Es wurden damals unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Ich erinnere an Frau Rastätter, die damals hier in der Debatte da rauf hingewiesen hat, dass man vor allem den doppelten Ab iturjahrgang rechtzeitig ins Auge fassen soll, damit das gelin gen kann. Herr Kollege Zeller hat damals angemahnt, dass die Bildungspläne entsprechend kompatibel sein müssen. Wenn ich mich recht erinnere, war es der Kollege Kleinmann von der FDP/DVP, der damals die Forderung aufgestellt hat – die auch seitens der Abnehmer kam –, in Baden-Württemberg in G 8 einzusteigen.
Die Situation war damals so, dass die Kinder in der Grund schule eher mit sieben Jahren als mit sechs Jahren eingeschult wurden. Wir hatten zudem die Situation – da war der Bolog na-Prozess noch nicht umgesetzt –, dass ein Abiturient im Durchschnitt neunzehneinhalb Jahre alt war und dann nach dem Zivildienst oder Wehrdienst im 21. oder 22. Lebensjahr sein Hochschulstudium begonnen hat. Das ist ein Zeitraum, innerhalb dessen ein Jurist im englischsprachigen Raum be reits sein Studium abgeschlossen hat.
Ich will jetzt nicht die Qualität der juristischen Ausbildung in England – weil Sie mich so anschauen, Herr Binder – mit der juristischen Ausbildung vergleichen, die u. a. Sie genossen haben. Das tue ich sicherlich nicht. – Das waren damals die Voraussetzungen.
Dann haben sich die Schulen auf den Weg gemacht und die ses neue Modell sehr leidenschaftlich umgesetzt, und das ha ben sie auch erfolgreich getan; das muss man sagen. Die ver meintlichen Proteste, die immer wieder beschworen werden, waren meines Erachtens so überhaupt nicht gegeben.
Wir haben uns, als wir in die Koalitionsverhandlungen einge treten sind, darauf verständigt, dass wir es bei G 8 belassen und dass wir die 44 G-9-Schulen, die Grün-Rot auf den Weg gebracht hat, ebenfalls weiterlaufen lassen. Das ist der politi sche Istzustand, und den tragen wir voll und ganz mit.
Die Schüler – das ist übrigens auch interessant – haben sehr schnell gelernt, mit diesem Istzustand zurechtzukommen. Da gibt es ganz extreme Beispiele. Ich kenne Schüler, die von der neunten Klasse des allgemeinbildenden Gymnasiums in die elfte Klasse eines beruflichen Gymnasiums gewechselt haben, dort ein Jahr draufgesetzt haben, um die Fachhochschulreife zu erwerben, ein Praktikum gemacht haben und damit die Fachhochschulreife erworben haben – den betrieblichen und den schulischen Teil hatten sie ja vorher erworben –, um dann zu studieren. Sie haben das gemacht, weil sie einen „prakti schen Weg“ gehen und entsprechend schnell vorankommen wollten.
Es gibt natürlich auch Schüler, die von der Klasse 10 eines allgemeinbildenden Gymnasiums auf ein berufliches Gymna sium wechseln, weil sie ihren Schwerpunkt – ich denke etwa an Biotechnologie oder Sozialwissenschaften – dort finden wollen.
Wir haben also genügend Möglichkeiten – um das in aller Klarheit zu sagen –, dass die Schüler ihren individuellen Weg gehen können. Deswegen haben wir in der laufenden Legis laturperiode keinen Änderungsbedarf. Daher werden wir Ih ren Gesetzentwurf ablehnen.
Eine ganz andere Fragestellung – das möchte ich auch in der gebotenen Offenheit ansprechen – ist: Wie geht es dann am Tag X weiter? Wir, die CDU, haben im letzten Landtagswahl kampf für eine Wahlfreiheit plädiert. Ich darf darauf hinwei sen, dass auch ich diesen Weg weiterhin für den richtigen hal te, und dann wird sich das Miteinander von G 8 und G 9 ein spielen. Wir hatten übrigens im Vorlauf schon bei sogenann ten Turbogymnasien – das ist ein ungeschickter Begriff – Er fahrungen damit, dass Schüler in einem kürzeren Bildungs gang schneller zum Erfolg kommen.
Ich persönlich könnte mir vorstellen – ich glaube, auch für meine Fraktion zu sprechen –, dass man im Hinblick auf die Zukunft – das ist aber nicht Gegenstand der jetzigen Legisla turperiode – darüber nachdenken sollte, ob man nicht an al len Schulen beide Wege eröffnet. Ich glaube, dass darin eine Chance liegen würde,
Da der Kollege Haser applaudiert: Er wäre sicher einer ge wesen, der den achtjährigen Bildungsgang gemacht hätte.
Ich hätte mich dem Sozialwissenschaftlichen Gymnasium zu gewandt. Das ist damals eher meine Sache gewesen. – Doch das ist Zukunftsmusik. Das ist dann Sache des nächsten Wahl kampfs.
Ich darf in Richtung der AfD bemerken: Ich konnte leider nicht sagen, welchen Beitrag Sie damals geleistet haben; da gab es Sie noch nicht.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Röhm, das gro ße Problem bei G 8 war die dilettantische Umsetzung. Ich kann mich noch erinnern – Wahlkampf 2010/2011 –, dass mir ein Deutschlehrer begegnet ist, der gesagt hat: „Wir haben das jetzt schon so viele Jahre. Ich habe nicht eine einzige Fortbil dung dazu bekommen.“ Genau das ist das Problem.
Sie wissen, dass ich ein großer Verfechter von G 9 bin, aber dieser Gesetzentwurf weist massive konzeptionelle Schwä chen auf. Zum einen sollen, wie Frau Boser schon ausgeführt hat, alle Gymnasien hierzu gezwungen werden, obwohl es vie le gibt, die G 8 bleiben wollen. Aber warum kein Wahlrecht wie in Hessen?
Des Weiteren ist der Gesetzentwurf völlig unklar hinsichtlich der Möglichkeit, die elfte Klasse zu überspringen. Was heißt denn „bei vorliegender entsprechender Leistung“? Geht es um die Noten am Ende der Klasse 10 oder der Klasse 8? Denn be reits in Klasse 8 müssten sich die Schülerinnen und Schüler entscheiden, eine extra Förderung in Anspruch zu nehmen. Dann geht es um vier Förderstunden über zwei Jahre, die po tenzielle Überspringer bekommen sollen. Das ist erstens ent wicklungspsychologisch, Kollege Balzer, völlig fragwürdig, weil diese wichtige Entscheidung damit mitten in die Puber tät fällt, und zweitens soll Inhalt der Förderstunde der Stoff aus Klasse 11 sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen also vorlernen.
Wie soll das gehen, wenn das Grundlagenwissen dafür noch nicht vermittelt wurde? Für die Lehrkräfte wäre es auch schwierig, für die Jugendlichen überhaupt einen Förderplan zu erstellen, wenn einerseits der eigentliche Unterricht viel leicht langweilt, während der Förderunterricht sie überfordert, weil das Vorwissen fehlt.
Für das Überspringen soll nach Ihren Ausführungen ein No tendurchschnitt von 3,0 ausreichend sein. 3,0!
Ich glaube kaum, dass dies pädagogisch eine angemessene Voraussetzung für eine so maßgebliche Schulzeitverkürzung ist. Auf der anderen Seite kann man doch nicht die Hürden ab senken, um dann nach Ihren Vorstellungen 20 % bis 40 % der Schülerschaft eine Verkürzung zu ermöglichen. Spätestens beim Abitur würden diese dafür den Preis zahlen müssen. – Nein, das ist alles völlig undurchdacht.
(Beifall bei der SPD, der Abg. Sandra Boser und Da niel Andreas Lede Abal GRÜNE sowie des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)
Es geht weiter. Ein Hauptargument für G 9 wäre für mich, Schülerinnen und Schülern eine Entlastung und mehr Zeit für ihre Persönlichkeitsentwicklung zuzugestehen. Geht es nach der AfD, werden die möglichen Zeitressourcen sofort durch die Einführung neuer Stunden „aufgefressen“. 18 Stunden sind zusätzlich eingeplant.
Auch handwerklich ist der Vorschlag im Gesetz sehr schlecht. Eine Umsetzung zum 1. August wird verlangt – viel zu kurz, ohne Planung, und das Ergebnis wäre klar: Chaos.
Aber schließlich – das muss ich deutlich sagen: hier hört der Spaß auf – ist der Gesetzentwurf, versteckt an einer Stelle, ideologisch hoch aufgeladen. In der Tat ist er natürlich aus ei nem ganz anderen Geist heraus geschrieben. Als jemand, der selbst Geschichte unterrichtet hat, bin ich sicherlich der Letz te, der sich dagegen wehrt, hier zu einer Ausweitung von Ge schichtsstunden aufzufordern. Wenn ich bei Ihnen aber unter „Konzeptionelle Eckpunkte“ lese – Zitat –: „Anzustreben ist eine gleiche Gewichtung aller Zeitepochen“, erkenne ich ganz klar und deutlich Ihre „Vogelschiss“-Politik. Ihr Ansinnen muss man nämlich im Rahmen der zahlreichen Anträge se hen,
die Sie hier im Parlament bereits gestellt haben und die Sie fortlaufend stellen, um zu versuchen, die Verbrechen des Na tionalsozialismus zu nivellieren.
Die deutsche Geschichte besteht sicher nicht nur aus dem Na tionalsozialismus. Aber diese Verbrechen sind für uns ein Auf trag, und der lautet klar: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschis mus.
Sie dagegen haben hier einen Antrag gestellt, um die Mittel für die KZ-Gedenkstätte Gurs auf null zu setzen.
Sie wollen die Landeszentrale für politische Bildung abschaf fen. Sie haben Anträge im Finanzausschuss gestellt, die da lauten, den Haushaltstitel „Gedenkstätten des nationalsozia listischen Unrechts“ umzubenennen
in „Bedeutsame Gedenkstätten der deutschen Geschichte“. Sie wollen vergessen machen. Sie haben damit Ihre Masken längst fallen lassen.
Mit der Formulierung „Anzustreben ist eine gleiche Gewich tung aller Zeitepochen“ kündigen Sie den demokratischen Konsens der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft auf. Schämen Sie sich!
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der AfD)