Ja. – Herr Minister Hauk, meine Frage zielt in dieselbe Richtung. Dorfläden und Dorf gaststätten sind innerorts ja wichtige Punkte. Da Sie gerade gesagt haben, dass die Leute bleiben möchten und dort gern wohnen: Inwieweit werden diese über das ELR gefördert?
Das kann man ganz kurz machen: Die sind na türlich auch förderfähig. Vor allem unterstützen wir alle Kon zepte, die sich aus der Bürgerschaft heraus selbst entwickeln. Ich kenne jetzt drei oder vier Dorfläden – in Jagsthausen fällt mir einer ein, in Neuenkirchen im Odenwald fällt mir ganz spontan einer ein –, die sich auf Genossenschaftsbasis im Ort gegründet haben. Beides sind Kernorte mit round about 1 000 Einwohnern an der Zahl. Das trägt sich gerade so – aber im merhin, der Dorfmittelpunkt wurde erhalten, und das ist, glau be ich, gerade für ältere Menschen ganz entscheidend. Man merkt auch: Die schätzen es wieder mehr, wenn es Angebote in der Dorfmitte gibt, und sind nicht mehr so versessen, auf die Einkaufszentren auf der grünen Wiese auszuweichen; sie sind ja auch nicht mehr in dem Umfang mobil.
Vielen Dank, Herr Minis ter. – Dann noch eine kurze Frage des Herrn Abg. Gall; da nach ist die Zeit um.
Herr Minister, ich wollte noch ein mal nachfragen, wie ich Ihre Aussage zu verstehen habe, dass Sie meinen, die Sachverständigen und die Fachleute im Be reich des Brandschutzes auf die wirklichen Gefahren hinwei sen zu müssen. Anders gefragt: Sind Sie der Auffassung, dass Ihre Kompetenz in diesem Bereich größer ist als beispielswei se die der Fachleute in den Reihen des Feuerwehrverbands?
Dieser Meinung bin ich nicht, Herr Kollege Gall. Ich sehe aber eines, nämlich, dass auch die Brandexperten im Bereich der Verbände nur das Thema Brandschutz sehen, aber keine – wie ich meine – adäquate Risikofolgenabschätzung betreiben. Wenn ich sehe, dass beispielsweise ein historischer Saal bei mir in der Nachbargemeinde jetzt mit einem zweiten Abgang – das geht ja noch; das ist baulich gerade noch zu leis ten – zu versehen ist: In dem Saal treffen sich seit 150 Jahren Menschen – der ist zum Teil gerammelt voll – zum Feiern und dergleichen mehr. Ich weiß nicht, ob in der Vergangenheit et was passiert ist, vermutlich aber nicht.
Dann war die Wahl zwischen einer Sanierung – Aufwand ein paar Hunderttausend Euro – oder der Erstellung einer – zuge gebenermaßen nicht sonderlich attraktiven – Außentreppe aus Stahlrohr, die dann gebaut werden kann; und da hat das Denk malamt auch noch etwas dagegen. Da muss ich sagen: Da ist die Frage, ob der Brandschutz seine Bedeutung in ein paar Be reichen nicht überschätzt.
Ich will keine Kompetenzen einschränken; ich will nur sagen: Anscheinend – diesen Eindruck habe ich jedenfalls – sind die meisten Brandschutzexperten von den Bombennächten 1944 und 1945 geprägt, als ganze Städte lichterloh gebrannt haben. Aber diese Zeit haben wir jetzt Gott sei Dank seit 70 Jahren hinter uns, und es ist auch Gott sei Dank nicht damit zu rech nen, dass es äußere Einwirkungen gibt, die zu so etwas füh ren. Also ist doch die Frage, ob aufgrund des Risikos von Feu ersbrünsten ein übertriebener Brandschutz, ein Brandschutz in diesem Umfang notwendig ist.
Das betrifft auch Versammlungsstätten. Es geht dort nicht um einen dauerhaften Aufenthalt von Menschen, wie es in Wohn gebäuden, aber auch in Schulen etc. der Fall ist. Da muss ich sagen: Da wird nach meinem Eindruck manchmal das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.
Leider Gottes haben wir es bisher nicht geschafft, im Bürger lichen Gesetzbuch das Thema Schadensersatz – da kommt ja alles her – zu konkretisieren. Wir haben es bisher nicht ge schafft, eigene rechtstechnische Lösungen zu finden. Da hat sich niemand herangetraut. Das wäre eigentlich eine bundes rechtliche Aufgabe. An dieses Thema traut sich niemand he ran, weil es so schwierig ist, und deshalb lässt man es lieber bleiben.
Dann überlässt man es den Richtern, im Einzelfall zu urtei len, und den Brandsachverständigen, die den Daumen senken oder heben. Ich finde, angesichts der wirtschaftlichen Dimen sion heutzutage ist es eigentlich ein Unding, dass ein demo kratischer Staat sich das gefallen lässt – von ein paar wenigen Sachverständigen, die sich dazu aufschwingen, über Millio nenbeträge und auch über Gelingen oder Nichtgelingen zu entscheiden.
Unsere Zeit für die Regierungsbefragung ist abgelaufen. In sofern müssen wir diesen Punkt jetzt abschließen. Der von der FDP/DVP-Fraktion noch angemeldete Punkt „Restitution von Kulturgütern“ muss damit entfallen.
Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Mi nisteriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – Handwerk und Digitalisierung – Drucksache 16/1826
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
(Abg. Martin Grath GRÜNE begibt sich zum Rede pult. – Abg. Winfried Mack CDU: Haben wir eine „Grath-Wanderung“?)
Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Das Handwerk, besser bekannt als die „Wirtschaftsmacht von nebenan“, leistet einen wichtigen Bei trag zur Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen bei uns in Baden-Württemberg. Das Handwerk trägt entscheidend zur ökologischen Modernisierung unseres Landes bei und stärkt regionale Wertschöpfungsketten.
Um diesen Aufgaben auch in Zukunft gerecht zu werden und auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet zu sein, muss sich das Handwerk intensiv – mancherorts intensiver – mit der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft, der Wirtschaft, ja, unseres kompletten Lebens auseinandersetzen.
Vor allem wollen wir, dass die aus der Digitalisierung entste henden Möglichkeiten und Chancen für das Handwerk sicht bar werden. Dieser nun schon vor zwei Jahren gestellte An trag fragt daher nach solchen Chancen und Möglichkeiten, aber auch nach den Risiken für das baden-württembergische Handwerk.
Zunächst geht mein Dank an das Wirtschaftsministerium für die sehr gute und ausführliche Beantwortung dieses Antrags. Die ausführliche Beantwortung zeigt, welchen Stellenwert das Wirtschaftsministerium dem Handwerk beimisst, wie der Pro zess begleitet, unterstützt, beeinflusst und oftmals auch be schleunigt wird. Dafür vielen Dank.
Handwerk und Digitalisierung – zwei Welten begegnen sich, könnte man meinen. Doch weit gefehlt: Das Handwerk ist um fassend mit Digitalisierung befasst, ob im eigentlichen Ar beitsablauf, im Marketing, in der Produktion oder in Koope rationen. Zwar gibt es Unterschiede zwischen den verschie denen Branchen, was den Grad
und die Geschwindigkeit der Digitalisierung betrifft, jedoch setzen sich alle Betriebe zumindest mit Aspekten der Digita lisierung auseinander. Fast alle Betriebe verfügen über eine Webseite, ein Viertel nutzen moderne digitale Techniken wie generative Fertigungsverfahren oder Trackingsysteme zur Beobachtung von Maschinen oder Objekten. Der zunehmende
Druck, ihre Betriebsprozesse zu digitalisieren, wird von den meisten Handwerkerinnen und Handwerkern wahrgenommen.
Auch aus diesen handwerkstypischen Vielschichtigkeiten er gibt sich eine nicht zu unterschätzende Kernaufgabe: Es müs sen die, die in der Digitalisierung weit vorangeschritten sind, und die, die noch mehr Digitalisierungsaufgaben vor sich ha ben, gleichzeitig mitgenommen werden. Das ist nicht ganz einfach.
Um dem zu begegnen, hat die Landesregierung umfassende Beratungs- und Förderangebote für das Handwerk angeboten und entwickelt. Frau Ministerin, ich gehe davon aus, dass Sie hauptsächlich auf diese Aktivitäten eingehen werden, sodass ich mir ein bisschen Zeit sparen kann und nicht mehr alles aufzähle. Deshalb gehe ich gleich weiter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwischendurch etwas Grund sätzliches: Wie bei allen Digitalisierungsfragen gilt für uns Grüne auch im Handwerk: Die Digitalisierung muss dem Menschen dienen. Beim Handwerk bedeutet das vor allem: Sie muss die Handwerkerinnen und Handwerker von Büro kratie entlasten.
Der Handwerker sollte endlich wieder das tun, was er am bes ten kann, nämlich sein Handwerk ausüben.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Winfried Mack CDU: Hand werkszeug für den Handwerker! – Unruhe)
Die Digitalisierung soll Produktionsprozesse, Ressourcen und Energie effizienter machen. Klare Ziele dabei: Kosteneinspa rung und natürlich auch Umweltschutz.
Sie soll Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von gesundheitsge fährdenden Tätigkeiten – die gibt es auch im Handwerk ein fach immer noch – und von schweren Arbeiten entlasten und kann damit einen absolut wichtigen Beitrag zur Attraktivität des Handwerks leisten. Ferner soll sie helfen, dass Menschen mit Handicap eine Zukunft in Handwerksbetrieben haben kön nen, damit auch die Inklusion im Handwerk besser vorankom men kann. Auch das gehört für uns Grüne zu einer nachhalti gen und zukunftsgerichteten Handwerkspolitik, liebe Kolle ginnen und Kollegen.
Doch nun zu den Möglichkeiten und Chancen: Wo können die Chancen der Digitalisierung – dieses wahrscheinlich nie en denden Prozesses –, dieser digitalen Revolution, dieser Ver netzung von Daten und Informationen, für das Handwerk lie gen? Sicher in der Effizienzsteigerung.
Der Fachverband Elektro- und Informationstechnik ist über zeugt, dass die Digitalisierung von Geschäftsprozessen zu ei ner zeitlichen und personellen Entlastung führen wird. Hin sichtlich der Individualität der Produkte und Dienstleistungen gibt es noch Chancen. Die Entwicklung datenbasierter und – ganz wichtig – individuell auf den Kunden zugeschnittener Dienstleistungen ist eine Möglichkeit, die das Handwerk schon
nutzt, aber noch besser nutzen wird. Hier stellt sich die wirt schaftliche Basisfrage: Billiger oder besser? In Baden-Würt temberg können wir nur besser. Massenware oder individuel le Handwerksarbeit? Der Philosoph Richard David Precht – die meisten kennen ihn wohl – sagte erst vor Kurzem zur Di gitalisierung – ich zitiere –:
Chancen ergeben sich auch durch Komplettlösungen in ge werbeübergreifenden Kooperationen. Alles aus einer Hand – das ist nicht neu, aber immer noch aktuell, meine Damen und Herren.
Übrigens: Laut einer aktuellen Ausgabe der „Deutschen Hand werks Zeitung“ bewerten annähernd die Hälfte der Hand werksbetriebe den Nutzen höher als die Kosten. Daran sieht man doch den Wandel, den wir hier schon haben. Weitere 35 % sehen ein ausgeglichenes Verhältnis. Digitalisierung wird überwiegend als Chance gesehen. Keine Angst vor Neu em. Ich habe von meinen Handwerkskolleginnen und -kolle gen nichts anderes erwartet.
Doch keine Chance ohne Risiko. Ja, es gibt nicht zu unter schätzende Risiken und Herausforderungen. Die Grenzen zwi schen Handwerk und Industrie, zwischen Produktion und Dienstleistung verschwimmen. Das Handwerk wird übergan gen, und der Handwerker wird, wie im Antrag beschrieben, zum Subunternehmer degradiert. Das Handwerk wird bei der Auswertung erhobener Daten ausgegrenzt und/oder als VorOrt-Dienstleister ausgebootet. Das Kfz-Handwerk weiß, wo von ich spreche.
Um diesen Risiken vorzubeugen, braucht das Handwerk auch weiterhin dringend Hilfe und Unterstützung von den Hand werksorganisationen und der Politik. Dies fängt bei der Bera tung der Betriebe an, geht über Aus- und Fortbildung der Mit arbeiter, über die Vereinheitlichung der Datenformate und Schnittstellen bis hin zu IT-Sicherheit und Datenhoheit.
Die grün-schwarze Landesregierung bietet hierfür zusammen mit den Handwerksorganisationen u. a. im Rahmen des Stra tegieprojekts „Dialog und Perspektive Handwerk 2025“, aber auch im Rahmen der Initiative Wirtschaft 4.0 diese Hilfe und Unterstützung an und schafft die geeigneten Rahmenbedin gungen.