Protocol of the Session on January 31, 2019

Wir fordern eine Debatte über die Inhalte, die gelernt werden sollen...

Herr Abg. Dr. Balzer, Ih re Redezeit ist abgelaufen.

... – ja, ich habe es gesehen –, und darüber, welches die Erwartungen an die Absolventen

sind. Dazu brauchen wir keine neuen Institute, sondern ein Bekenntnis zur Leistung in der Schule.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD spricht Herr Kollege Born.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor gut anderthalb Jahren hat Kul tusministerin Eisenmann eine groß angelegte Reform unter dem Titel „Qualitätskonzept“ angekündigt. Zum 1. Januar 2019 sollte die kostenneutrale Reform umgesetzt und sollten zwei neue Institute einsatzbereit sein.

Das mit dem 1. Januar 2019 wurde nichts. Inzwischen ist auch klar, dass die Reform erst im Endausbau kostenneutral sein könnte. Auf dem Weg dahin entstehen erst mal 30 Millionen € an zusätzlichen Kosten. Aber das scheint Grün-Schwarz völ lig egal zu sein, so wie es Grün-Schwarz nicht stört, dass über 2 000 Betroffene bislang außen vor gelassen wurden. Warum ist das ein Problem? Sie haben es sich hier schöngeredet und von den Arbeitsgruppen berichtet. Haben Sie mal mit den Leu ten gesprochen, die in den Arbeitsgruppen waren?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, da waren viele beteiligt!)

Denen wurde ein Maulkorb verpasst, sodass sie nicht mitein ander reden können und nicht darüber reden können. Das re den Sie hier als einen guten Prozess der Beteiligung schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Warum ist das so ein Problem? Wenn man Veränderungen wirklich gut gestalten will, dann weiß man doch, dass es im modernen Prozessmanagement darum geht, Betroffene zu Be teiligten zu machen, den Weiterentwicklungswillen zu nutzen, dass es darum geht, Widerstände zu überbrücken und Erfah rungen mitzunehmen. Das ist kluges Prozessmanagement. Das ist hier alles nicht geschehen. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe – ich habe es schon gesagt – waren stattdessen zum Schwei gen verdammt. Jetzt stehen Sie heute hier und reden sich das alles rosarot.

Es geht aber noch weiter. Seit der Ankündigung der Reform sind die Unterstützungssysteme für Schulen erheblich einge schränkt. Wie soll es auch anders sein, wenn fast ein Drittel der Seminare keine Leitung haben und zusätzliche Stellen un besetzt sind?

Auch die Schulen sind betroffen; denn wir hatten ja bereits ein Qualitätsmonitoring über die Fremdevaluation. Als Erstes wurde dieses Qualitätsmonitoring zum Schuljahr 2017/2018 abgeschafft, sodass man jetzt erst mal gar nichts hat.

Selbst die Experten, die Sie hier zitieren, sagen: Bis das, was Sie hier planen, überhaupt richtig greift, müssen Sie mit ei nem Zeitrahmen von zehn Jahren rechnen. Herr Röhm, Sie haben es richtig gesagt: Sie lassen sich richtig viel Zeit. Aber die Schülerinnen und Schüler an unseren Schulen haben eben nicht so viel Zeit wie Sie hier im Landtag.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich habe nicht viel Zeit!)

Im Mittelpunkt Ihres Konzepts steht nicht der Qualitätsauf bau und stehen auch nicht die Schülerinnen und Schüler. Im Mittelpunkt Ihres Konzepts steht der Bürokratieaufbau: zwei neue Institute mit insgesamt neun neuen Abteilungen und 35 neuen Referaten, dazu sechs neue Regionalstellen und zwei neue Stabsstellen im Kultusministerium. Unklar ist die Zu kunft der 38 Seminarstandorte und insbesondere ihrer Leitun gen. Das ist mehr und nicht weniger Bürokratie.

Welchen Sinn machen z. B. die sechs neuen Regionalstellen? Sie sind eine zusätzliche Verwaltungsebene. Sie haben hier viel darüber erzählt, dass Sie genau diese Doppelstrukturen nicht mehr wollen. Das Erste, aber was Sie machen, ist der Aufbau einer weiteren Doppelstruktur.

Was spricht denn fachlich dagegen, die Seminare auszubau en, sie zu stärken und zu Regionalstellen weiterzuentwickeln? Die Präsenz in der Fläche wäre durch ausgebaute Seminare jedenfalls besser. Die funktionierenden Leitungsstrukturen an den Seminaren müssten auch nicht zerschlagen werden.

Wir sehen, wie so oft, wenn die Kultusministerin wieder et was macht, handwerkliche Fehler: Die Bürokratie wird aus gebaut, der Zeitrahmen wird verschnarcht, Kosten werden zu spät gesehen.

Aber am ärgerlichsten ist, dass Sie nicht die inhaltliche Frage beantworten können, warum Sie die Schulen nicht ins Zent rum ihrer eigenen Qualitätsentwicklung stellen. Sie wollen ei nen Reformprozess und setzen die Schulen als möglichen und wichtigen Impulsgeber vor die Tür. Das passt sicher zu den Launen der Kultusministerin, die gern auch mal Schulen via Pressemitteilung wissen lässt, ob Projekte eingestellt werden. Aber das Bildungsland Baden-Württemberg muss sich nicht den Launen von Kultusministerin Eisenmann beugen, sondern muss ein Chancenermöglicher für die Schülerinnen und Schü ler, ein Partner für die Eltern und ein guter Arbeitgeber für die Lehrer sein.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Lust an Zentralisierung kann dabei nicht die Lösung sein.

Frau Boser, Sie sagen, dass Sie bei den berechtigten Weiter bildungsansprüchen der Lehrer schneller reagieren wollen. Warum gehen Sie dann nicht auf unser Konzept des „Lernen den Kollegiums“ ein?

(Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE)

Warum schaffen Sie es denn nicht, die Schulen ernsthaft mit einzubinden? Wir haben ein entsprechendes Konzept vorge legt.

Herr Abg. Born, bitte be achten Sie die Zeit.

Noch einen Satz. – Zu den Fragen nach den Mehrkosten oder den Stellenplänen gibt es bis heu te keinerlei Antworten. Die Betroffenen werden vertröstet. Ei nen wirklichen Plan kann die Ministerin nicht vorlegen.

Wir reden über ein Qualitätskonzept. Bei dieser Politik sehen wir aber weder Qualität noch Konzept.

(Beifall bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Sehr gut!)

Für die FDP/DVP spricht Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Rülke.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er ist auch einmal Lehrer gewesen!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weise den Kollegen Röhm darauf hin, dass Fraktionsvorsitzende in diesem Haus für alles qualifiziert sind –

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das stimmt!)

zumindest die meisten.

(Heiterkeit – Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Zumindest einer! – Zuruf von der AfD: Fake News!)

Ihr Qualitätskonzept, Frau Ministerin Eisenmann, erinnert stark an den Versuch, eine neue Heizanlage in ein Mehrfami lienhaus einzubauen. Die neue Heizanlage soll leistungsfähi ger sein und auch effizienter arbeiten. Ihr einziger Nachteil ist: Diese Heizanlage ist noch gar nicht fertig und braucht noch ein paar Jahre, bis sie überhaupt an den Start gehen kann. Obwohl sie gut funktionierte, wurde die alte Heizung sogleich abgeschaltet mit dem Ergebnis, dass die Bewohner nun in kal ten Wohnungen sitzen und sich in Decken gehüllt auf die neue Heizanlage freuen können.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Im Bildungsbereich war es die Fremdevaluation, die mit der Ankündigung des neuen Qualitätskonzepts umgehend gekippt wurde. Nun arbeiten die Schulen unseres Landes bereits im zweiten Schuljahr ohne Qualitätsentwicklungssystem. Je nach dem, wann das neue Konzept tatsächlich zu arbeiten beginnt, könnte die grün-schwarze Koalition länger ohne als mit Qua litätssicherungssystem im Bildungsbereich regiert haben.

Um nicht missverstanden zu werden: Unsere Fraktion sperrt sich keineswegs gegen ein zukunftweisendes Qualitätskon zept für unser Bildungswesen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Immerhin!)

Aber wir sehen am grün-schwarzen Konzept erhebliche Män gel, die ich im Einzelnen an dieser Stelle aufführen möchte.

Erstens: Indem die Fremdevaluation gestrichen wurde, ging viel gewachsene Expertise verloren. Allein durch die schlag artige Beendigung der Fremdevaluation wurden zahlreiche kompetente Personen vor den Kopf gestoßen. Aber das Sys tem der Fremdevaluation lebt ja geradezu von den Erfahrungs werten, die die Evaluatoren sammeln und weitertragen. Sie waren es doch, die auch in Zeiten, als Leistung und Qualität bei der Landtagsmehrheit nicht eben hoch im Kurs standen, die Fahne der Qualität hochgehalten haben.

Auch beim Qualitätskonzept gilt das Modell vom Räderwerk: Wenn ein Rädchen bewegt wird, drehen sich zahlreiche wei tere an anderen Stellen mit. Da scheint vieles noch nicht zu Ende gedacht zu sein.

Die Schulpsychologen weisen zu Recht darauf hin, dass durch die Umschichtungen in der Schulverwaltung noch mehr hö

herwertige Stellen zulasten von Verwaltungsstellen entstehen. Statt sie weiter zu entlasten, wie es eigentlich nötig wäre, wer den den Schulpsychologen Verwaltungskräfte entzogen. Das ist nur ein Beispiel für eine Konsequenz des Umbaus, die un seres Erachtens nicht bedacht wurde.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Den Brief haben wir auch bekommen!)

Zweitens: Das neue Qualitätskonzept atmet zentralistischen Geist. Hierdurch wird einerseits bestehenden Institutionen die Eigenständigkeit genommen, beispielsweise den Seminaren. Uns erreichten zuletzt auch Hinweise, dass der ländliche Raum durch die Neustrukturierung der Lehrerausbildung abgehängt zu werden droht. – Diesen Brief haben Sie hoffentlich auch bekommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)