gegenüber dem Finanz ministerium bereits angemeldet seien.
Ergänzend teilte er dann noch mit, dass diese Stellen anhand einschlägiger Tabellen auch problemlos in Kosten umgerech net werden könnten. Der Sozialminister warnte allerdings dann wieder davor, hier mit absoluten monetären Zahlen zu agieren. Diesen Eiertanz verstehen wir bis heute nicht.
Die Erklärung kann aus unserer Sicht nur sein: Bei der Geset zesabstimmung hat der Sozialminister entweder versäumt, mit der Finanzministerin die Folgenkostenfrage zu klären, oder die beiden sind sich einfach nicht einig geworden. Wie auch immer, das Parlament wird nicht umfassend über finanzielle Auswirkungen informiert. Wir wissen auch dank unseres Nach fassens mittlerweile, dass vom Justizministerium 20 Richter stellen angemeldet wurden. Nun sind wir gespannt, wie viele Stellen sich dann tatsächlich in dem von der Landesregierung vorzulegenden Haushalt wiederfinden. Wir werden genau da rauf schauen.
Ich will aber positiv enden: Beim schwierigen Umgang mit Zwangsmaßnahmen, mit Fixierungen schafft das vorliegende Gesetz mehr Rechtssicherheit. Insofern ist es ein Gesetz, das letztendlich positiv für die Patientinnen und Patienten und auch für die Beschäftigten wirkt – wenn sie denn in den psy chiatrischen Krankenhäusern und bei der Justiz in ausreichen der Zahl vorhanden sind. Deshalb werden wir in der Gesamt bilanz dem Gesetz auch zustimmen.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Inhaltlich haben wir dieses Gesetz im Ausschuss noch einmal intensiv beraten,
und wir können, glaube ich, schon zu der Feststellung kom men, dass man diese wirklich sensible Thematik mit großer Sorgfalt entwickelt und bearbeitet hat. Die FDP/DVP-Land tagsfraktion kann diesem Gesetz – ich will es vorwegnehmen – auch zustimmen.
Es wird jetzt eine Anpassung aufgrund der Maßgabe des Bun desverfassungsgerichts vorgenommen, und zwar – das wurde hier schon gesagt – sozusagen auf den letzten Drücker vor dem Ende der Frist zum 30. Juni. Wir müssen sehr sensibel auf das weitere Verfahren achten. Reichen die geplanten Rich terstellen aus? Kollege Hinderer hat das ausgeführt. Denn wir haben keine Erfahrungswerte, wie viele Entscheidungen tat sächlich zu treffen sind. Man rechnet jetzt 7 200 Fälle hoch, aber kann es noch nicht genau beurteilen. Da man weiß, wel che große Aufgabe die Richterinnen und Richter bei dieser Thematik haben, ist es umso wichtiger, dass wir hier noch ei ne Analyse, einen Bericht bekommen.
Ganz interessant war – das hatte ich schon bei der Ersten Be ratung ausgeführt – die Anhörung im Bundestag von Fachleu ten aus den psychiatrischen Kliniken, die aus ihrer Erfahrung berichtet und auch darauf hingewiesen haben, dass die Fixie rung wirklich die Ultima Ratio ist und man vorher zunächst einmal andere Methoden der Ruhigstellung zur Anwendung bringt. Insofern ist es natürlich auch sehr wichtig, qualifizier tes und vor allem ausreichendes Personal in den Kliniken zu haben. Denn mit gutem, qualifiziertem und ausreichendem Personal gelingt es, auch die Zahl der Fixierungen zu redu zieren.
Da bitte ich – das hatte ich auch in der Beratung gesagt und will es hier noch einmal sagen – um einen Bericht des Minis teriums. Denn die Fachleute haben gesagt, man sollte evalu ieren, ob man den Richtervorbehalt nicht erst ab einer Fixie rung von 60 Minuten ansetzen könne, weil sie davon ausge hen, dass die 30 Minuten dazu führten, dass man deutlich mehr Richtervorbehalte benötigen würde. Das ist ein Punkt, den man, glaube ich, gemeinsam mit den Fachleuten in den Kliniken ins Auge fassen muss. Insofern möchte ich an die ser Stelle noch einmal um einen Bericht bitten.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für die Beratung und auch für die positiven Äußerungen hier bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes.
Sie alle haben in den verschiedenen Beiträgen erwähnt, wie außergewöhnlich die Situation ist, wenn Menschen fixiert wer den müssen. Das stellt wirklich eine außergewöhnliche Situ ation dar, eine Grenzsituation, die natürlich auch einer ganz besonderen Aufmerksamkeit und einer Fürsorge bedarf. Die Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes kommt dem Gebot dieser besonderen Aufmerksamkeit und Verantwortung nach.
Ausgeführt wurde verschiedentlich auch, dass wir die Ände rung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes nun vornehmen mussten, weil das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr aufgrund einer konkreten Beschwerde entsprechend geurteilt hat. Wir hatten einen sehr engen Zeitplan; es wurde gerade schon gesagt, dass wir dieses Gesetz nun bis kurz vor Ende der Fristsetzung auf den Weg bringen werden. Aber das lag natürlich nicht in erster Linie an uns, sondern es lag vor allem daran, dass der Zeitplan, den das Bundesverfassungsgericht vorgab, sehr eng bemessen war.
Ein weiterer Grund war, dass wir sehr großen Wert darauf ge legt haben, dass der Beteiligungsprozess so ausführlich wie nur eben möglich durchgeführt wird. Es hat nicht nur eine re guläre Anhörung gegeben, sondern während dieser Anhörung bestand für die Bevölkerung die Möglichkeit, mithilfe des Be teiligungsportals der Landesregierung konkrete Stellungnah men abzugeben.
Das Gesetz ist so, wie es jetzt vorliegt und hoffentlich nun auch verabschiedet wird – der Entwurf war im Mai einge bracht worden –, eine Konsequenz dessen, was im Rahmen der Anhörung zum Ausdruck gebracht wurde. Hierfür möch te ich mich bei den beteiligten Gruppierungen, aber natürlich auch bei den Fraktionen hier im Landtag bedanken.
Herr Hinderer, Sie haben in der ersten Lesung ebenso wie in der nachfolgenden Ausschussberatung, aber auch gerade wie der hier Ihren Eindruck formuliert, es werde haushalterisch nicht konkret genug ausgewiesen, welche Stellenkapazitäten insgesamt beim Justizministerium erforderlich sind. Ich finde das ein bisschen künstlich aufgebauscht. Im Ausschuss haben der Minister ebenso wie der Vertreter des Justizministeriums ja die ganz klare Aussage getroffen, dass sich alle beteiligten Ministerien – also Finanzministerium, Justizministerium und Sozialministerium – sehr wohl der Verantwortung bewusst sind, da genau hinzuschauen, es aber zum jetzigen Zeitpunkt – das Gesetz ist ja noch gar nicht in Kraft getreten – keinen Sinn macht, ganz konkrete Zahlen dazu zu nennen, wie viele zusätzliche Personalstellen benötigt werden. Es gibt die Ver abredung, und es wird die Verantwortung dafür übernommen, dass alle notwendigen Personalstellen finanziert
(Abg. Reinhold Gall SPD: Da muss man eine Kos tenabschätzung machen, wie bei jedem Gesetzge bungsverfahren!)
und bereitgestellt werden. Sie können bei einem solchen Ge setz, das nun zunächst zur Umsetzung gelangen muss – Fixie rungen ab 30 Minuten bedürfen einer richterlichen Anordnung –, nicht bereits im Vorgriff die Zahl der Personalstellen fest legen, die vorgehalten werden müssen. Das alles wird sich he rausstellen.
Es gibt in jedem Fall die Verabredung, dass dies vonseiten al ler beteiligten Ministerien unproblematisch ist. Ich finde es daher nicht gut, dass dieses Thema nun so aufgebauscht wird und so getan wird, als hinge hiervon die Seriosität dieses Ge setzes ab. Wir sehen dies ausdrücklich nicht so; wir meinen, wir sind dabei auf einem sehr guten Weg.
Das zentrale Anliegen ist ja, Fixierungen möglichst zu ver meiden. Es geht also nicht nur darum, Fixierungen irgendwie zu organisieren, sondern zentrales Ziel dieses Gesetzes ist doch gerade, diese so weit wie möglich zu verhindern.
Eine große Unterstützung dieses Ansatzes sehe ich darin, dass schon im ursprünglichen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz festgelegt war und wir dies jetzt bei der Änderung klar bestä tigen: Es bleibt bei der 1:1-Betreuung. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass wir die Verantwortung für die Situation der Menschen in der Psychiatrie wirklich sehr ernst nehmen.