Protocol of the Session on January 31, 2019

Jetzt weiche ich ab und gehe zur Landwirtschaft, weil überall über die Frage von Pestizideinsatz, von Pflanzenschutzmitteln diskutiert wird: Hier sind Chancen aufgezeigt und Chancen gegeben, diese Dinge zu verbessern. Allein durch den techno logischen Einsatz, der durch Precision Farming möglich wird, ist es tatsächlich machbar, schon innerhalb der Umstellungs phase bis zu 30 %, 40 % der entsprechenden Mittel einzuspa ren.

Wir sehen, zwischen konventionellem und ökologischem Wirt schaften in Betrieben besteht keine Konkurrenz. Es wäre falsch, diese herbeizureden. Beide Bereiche müssen vonein ander lernen, und das Ziel, das alle miteinander haben, ist die Herstellung hochwertiger Produkte.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Wir reden auch über Haltungskennzeichnung. Einen entspre chenden Vorstoß haben wir unternommen; die Qualität der Produkte hängt natürlich auch vom Umgang mit Tieren ab. Wir wollen aber in der Zukunft kein weiteres Label-Wirrwarr. So löblich es ist, wenn die Lebensmittelindustrie, der Lebens mittelhandel eigene Kennzeichen erfinden, muss man sich trotzdem die Frage stellen, inwieweit dies nicht auch im Rah men von Marketing- und Kundenbindungsstrategien passiert.

Das sind Punkte, die wir angehen müssen. Deswegen setzen wir uns ein – und haben wir uns schon eingesetzt – für ein ver bindliches, bundesweit gültiges Lebensmittelkennzeichen. Da brauchen wir das Rad nicht neu zu erfinden, es reicht, nach Frankreich zu schauen. Dort gibt es das „Label Rouge“ mit insgesamt drei Hauptkomponenten: Produktionsverfahren und Haltungsbedingungen auf der einen Seite, Herkunft und Qua lität auf der anderen Seite.

Viele dieser Maßnahmen und der Punkte, deren Umsetzung ich angesprochen habe, bilden ein Fundament für den besse ren Umgang mit Lebensmitteln, aber auch für die Wertschät zung dessen, was auf Feld und Acker wächst, was im Stall er zeugt wird.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Aber wir sollten auch versuchen, nicht nur das passive Kon sumieren zu fördern; aus unserer Sicht muss es auch darum gehen, das gemeinsame Kochen in Kindergärten und Schulen zu verankern. Dies ermöglicht, dass die Grundfähigkeiten in einem lockeren Umfeld erlernt werden und zugleich die ver bindende und integrative Komponente voll zur Geltung kommt. Es gibt wenig, was so gut verbindet, wie gemeinsam zu ko chen und zusammen zu essen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD – Abg. And reas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, die enge Verbindung einer gesun den, regionalen und nachhaltigen Ernährung mit Landwirt schaft, Tier-, Umwelt- und Klimaschutz sowie die daraus re sultierende Stärkung des Zusammenhalts in unserer Gesell schaft machen deutlich: Die Investition in unsere Ernährung ist eine Investition in unsere Zukunft. Wir brauchen keine komplexen politischen Diskussionen, keinen Systemstreit zwischen klassischer und ökologischer Landwirtschaft, keine Haute Cuisine zu Hause. Was wir brauchen, ist Qualität und Nachhaltigkeit im Stall, auf dem Feld und auf dem Teller. Kurz gesagt, wir brauchen wieder vom Einfachen das Beste.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Herrn Abg. Grath.

Frau Präsidentin, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Zunächst einmal vielen Dank an unse ren Koalitionspartner, dass wir heute dieses wichtige – für mich das wichtigste – Thema Ernährung behandeln. Gesun de, regionale und nachhaltige Ernährung hängt mit vielen The men zusammen: mit Gesundheit, mit Ernährungsbildung und -information, mit Transparenz bei Kennzeichnung und Inhalts stoffen, mit Umweltschutz, mit Klimaschutz, mit Landschafts schutz, aber auch mit Biodiversität.

In Ernährung zu investieren – um den Wortlaut des Titels der Debatte aufzunehmen – ist sicher der richtige Weg. Die grünschwarze Landesregierung hat mit der von ihr vorgelegten Er nährungsstrategie eine sehr gute Grundlage gelegt, damit die richtigen und wichtigen Schritte für eine nachhaltige Ernäh rung erfolgen können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich setze noch eins drauf: Die grüne Landtagsfraktion hat sich zuletzt wieder in ihrer Januarklausur richtig klasse zur Ernäh rung positioniert.

(Abg. Nicole Razavi CDU zu den Grünen: Was gab es heute zu essen? – Weitere Zurufe – Heiterkeit)

Was ist die Erkenntnis daraus? Eine gesunde, regionale und nachhaltige Ernährung ist d i e Investition in die Gesund heit der Menschen. Durch ungesunde Ernährung entstehen Übergewicht – ich weiß, wovon ich spreche –

(Heiterkeit)

sowie gesundheitliche Probleme wie Diabetes und Kreislauf erkrankungen, auch Gelenkprobleme – ich habe vor 14 Tagen ein neues Knie bekommen –,

(Heiterkeit)

ja sogar Krebs.

In Baden-Württemberg sind fast 25 % aller Erwachsenen und etwa 6 % der Kinder und Jugendlichen stark übergewichtig. Eine gesunde, regionale, nachhaltige Ernährung ist d i e In vestition in die langfristige Sicherung unseres Gesundheits systems.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Danke schön. – Über zwei Drittel der gesamten Todesfälle in Deutschland sind zumindest teilweise ernährungsbedingt, sagt die DGE. Der volkswirtschaftliche Schaden durch ernäh rungsbedingte Erkrankungen beläuft sich auf ca. 70 Milliar den € pro Jahr, inklusive Frührente und Arbeitsausfall – das sagt die AOK. Allein Diabetes mit ca. 300 000 Neuerkrankun gen pro Jahr kostet 35 Milliarden €, Tendenz steigend. An Di abetes Typ 2 sind inklusive Dunkelziffer ca. 9 % der Men schen in Baden-Württemberg erkrankt. Das darf so nicht wei tergehen. Da müssen wir investieren, meine lieben Kollegin nen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Die Investition in Ernährungsbildung ist wahrscheinlich die erfolgversprechendste, um dies zu vermeiden. Eine vorbildli che Ernährung in Kitas, Kindergärten und Schulen sowie In formation und Ernährungsbildung sind aktive Präventionen. Deshalb unterstützen wir die Umsetzung der Ernährungsstra tegie für Baden-Württemberg der Landesregierung, insbeson dere in diesem Bereich. Mit dem Programm „Fit im Alltag“ in Kitas und Schulen, dem Schulfruchtprogramm, den BeKiBeratungen – um nur einige zu nennen – sowie der Aufnah me des Themas Ernährung in den Bildungsplan der allgemein bildenden Schulen sind wir, denke ich, auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Was wir aber aus grüner Sicht unbedingt noch brauchen, ist mehr Transparenz bei Kennzeichnung und Inhaltsstoffen. Ver braucherinnen und Verbraucher sollen sich entscheiden kön nen, inwieweit sie durch die Wahl ihrer Ernährung einen – mit Sicherheit guten – Beitrag für Klima- und Landschaftsschutz, für Tierschutz und natürlich auch für die eigene Gesundheit leisten können.

Die Reduktionsstrategie der Bundesregierung für Zucker, Fet te und Salz in Fertigprodukten ist ein erster, wenn auch klei ner Schritt in die richtige Richtung. Wir finden, ein Teil die ser Strategie sollte die Kennzeichnung der Fett-, Zucker- und Salzgehalte in Form einer Nährwertampel sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Jonas Weber SPD)

Die Vorteile einer Nährwertampel als Instrument zur Präven tion von Übergewicht sind durch zahlreiche Studien belegt. Und, ganz wichtig: Wir brauchen – Herr Rapp hat es schon angesprochen – eine transparente, bundeseinheitliche, ver pflichtende Kennzeichnung der Tierhaltungsformen bei Fleisch und Wurstwaren.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Kennzeichnung sollte analog zur erfolgreichen Eierkenn zeichnung wesentliche Aspekte der Haltungsform transparent darstellen. Die Bundesregierung, allen voran die Bundesland wirtschaftsministerin, möchte keine verpflichtende Kennzeich nung. Da gehen wir nicht mit. Verpflichtend ist für uns ganz wichtig. Wir werden hier nicht lockerlassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Gesunde, regionale und nachhaltige Ernährung ist eine Inves tition in den ländlichen Raum. Neue Kreisläufe vom Erzeu ger über verarbeitende Betriebe, über den Handel zu den Ver braucherinnen und Verbrauchern können entstehen. Damit stützen wir ländliche Strukturen, die bäuerliche Landwirt schaft, und wir sichern Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Kurze Wege vom Anbau zum Teller, regionale Lebensmittel mit authentischem Geschmack, das sind Erfolgsrezepte auch in einer zunehmend globalisierten Esskultur, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Eine gesunde, regionale und nachhaltige Ernährung ist d i e Zukunftsinvestition in Umweltschutz und Klimaschutz, Land schaftsschutz und Biodiversität. Regionale Produkte leisten einen wichtigen Beitrag zum Erhalt unserer wertvollen Kul turlandschaften. Gleichzeitig ist der ökologische Landbau die Form der Landbewirtschaftung, die die Biodiversität am stärks ten fördert und Boden und Klima schont.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Winfried Mack CDU)

Genau aus diesem Grund investieren wir in die ökologischen Landbewirtschaftungen, und das mit Erfolg. In den letzten acht Jahren hat sich der Anteil der ökologisch bewirtschafte ten Fläche von 8 auf 12 % erhöht. Der Anteil der Ökobetrie be liegt in der Zwischenzeit bei über 10 %. Ja, wir wollen den Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche sukzessive er höhen. Bis zum Jahr 2030 wollen wir, dass mindestens 30 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch bewirt schaftet werden. Das ist unser Ziel, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Gernot Gruber SPD)

Um dies zu erreichen, sollten wir, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, mit gutem Beispiel vorangehen. Wir sollten insbe sondere die vom Land betriebenen Kantinen und Mensen auf ökologisch und regional erzeugte Lebensmittel umstellen. Auch hier streben wir mindestens 30 % ökologische Produk te bis 2030 an. Wir waren vor Kurzem in Kopenhagen. Dort sind die bei 90 %. Ich glaube, mit 30 % haben wir ein Ziel, das wir locker erreichen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Mittelfristig halten wir für das Schulessen in Baden-Württem berg die Einhaltung der DGE-Standards für sinnvoll. Eine ak tuelle Studie zeigt, dass mit einem Plus von 4 Cent pro Essen nach DGE-Standard kaum höhere Kosten entstehen. Die Kos ten stiegen von 5,36 € auf 5,40 €. Ich glaube, diese 4 Cent mehr sollte uns gesundes Schulessen wert sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ein spezielles Thema, das vorhin auch schon angesprochen wurde, ist die Lebensmittelverschwendung. Die Eindämmung der Lebensmittelverschwendung ist eine Investition in den Klimaschutz, und diese Investition spart sogar noch Geld.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Der drittgrößte CO2-Produzent der Erde ist die Lebensmittel verschwendung. Etwa 3,2 Gigatonnen CO2 entstehen durch Lebensmittel, die einfach weggeworfen werden.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Das kann nicht mehr so weitergehen. Zudem geht es um die Wertschätzung – das ist vorhin schon gesagt worden – von Lebensmitteln und vor allem auch um die Wertschätzung der Arbeit der Produzenten der Lebensmittel. Das ist ein ganz wichtiges Ziel.