Wie gesagt, hier gibt es einen Entwurf seitens der Bundesre gierung, und seitens der Landesregierung bringen wir uns in die Beratungen dieses Gesetzentwurfs intensiv ein. Wir sind im Übrigen in der Landesregierung auch übereinstimmend der Auffassung, dass wir eine solche Regelung brauchen.
Guten Tag, Herr Minister! Ich ha be auch eine Frage, und zwar zu der Zahl. Wie viele Menschen betrifft das überhaupt? Wie viele Menschen sind in BadenWürttemberg aktuell ausreisepflichtig, und auf wie viele Per sonen trifft diese Beschäftigungsduldung zu – seit mindestens 18 Monaten hier, 35-Stunden-Woche in sozialversicherungs pflichtiger Anstellung, und sie müssen über einen Pass verfü gen? Das sind ja schon viele Kriterien.
Auf wie viele Personen unter diesen Ausreisepflichtigen trifft dies überhaupt zu? Wie viele von diesen Ausreisepflichtigen werden jetzt aktuell abgeschoben?
Herr Abgeordneter, ich beantworte diese Frage aus dem Kopf; insofern bitte ich jetzt, nicht sozusagen noch nach dem letzten Dutzend zu schauen. Wir können Ihnen das selbstverständlich ganz exakt schriftlich nachliefern.
Wir haben in Baden-Württemberg ungefähr 60 000 Personen, die einen Schutzstatus haben und bei denen im Grunde ge nommen überhaupt nichts dagegen spricht, dass sie sofort ei ne sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen.
Umgekehrt gesagt: Da diese 60 000 Personen über einen ge wissen Zeitraum – einige Jahre; ehrlicherweise muss man sa gen: manche dauerhaft – bei uns sein werden, haben wir un ter Integrationsgesichtspunkten ein hohes Interesse daran, dass sie in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsver hältnis kommen.
Wieder anders formuliert: Hier ist in den nächsten Jahren ei ne große Integrationsaufgabe zu vollbringen, die wir nur ge meinsam – die Unternehmen, die Landesregierung, die Ge sellschaft als solche – lösen können und auch lösen müssen. Dieser Personenkreis umfasst, wie gesagt, etwa 60 000 Per sonen.
Der Personenkreis, über den wir gerade gesprochen haben, liegt in einer Größenordnung von 16 000 Personen. Das sind Personen, die ausreisepflichtig sind, für die aber eine der an gesprochenen Regelungen potenziell in Betracht kommt.
Damit wird deutlich: Die Anzahl derer, die einen Schutzsta tus haben, die potenziell für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – oder umgekehrt gesagt: die wir über Arbeit integrie ren können –, ist viel, viel größer als die Anzahl der Ausrei sepflichtigen, die möglicherweise aber trotzdem an einem Ar beitsverhältnis interessiert sind bzw. an denen die Wirtschaft ein Interesse reklamiert.
Herr Innenminister, Sie haben meine erste Frage sehr ausführlich und umfassend beantwor tet. Ich habe allerdings keine Aussage dazu gehört, warum Sie diesen Erlass erst nach Beginn des Ausbildungsjahrs getrof fen haben. Sie haben auf den Koalitionsvertrag des Bundes Bezug genommen; der war ja – auch wenn er lange gebraucht hat – im Juli, August längst unterschrieben. Hessen und Bay ern waren da deutlich schneller.
Dann haben Sie in Ihrer Antwort – obwohl wir gar nicht da nach gefragt hatten – noch einmal das Stichwort Spurwech sel angesprochen. Auch das ist ein wichtiges Thema. Ihr Kol lege aus Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, der heute, wie ich meine, die Innenministerkonferenz in Magdeburg eröff net – Sie werden wahrscheinlich noch dorthin reisen –, hat ak tuell gesagt – ich zitiere –:
„Ich halte es für nötig, im Fachkräftezuwanderungsge setz einen Weichenwechsel zu vereinbaren. Menschen, die seit fünf oder sechs Jahren integriert sind und deren Kin der hier in die Schule gehen, sollten die Erlaubnis bekom men, in Deutschland zu bleiben“, sagte er der „Süddeut schen Zeitung“. Um keine falschen Anreize zu setzen, sol le hierbei eine Stichtagsregelung gelten.
Was halten Sie davon, wenn man statt „Spurwechsel“ zukünf tig „Weichenwechsel“ sagt und dann auch eine Stichtagsre gelung, wie es Kollege Katzenstein vorgeschlagen hat, ein führt? Wo bleiben dann die Pull-Effekte?
Herr Abg. Hinderer, diese Wortklauberei führt uns, glaube ich, auch angesichts der Ernsthaftigkeit des Pro blems jetzt nicht so richtig weiter.
Bei dem, was Sie in der Sache vom Kollegen Stahlknecht zi tiert haben, stimmen wir hundertprozentig überein. Das ist auch die Position der Landesregierung, und das ist auch mei ne persönliche Überzeugung. Punkt.
(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist nicht kindisch! – Abg. Rainer Hinderer SPD: Das ist die entscheiden de Frage!)
Der Kollege Stahlknecht nennt es Weichenlösung, und wenn Sie dazu gern Spurwechsel sagen, dann sagen Sie Spurwech sel. Ich glaube, dass wir, da es um einen bestimmten abge schlossenen Personenkreis geht – das ist für mich bedeutungs voll –, von einer Überleitungsregelung für diejenigen, die da sind und die in Beschäftigung sind, sprechen. Wenn wir uns materiell in der Koalition im Bund und mit dem Land BadenWürttemberg verständigen können, ist das doch gut. Dann, finde ich, muss man doch keine solche Wortklauberei betrei ben. Damit ist letztlich niemandem geholfen.
Herr Minister, bevor ich zu meiner Frage komme: Sie haben mich vorhin mit der Aussage etwas verwirrt, dass Gewalt gegen Frauen und Poli zeibeamte ein Abschiebungsgrund wäre. Ich glaube, Sie ha ben gemeint – das können Sie ja richtigstellen –: Gewalttaten werden allgemein nicht akzeptiert, und dann muss jemand ausreisen. Das kam, glaube ich, nicht bloß bei mir falsch an.
Das kam so an, als ob praktisch nur die zwei Tatbestände „Po lizeibeamte“ und „Frauen“ für eine Abschiebung ausreichend wären. – Das ist das Erste.
Der zweite Punkt: Herr Minister, wir fordern von der Wirt schaft immer, dass sie viele Probleme löst. Der Eindruck, dass man die Falschen abschiebt, ist einfach da. Jetzt können Sie das Übergangsregelung nennen oder Weichenwechsel oder sonst wie, vollkommen egal, aber wir brauchen für die, die da sind, die in Arbeit sind, wie das Beispiel aus dem Wahlkreis von Herrn Katzenstein oder Beispiele von anderen zeigen, ei ne Lösung.
Wenn wir zur Wirtschaft sagen: „Kümmert euch darum, nehmt die auf“, dann können wir das nicht mit einer weiteren Dul dung und noch einer Duldung – das haben Sie ja gesagt – un endlich verlängern. Den Anspruch müssen wir als Politiker haben, dass wir sagen: Da findet ein Weichenwechsel, ein Spurwechsel, eine Überleitung statt.
Dann ist jetzt die Frage, Herr Minister: Wenn Sie sagen, Sie wollen keine Pull-Faktoren haben, dann können Sie diese ja mit einer Stichtagsregelung ausschließen und sagen: Die, die bis heute da sind und in diesem System sind, die hatten ja nicht die Wahl, über ein Fachkräftezuwanderungsgesetz zu kommen. Das kann ich denen ja nicht vorwerfen und den Be trieben auch nicht. Also wäre noch eine klare Positionierung notwendig.
Ich glaube, die Wirtschaft wartet auf diese Positionierung. Denn bisher habe ich immer nur wahrgenommen – und ich glaube, viele in der Wirtschaft auch –, dass man sich gerade vonseiten der CDU gegen einen Spurwechsel, einen Weichen wechsel, eine Überleitungsregelung stellt. Wenn das als Sig nal da wäre – ob das jetzt von Ihnen oder von Herrn Stahl knecht kommt, ist vollkommen egal –, wäre das wichtig. Dann könnte man immer noch sagen: Dann ist der Stichtag, und dann ist das Thema erledigt. Es gibt immer noch genug Dis kussionsstoff. Aber dazu hätte ich gern noch eine klare Aus sage von Ihnen.
Wir werden es – ich kann es nur wiederholen – materiell genau so machen. So ist auch der Entwurf, den die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat. Er beinhaltet genau dies. In dieser Richtung hat sich die Landesregierung in BadenWürttemberg eingebracht. Das sagen wir im Übrigen nicht erst seit heute, sondern das ist Konsens in der Landesregie rung – ich will einmal sagen – seit vielen Monaten. Das ha
ben wir im Übrigen gegenüber der Wirtschaft auch immer so artikuliert. Für das, was andere gesagt haben, habe ich nicht zu stehen, aber wir haben das gegenüber der Wirtschaft im mer so zum Ausdruck gebracht.
Und der zweite Teil: Rufen Sie mir gerade das Stichwort noch einmal zu – Entschuldigung –, Herr Abg. Professor Schwei ckert.
Natürlich gelten die Ausweisungsgründe im Bereich der Straf taten sowieso. Das ist ja auch immer von einem gewissen Strafmaß abhängig. Ich finde, dass wir besonders streng sein sollten bei Straftaten, die im Bereich der sexuellen Selbstbe stimmung stattfinden, und bei Straftaten, die im Bereich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte stattfinden.
Es muss sich einfach herumsprechen, dass das bei uns gar nicht geht, vor allem dann nicht, wenn man ausreisepflichtig ist und aus bestimmten Gründen hier eine Duldung erhält. Dieses Signal zu senden halte ich für sehr, sehr wichtig.
Sie haben noch zu einem dritten Teil nachgefragt. Sie haben recht: Im Augenblick werden diese Duldungen für einen Zeit raum von zwei, drei Monaten erteilt. Das ist natürlich schon eine gewisse Zumutung.
Deswegen, glaube ich, ist es richtig, dass wir einen längeren Zeitraum vorsehen und statt eines Monats ein Jahr zugrunde legen und die Duldung dann im Grunde für einen Zeitraum von zwei Jahren oder meinetwegen auch von drei Jahren gilt – das halte ich jedenfalls über eine gewisse Phase für zumut bar – und wir, sagen wir einmal, nach zwei Jahren noch ein mal einen kontrollierenden Blick darauf werfen und prüfen: Haben wir neue Erkenntnisse, ist mit der Identität der Person alles in Ordnung usw.? Das ist, glaube ich, nach einem Zeit raum von zwei Jahren auch ganz in Ordnung. Was jedenfalls den Umstand betrifft, dass das bislang alle zwei, drei Mona te gemacht werden muss, bin ich mit Ihnen völlig einig. Den angedachten Zeitraum von ungefähr zwei Jahren halte ich für angemessen und richtig.
Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt zwar weitere Fragen, aber der Zeitrahmen ist er schöpft. Daher sind wir mit diesem Thema jetzt durch. – Vie len Dank.
Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen, geehrte Kollegen! Die Gefangenenpopu lation verändert sich durch höhere Gewaltneigung, psychische Auffälligkeiten, verstärkte Suchtproblematiken sowie Sprach- und Verständigungsbarrieren. Im Übrigen sind die Justizvoll zugsanstalten zum Teil überbelegt. Hieraus ergibt sich ein
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung, sehr geehrter Herr Minister Wolf: Welche Maßnahmen müssen zur Verbesserung der Unterbringung und zur intensiveren Reso zialisierung der Gefangenen getroffen werden? Wie können Justizvollzugsanstalten in die Lage versetzt werden, alltägli che Erkrankungen und Verletzungen möglichst ohne Ausfüh rung von Gefangenen zu diagnostizieren und zu behandeln? Inwieweit soll der Einsatz moderner Informations- und Kom munikationstechnik dazu beitragen, die Behandlung von und die Kommunikation mit Gefangenen zu erleichtern? Welche Maßnahmen sind notwendig, um die Berufe im Justizvollzug für Bewerber und die Arbeitsbedingungen für Bestandsperso nal attraktiver zu gestalten?
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege von Eyb, in der Tat: Die Situation in unseren Haftanstalten ist dieser Ta ge in aller Munde. Die Landesregierung hat sich in dieser Wo che auch mit dieser dramatischen Situation befasst und Ab hilfemaßnahmen auf den Weg gebracht.
Tatsache ist: Wir haben heute gegenüber dem Durchschnitt des Jahres 2015 ein Plus von 12,5 % bei der Gesamtbelegung unserer Haftanstalten. In Zahlen sind das rund 820 Gefange ne. Ein signifikanter Rückgang ist derzeit nicht absehbar.