Protocol of the Session on November 28, 2018

(Zuruf des Abg. Rainer Hinderer SPD)

Zudem werden die Möglichkeiten der Erteilung von Ermes sensduldungen zugunsten von Ausländern, die an einer Ein stiegsqualifizierung bei einem zugelassenen Ausbildungsbe trieb teilnehmen, ausgeweitet. Das ist ein Punkt, der der ba den-württembergischen Wirtschaft sehr am Herzen gelegen ist. Deswegen habe ich diese Ausweitung im Bereich der Ein stiegsqualifizierung entsprechend veranlasst.

Künftig kann ein Ausländer eine Ermessensduldung für die gesamte Dauer einer betrieblich geförderten Einstiegsqualifi zierung erhalten, wenn bereits sicher feststeht, dass der Aus länder im Anschluss eine qualifizierte Ausbildung absolviert.

Die Einstiegsqualifizierung hat sich zur Ausbildungsvorberei tung von Geflüchteten sehr bewährt; sie ist ein wichtiges In strument zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Einstieg in eine Berufsausbildung. Mit der Ermessensduldung sorgen wir dafür, dass Geflüchtete, die sich in einer Einstiegsqualifi zierung auf eine Ausbildung vorbereiten, vor einer Abschie bung geschützt werden.

Die Beschäftigung geflüchteter Menschen kann lediglich im Rahmen des geltenden Rechts erfolgen. Dabei gilt der Grund satz, dass allein eine Beschäftigung den geduldeten Personen noch kein Bleiberecht vermittelt. Das ist die Rechtslage.

Erweiterte Möglichkeiten im Sinne eines „Spurwechsels“ se he ich daher kritisch. Zum einen würden hierdurch Anreize für weitere illegale Einwanderungen geschaffen, und Rück führungsmaßnahmen würden konterkariert. Zum anderen bin ich auch fest davon überzeugt, dass wir die Bereitschaft un serer Bevölkerung, wirklich Schutzbedürftigen Schutz zu ge währen, dauerhaft nur erhalten können, wenn wir diejenigen, die keinen Schutz beanspruchen und beanspruchen können, auch konsequent zurückführen.

Gleichwohl bin ich der Auffassung, dass man der Sondersitu ation insbesondere des Jahres 2015 mit außergewöhnlich ho hen Flüchtlingszugängen mit einer längerfristigen Duldungs möglichkeit Rechnung tragen könnte. Ich habe das einmal ei ne Überleitungsregelung genannt.

Im Eckpunktepapier des Bundes war bereits ein verlässlicher Status für abgelehnte Asylbewerber angedacht, die im Er werbsleben stehen. Nun ist im Referentenentwurf eine Be schäftigungsduldung vorgesehen. Ich halte für den oben ge nannten Personenkreis und im Interesse unserer Wirtschaft ei ne längerfristige Duldungsmöglichkeit für hilfreich, die nicht wie bislang nach wenigen Monaten immer wieder verlängert werden muss. Mit dieser Duldung würde gleichsam ein Pen dant zu der sogenannten 3+2-Regelung geschaffen, die ledig lich qualifizierte Ausbildungen erfasst.

Nach dem Referentenentwurf ist die Duldung in der Regel für zwei Jahre zu erteilen, wenn u. a. der Lebensunterhalt gesi chert ist, ausreichende deutsche Sprachkenntnisse vorliegen, der Ausländer seit mindestens zwölf Monaten geduldet ist und seit mindestens 18 Monaten mit einer regelmäßigen Arbeits zeit von mindestens 35 Stunden pro Woche sozialversiche rungspflichtig beschäftigt ist.

Dieser Entwurf ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt ge rade auch für die baden-württembergische Wirtschaft. Des wegen unterstützen wir seitens der Landesregierung diesen Weg nachdrücklich, und auch ich persönlich unterstütze das aus ganzer Überzeugung.

Wichtig ist mir freilich dabei auch, dass es keinen direkten Spurwechsel geben wird. Zudem ist ausdrückliche Vorausset zung, dass die Identität der Person geklärt sein muss. Ich be grüße nachdrücklich, dass das von Bundesseite auch so vor gesehen ist.

Eine solche Duldung würde daher den Bereich des Erwerbs lebens abdecken. Damit würde eine bessere Planbarkeit für die Unternehmen sowie die Beschäftigten erzielt. Zudem wür de das Risiko reduziert, dass sich Integrationsbemühungen der Unternehmen als vergeblich erweisen.

Klar ist für mich aber auch: Diese fortgesetzte Möglichkeit der Duldung muss aufgrund ihres Ausnahmecharakters zwin gend entfallen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gege ben sind. Für mich sind die Voraussetzungen auch in diesem Bereich beispielsweise dann nicht mehr gegeben, wenn die betreffende Person Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestim mung oder auch Straftaten im Zusammenhang mit dem Wi derstand gegen Vollstreckungsbeamte begeht. Ich finde, es muss für alle klar sein: Polizisten und Frauen sind tabu, und die Beschäftigungsduldung erlischt sofort, wenn solche Straf taten begangen werden.

Ich bin der Überzeugung, eine Art Beschäftigungsduldung kann ein tragfähiger Baustein zu einer verbesserten Deckung des Arbeitskräftebedarfs der Wirtschaft in unserem Land wer den.

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Dr. Weirauch.

Herr Minister, für uns stellt sich eine weiter gehende Frage. Abgesehen davon, dass Sie hier die Gelegenheit nutzen, die Bundesregierung für ihre In itiative zu loben, was die Fachkräftezuwanderung betrifft, fra gen wir uns: Was hat denn die Landesregierung gemacht, um den Unternehmen im Land zu helfen?

Sie wissen selbst: Die Unternehmerinitiative ist bei Ihnen mehrfach vorstellig geworden. Über 2 300 Geflüchtete arbei ten in Unternehmen dieser Initiative. Die in der Initiative ver einten Unternehmen haben eine Bilanzsumme von insgesamt 50 Milliarden €. Es handelt sich dabei also um eine gewich tige unternehmerische Stimme im Land. Aber Sie haben die ser Unternehmerinitiative nicht geholfen.

Ich frage mich: Was haben Sie denn gemacht? Sie sprechen gerade von Helferausbildung und von der 3+2-Regelung. Aber was ist denn mit der normalen Beschäftigung in diesen Un ternehmen? Was haben Sie denn außer dem Verweis auf das Bundesgesetz diesen Unternehmen in der Vergangenheit und ausdrücklich auch jetzt anzubieten?

Ich weiß nicht, wo Sie gerade waren, Herr Ab geordneter.

(Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Hier!)

Denn genau diese Frage habe ich beantwortet.

(Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Nein! Sonst hätte ich ja nicht gefragt!)

Ich kann Ihnen die Antwort noch einmal geben.

Dieser Unternehmerinitiative war beispielsweise die Auswei tung der 3+2-Regelung auf Helferberufe ein extrem wichti ges Anliegen gewesen. Wir unterstützen die Bundesregierung bei einer entsprechenden Gesetzesänderung und, wie ich Ih nen eben vorgetragen habe, praktizieren es in Baden-Würt temberg im Vorgriff auf das kommende Recht über eine Er messensduldung bereits heute. Das ist genau das, was dieser Unternehmerinitiative am Herzen lag.

Zum Zweiten – auch das habe ich Ihnen vorgetragen –: Wir begleiten den Bund liebevoll dabei, dass es für den Personen

kreis derer, die ausreisepflichtig sind – insbesondere mit Blick auf die vielen, die im Jahr 2015 gekommen sind –, auch in der Zukunft eine Beschäftigungsduldung gibt und ausdrücklich eine bundesgesetzliche Regelung hierzu erarbeitet wird.

Damit ist eigentlich Ihre Frage vollumfänglich beantwortet.

Mir ist die Interessenlage der baden-württembergischen Wirt schaft, insbesondere der Unternehmen, die Sie angesprochen haben, sehr klar. Deswegen setzen wir unter Beachtung wei terer Aspekte – Sicherheitsaspekte, Vermeidung von Pull-Ef fekten und anderes mehr – Stück für Stück die Dinge um, und zwar im Land, aber auch mit Blick auf das Bundesrecht. Es geht hier überwiegend um Bundesrecht; insofern muss der Bundesgesetzgeber die entsprechenden Regelungen verab schieden. Hier bringen wir uns sehr aktiv ein.

Ich bin sicher, wir werden am Ende des Tages Regelungen ha ben, die in einer klugen Abwägung zwischen den Interessen der Wirtschaft, insbesondere der baden-württembergischen Wirtschaft, und anderen Aspekten – Aspekte der inneren Si cherheit, Aspekte, die vermeiden, dass wir für Personen, die keinen Schutzstatus haben, Anreize schaffen, zu uns zu kom men – ausgewogene und gute Lösungen finden werden.

(Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Ich glaube, wir soll ten gemeinsam der Bundesregierung danken, dass sie die Initiative ergriffen hat!)

Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Katzenstein.

Sehr geehrter Herr Mi nister, ich habe einen Widerspruch und eine Frage.

Ich fange kurz mit dem Widerspruch an. Auch ich habe mich mit der Unternehmerinitiative intensiv auseinandergesetzt. Die Hauptintention ist es, dass Beschäftigte, die bereits in Arbeit sind, nicht abgeschoben werden, also Beschäftigte, die nicht straffällig geworden sind – da sind wir uns alle einig –, die wirtschaftlich selbstständig sind und in die Sozialkassen ein zahlen.

Die 3+2-Regelung bezieht sich auf Auszubildende. Wie ge sagt – noch einmal –: Das Hauptproblem der Unternehmerin itiative und auch bei mir und sicherlich bei vielen Kollegin nen und Kollegen in den Wahlkreisen ist, dass derzeit Leute aus dem Job abgeschoben werden. Wir haben im Land einen massiven Fachkräftemangel. Ich erlebe bei mir vor Ort, dass Leute abgeschoben werden und die Firmen, die Unternehmen, der Mittelstand, auch die kleinen Unternehmen dann einfach mit ihren Problemen zu mir kommen.

Daher jetzt auch meine Frage: Was haben Sie gegen den Spur wechsel mit einer Stichtagslösung? Vielleicht können Sie mir das noch einmal erläutern. Sie haben ja vorhin gesagt, wenn ich das richtig verstanden habe – ich kam wegen eines ande ren Termins etwas zu spät –, dass es keinen Spurwechsel ge ben soll. Mit einer Stichtagsregelung vermeiden wir aber den Pull-Effekt, dass wir Leute anziehen. Vielmehr sagen wir: Das gilt nur für diejenigen, die bis zu dem Datum XY da sind. Was haben Sie dagegen?

(Abg. Rainer Hinderer SPD: Guter Mann!)

Wir müssen einfach die Sachverhalte ein biss chen auseinanderhalten und dürfen nicht alles in einen Topf werfen.

Das eine ist die 3+2-Regelung. Da gibt es schon ein Interes se in Baden-Württemberg, insbesondere im Bereich der Al ten- und Krankenpflege, diese Regelung auch auf die soge nannten Helferberufe auszudehnen. Falls Ihnen das nicht be kannt ist, empfehle ich einfach einmal den Besuch in einem Altenheim Ihrer Wahl.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Doch, ist mir bekannt! – Zuruf der Abg. Petra Krebs GRÜNE)

Das ist so. Dann, finde ich, sollten wir es auch so darstellen, dass es diesen Bedarf gibt. Dass diese Ausweitung auch für Helferberufe gelten soll, ist im Übrigen ein Punkt, der Teilen dieser Unternehmerinitiative wichtig ist.

Dazu habe ich Ihnen ausgeführt – das ist der eine Teil –, dass wir uns bundesgesetzlich schon in den Koalitionsverhandlun gen sehr eingebracht haben. Ich habe im Übrigen gar kein Pro blem – – Ich weiß nicht, Herr Abg. Weirauch, was für ein Pro blem Sie damit haben, die Bundesregierung zu loben. Ich ha be damit kein Problem, wenn sie das Ganze in unserem Sinn löst.

(Zuruf des Abg. Dr. Boris Weirauch SPD)

Dass wir hier eine Lösung bundesgesetzlich mit auf den Weg bringen, finde ich absolut richtig.

Ich habe zweitens erläutert, dass wir im Vorgriff auf diese bun desrechtliche Lösung nunmehr in Baden-Württemberg eine Ermessensduldung in diesem Bereich erteilen. Das ist der ei ne Sachverhalt.

Der zweite Sachverhalt ist der, dass es Personen gibt, die im Jahr 2015 zu uns gekommen sind, die hier keinen Schutzsta tus haben und die ausreisepflichtig sind. Sie sind aber gleich wohl integriert. Sie sind in einer Beschäftigung. Sie gehen seit einer wirklich beachtlichen Zeit einer sozialversicherungs pflichtigen Beschäftigung nach. Hierzu habe ich Ihnen ausge führt, dass wir uns sehr einbringen, damit der Bundesgesetz geber eine entsprechende Regelung schafft. Es liegt nunmehr ein Entwurf der Bundesregierung in diesem Bereich vor. Auch hier haben wir uns – auch ich ganz persönlich – intensiv ein gebracht, damit wir eine solche Regelung bekommen.

Ich persönlich glaube nicht, dass die Regelung heißen muss, dass wir einen Spurwechsel vornehmen.

(Abg. Anton Baron AfD: Bloß nicht!)

Bei einem Spurwechsel besteht die Gefahr, dass wir einen PullEffekt bekommen nach dem Motto, dass die Schlepperorgani sationen den Menschen sagen: „Hauptsache nach Deutschland“, und sie werden sich dann schon in die richtige Spur einsortie ren – als Schutzbedürftiger und, wenn das nicht klappt, in ir gendeinem Arbeitsverhältnis; und wenn das auch nicht klappt, gibt es noch eine dritte Spur.

Deswegen plädiere ich dafür, dass wir eine Überleitungsrege lung finden, insbesondere für die, die im Jahr 2015 gekom

men sind und die seit längerer Zeit einer sozialversicherungs pflichtigen Beschäftigung nachgehen.

Wie gesagt, hier gibt es einen Entwurf seitens der Bundesre gierung, und seitens der Landesregierung bringen wir uns in die Beratungen dieses Gesetzentwurfs intensiv ein. Wir sind im Übrigen in der Landesregierung auch übereinstimmend der Auffassung, dass wir eine solche Regelung brauchen.