Wer diese Partei nach drei Jahren im Landtag von BadenWürttemberg nur als populistisch bezeichnet, der verharmlost sie. Erwin Teufel hat recht: Die AfD ist eine rechtsradikale Partei –
(Abg. Daniel Rottmann AfD: Sie demonstrieren Hand in Hand mit der Antifa! Ihre Jugendorganisation! – Glocke der Präsidentin)
Jetzt ist es gut. Jeder hat seine Redezeit, und die Redezeit hat jetzt Herr Abg. Dr. Kern für die FDP/DVP.
(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Jetzt wird es wieder fachlich und sachlich! Jetzt kommen wir zum Kern-Thema! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt kommen wir zum Kern! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das heißt Redezeit und nicht Schreizeit!)
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Nicht nur die Kritiker, sondern auch zahlreiche Anhänger der ehemaligen, grün-roten Landesregie rung waren sich in einem Punkt einig: Die Schulstrukturre
formen von Grünen und SPD zwischen 2011 und 2016 waren damals zu einschneidend, zu überstürzt, zu radikal, als dass sie unserem Bildungswesen wirklich gutgetan hätten.
Eine grundlegende Lehre aus der Erfahrung gerade mit der grün-roten Bildungspolitik muss deshalb sein, sich mit schnel len, tiefgreifenden Schulstrukturreformen möglichst zurück zuhalten. Ein „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ gilt es aus unserer Sicht, aus Sicht der FDP/DVP-Fraktion, unbedingt zu vermeiden.
Wenn wir jetzt also wieder vollständig zum neunjährigen Gymnasium zurückkehren würden, nachdem sich die Schu len in zum Teil schwierigen Prozessen auf das achtjährige Gymnasium eingestellt haben, dann würde das eine weitere Schulstrukturumwälzung bedeuten. Dies würde ein weiteres Mal Unruhe und Belastung für unsere Schulen mit sich brin gen, in erster Linie natürlich für die Gymnasien, in zweiter Linie aber für das gesamte Schulsystem.
Nachdem Grüne und SPD mit dem Schaufelradbagger durch den bildungspolitischen Garten Baden-Württembergs gefah ren waren, hat die FDP/DVP-Landtagsfraktion einen Ausweg aus der damaligen verfahrenen Situation aufgezeigt. Unser Ziel war ein stabiler Schulfrieden, der faire und verlässliche Bedingungen für alle Schulen über Regierungswechsel hin aus garantiert und auf einem Höchstmaß an Eigenverantwor tung und Gestaltungsfreiheit für die Schulen und die vor Ort Verantwortlichen beruht.
Hierfür haben wir ein Impulspapier mit konkreten Vorschlä gen zu den einzelnen bildungspolitischen Großbaustellen vor gelegt. In der G-8/G-9-Frage hatten Grüne und SPD damals einen faulen Kompromiss geschlossen. Denn nach ihrem Wil len hatte damals nur ein einziges Gymnasium pro Landkreis die Möglichkeit, zu G 9 zurückzukehren. Das Ganze haben sie auch noch Schulversuch genannt.
Wie vorauszusehen war, haben Sie damit ganz erhebliche Ge rechtigkeitsprobleme geschaffen. Mancherorts wurden die ra ren G-9-Plätze sogar verlost. Ich hätte mir bis zum damaligen Zeitpunkt nie vorstellen können, dass die Bildungsbiografie eines baden-württembergischen Schülers einmal vom Los glück abhängt.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal einen grundsätzli chen, aber sehr wichtigen Punkt betonen: Für uns bilden die beruflichen Gymnasien als abgestimmter Anschluss an die mittlere Reife die neunjährige Alternative zum achtjährigen Gymnasium.
Als Ausweg aus dem grün-roten G-8/G-9-Schlamassel schlu gen wir Freien Demokraten eine G-8/G-9-Wahlfreiheit zu gleichen und fairen Bedingungen vor. Unser Vorschlag sah vor, dass alle Gymnasien im Verhältnis zur jeweiligen Schü lerzahl die gleiche Personalausstattung erhalten. Parallel da zu sollte die Möglichkeit bestehen, neben dem Standardweg eines Abiturs in acht Jahren einen neunjährigen Bildungsgang
anzubieten. Dieser ist z. B. interessant für Schülerinnen und Schüler, die sich intensiv ihren Talenten und Interessen in Mu sik, Sport, im Bereich Kirchen oder im Ehrenamt widmen wollen.
Den mit zusätzlichen Lehrerwochenstunden privilegierten Schulversuch G 9 wollten wir beenden bzw. auslaufen lassen und alle Gymnasien gleichermaßen gut personell ausstatten. Erwartungsgemäß lehnten sowohl die ehemalige, grün-rote Regierungskoalition Kretschmann I als auch die derzeitige, grün-schwarze Regierungskoalition Kretschmann II unseren Vorschlag ab. Letztere verlängerte den sogenannten G-9-Schul versuch sogar noch, was zweifellos die schlechteste aller mög lichen Handlungsalternativen war.
Wir Freien Demokraten werben dessen ungeachtet weiter für unseren Vorschlag, in der Überzeugung, dass eine G-8/G-9Wahlfreiheit zu gleichen und fairen Bedingungen einen zentra len Baustein für einen stabilen Schulfrieden in Baden-Württem berg darstellen würde. Deshalb fordern wir die grün-schwarze Landesregierung erneut auf, ihre Entscheidung zu überden ken und unseren Vorschlag zu übernehmen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum vorliegenden Gesetzentwurf der AfD ist schon viel und auch viel Richtiges gesagt worden.
Dass wir gemeinsam das Ziel haben, den Schülerinnen und Schülern mit dem Abitur die bestmögliche Grundlage – wie in allen Schularten – mitzugeben, ist richtig. Das ist ein ge meinsames Ziel. Ob der Weg, der jetzt vorgeschlagen wird, der richtige ist, wage ich jedoch zu bezweifeln.
Wir haben in Baden-Württemberg unterschiedliche Wege, um G 9 zu realisieren. Wir haben zum einen – das wurde schon angesprochen – im allgemeinbildenden Bereich den Schul versuch aus der letzten Legislaturperiode, den wir verlängert haben. Das sind 44 G-9-Standorte. Interessanterweise sind es künftig nur noch 43, weil ein Gymnasium als Schulgemeinde freiwillig zu G 8 zurückgekehrt ist.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Hört, hört! – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Aus räumlichen Gründen, nicht aus pädagogischen!)
Wir haben in Baden-Württemberg darüber hinaus – anders als in anderen Bundesländern – die Möglichkeit über die berufli chen Gymnasien, um die wir im Übrigen bundesweit sehr be neidet werden,
Realschule, Gemeinschaftsschule und anschließend allge meinbildendes oder berufliches Gymnasium mit einer hervor ragenden Profilbildung und einer sehr guten Qualität.
In Baden-Württemberg machen seit Jahrzehnten im Durch schnitt sehr konstant 35 % der Schülerinnen und Schüler ihr Abitur auf einem beruflichen Gymnasium. Auch das sind ei ne Perspektive und eine Vielfalt, die unterschiedliche Wege abbilden.
Seit Neuem besteht auch die Möglichkeit – momentan an zwei Standorten, nämlich Konstanz und Tübingen, künftig an drei Standorten, nämlich Konstanz, Tübingen und Wutöschingen –, über die Gemeinschaftsschule und die Sekundarstufe II klassisch nach G 9 den Weg zum Abitur zu machen. Deshalb glaube ich, dass wir die notwendige Vielfalt, um die individu ellen Wege der Schülerinnen und Schüler abzubilden, in Ba den-Württemberg sehr gut darstellen.
Ich kann auch keinen Trend erkennen, der völlig gegen G 8 spricht. Natürlich gibt es Eltern, die sich eine Rückkehr zu G 9 wünschen. Aber schauen wir uns doch die Anmeldezah len an. Als wir in Baden-Württemberg zum Schuljahr 2004/2005 das G 8 eingeführt haben, wechselten etwa 36 % der Schüler nach der Grundschule aufs Gymnasium. Heute, im aktuellen Schuljahr, wechseln im landesweiten Durch schnitt knapp 44 % nach der Grundschule auf das Gymnasi um. Also: Das Gymnasium wird immer beliebter. G 8 schreckt nicht ab, ganz im Gegenteil.
Daraus ablesen, dass viele Eltern oder Schülerinnen und Schü ler ein Problem damit hätten, kann man wahrlich auch nicht. Das heißt, die Zahlen steigen. Deshalb auch ein klares Be kenntnis zu G 8.
Man sollte tatsächlich – Karl-Wilhelm Röhm hat es dargestellt – die Historie von G 8 nicht vergessen. Natürlich war die Auf gabenstellung – das ist sie im Übrigen heute noch –, zu sehen: Wo können wir die Schulen unterstützen? Wo können wir uns auch anschauen, was man wie machen muss, wie man Zeiten und Inhalte strecken kann? Das ist eine Aufgabe, an der wir kontinuierlich arbeiten. Aber schon damals wurde darüber dis kutiert, dass die deutschen Abiturienten im internationalen Vergleich ein beträchtliches Alter aufwiesen. Man kann auch sagen: Die FDP/DVP hat schon damals sehr intensiv – analog zu den Unternehmen, den Wirtschaftsvertretern – für G 8 ge worben.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Dazu stehen wir nach wie vor! Habe ich gesagt!)