Protocol of the Session on November 7, 2018

Für die Landesregierung er teile ich Frau Ministerin Dr. Hoffmeister-Kraut das Wort.

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir de battieren heute über „Zukunftstechnologie Künstliche Intelli genz – Chancen und Perspektiven für den Wirtschaftsstand ort Baden-Württemberg“. Ich möchte an dieser Stelle voraus schicken, dass wir diese Entwicklungen natürlich auch eng mit einer ethischen Diskussion begleiten müssen. Das eine schließt das andere nicht aus – nein, es bedingt sich sogar. Das geschieht auch.

Fakt ist, dass künstliche Intelligenz in den kommenden Jah ren der wesentliche Wachstumstreiber sein wird: für die Wirt schaft insgesamt, aber insbesondere auch für uns in BadenWürttemberg mit den Strukturen, die wir hier vorliegen ha ben. Durch komplett neue KI-Produkte und KI-Dienstleistun gen, durch die Aufwertung bestehender Produkte und Dienst leistungen durch künstliche Intelligenz und durch mögliche Steigerungen in der Produktivität soll künstliche Intelligenz bis zum Jahr 2030 rund 12,8 Billionen € zur Wirtschaftsleis tung beitragen. Daran müssen wir stark partizipieren.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Diese gigantische Summe entspricht einem Anstieg des glo balen Bruttoinlandsprodukts um 14 %. Noch höhere jährliche Wachstumsraten von 40 % und mehr werden für die ganz neu en KI-Produkte und KI-Dienste prognostiziert.

Deshalb begrüße ich es sehr und bin der CDU-Fraktion dank bar, dass sie nach der gestrigen Beratung im Ministerrat heu te diese aktuelle Zukunftsdebatte beantragt hat. Für uns, für Baden-Württemberg stellt sich die entscheidende Frage: Wie gelingt es uns, dass gerade Unternehmen aus Baden-Württem berg, aus Deutschland an diesem Markt partizipieren? Der in ternationale Wettbewerb ist hart, und wir stehen mittendrin.

2017 entfielen 48 % der weltweiten Finanzierungen in KI-Un ternehmen, bezogen auf die Start-up-Szene, auf China, 38 % auf die USA und nur 14 % auf den Rest der Welt. Allein die se Zahlen machen deutlich, dass die Kommerzialisierung und die Anwendung von künstlicher Intelligenz insbesondere in China und in den USA ganz entschlossen vorangetrieben wer den.

Worin liegen nun die besonderen Chancen für uns, für BadenWürttemberg? Wir haben beste Voraussetzungen, wenn wir unsere Stärken stärken und darauf aufbauen. Kampf um die Endkonsumenten: Dieses Spiel haben wir, glaube ich, verlo ren. Google, Amazon und Apple sind hier weit voraus.

Aber unsere große Chance liegt jetzt im Geschäft zwischen den Unternehmen im B2B-Bereich. Die starken Anwender branchen in unserem Land bieten hier ideale Ansatzpunkte, und darüber verfügen die großen IT-Giganten in den USA nicht. In China stellt sich die Situation anders dar.

Egal, ob in der Automobilbranche, im Maschinenbau, in der Chemie oder bei den Pharmaprodukten und der sonstigen Ge sundheitswirtschaft: Dem Ausbau intelligenter Anwendungen sind keine Grenzen gesetzt. Unser Ziel muss es sein, dass je de Maschine, die bei uns produziert wird, dass jedes Produkt und jede Lösung, die wir in die Welt verkaufen, das Label trägt: „KI – Made in Baden-Württemberg“.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Dafür verfügen wir bei Forschung und Entwicklung über ei ne gute Ausgangssituation. Mit dem Cyber Valley, dem Stutt garter Technologie- und Innovationscampus S-TEC sowie der Technologieregion Karlsruhe, dem KIT und dem de:hub Ar tificial Intelligence, spielen wir derzeit in Deutschland, ja in Europa ganz vorn mit.

Aber wir schaffen es noch nicht, schnell genug und in ausrei chender Menge Produkte auf den Markt zu bringen. So set zen z. B. im produzierenden Gewerbe bisher lediglich 25 % der Großunternehmen und nur 15 % der KMUs KI-Techno logien ein. Hier muss das Zusammenspiel zwischen Forschung, Unternehmen und Investoren noch viel besser werden.

Konkret: Wir müssen insbesondere unseren starken Mittel stand, das Rückgrat der Wirtschaft unseres Landes, unterstüt zen, bestehende Produkte und Dienste intelligent zu machen und vor allem neue KI-Produkte und -Dienstleistungen zu ent wickeln. Am Ende geht es nämlich um die Frage: Wo wird die Wertschöpfung, die durch KI generiert wird, verankert sein? Kurz: Wo wird mit KI Geld verdient? Und das muss eben auch in Baden-Württemberg stattfinden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb hat mein Haus im ersten Halbjahr intensiv an einer „Wirtschaftsstrategie Künstliche Intelligenz“ gearbeitet, die jetzt auch in die Landesstrategie eingeflossen ist. Denn es muss uns jetzt gelingen, den Brückenschlag von der For schung in die kommerzielle Verwertung, in die Anwendung zu verbessern und neben der Spitzenforschung auch massiv in die wirtschaftsnahe Forschung zu investieren. Bereits kurz fristig wird mit Mitteln aus dem Nachtragshaushalt ein wirt schaftsnahes Forschungsprogramm KI aufgelegt – für wich tige Anwendungsfelder wie kognitive Robotik, intelligente Diagnostik und Cybersicherheit.

Zweitens wollen wir ein Mittelstandsprogramm KI ins Leben rufen, um insbesondere für die kleinen und mittleren Unter nehmen in unserem Land den Wissenstransfer voranzutreiben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Beispielsweise denken wir hier daran, KI-Labs einzurichten, um eben auch in die Fläche zu gehen.

Drittens ist es mein Ziel, ergänzend zu den bestehenden Struk turen im Cyber Valley und in der Technologieregion Karlsru he große Innovationsparks KI als physische KI-Wertschöp fungszentren zu errichten. An diesen Leuchttürmen sollen sich nationale und internationale Unternehmen, Start-ups, For schungs- und Transfereinrichtungen ansiedeln. Das ist noch Zukunftsmusik. Dieses Projekt wollen wir jetzt verstärkt an gehen. Wir müssen auch hier aus eigener Kraft Vorreiter sein, brauchen aber natürlich starke Verbündete in Deutschland und dann im nächsten Schritt auch in Europa.

Das Land, wir, Baden-Württemberg – das ist uns allen natür lich klar –, kann dieses wichtige, große und sehr finanzinten sive Zukunftsfeld, diese Basistechnologie, die ganz entschei dend dafür sein wird, wie sich Baden-Württemberg als Wirt schaftsstandort zukünftig aufstellt, nicht allein vorantreiben.

Der Bund hat sich ganz klar zum Ziel gesetzt, eine eigene KIStrategie zu erarbeiten. Das ist jetzt kurz vor der Finalisie rung. Wir gehen davon aus: Ende November wird das auf Bundesebene beschlossen. Spätestens beim Digitalgipfel des Bundes Anfang Dezember in Nürnberg wird diese KI-Strate gie des Bundes verkündet. Diese KI-Strategie denkt in Grö ßenordnungen auf europäischer Ebene. Das ist zwingend not wendig, denn wir messen uns mit den großen Wirtschaftsre gionen der Welt: USA und Asien. Europa muss hier endlich in die Puschen kommen und noch viel schneller voranschrei ten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Klar ist auch: Beim Thema Fachkräftebedarf besteht im Mo ment wirklich ein Engpass. Auch hier haben wir verstärkt den Blick darauf, was wir tun können. Wir machen auch schon ei niges im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Gründer und Gründerinnen zu stärken ist ebenfalls ein Schwerpunkt.

Die Landesregierung wird nun schnell die ersten Maßnahmen in der Weiterentwicklung angehen. Das Wirtschaftsministeri um hat bereits intensiv an der Umsetzung sowohl des Pro gramms „KI für den Mittelstand“ als auch am wirtschaftsna hen Forschungsprogramm für KI gearbeitet. Vorbehaltlich der Zustimmung durch den Haushaltsgesetzgeber, durch Sie, wird mein Ministerium die 10 Millionen € aus dem Nachtragshaus halt für diese beiden Bereiche einsetzen.

Zudem sollen im Nachtragshaushalt die Voraussetzungen für eine Kofinanzierung gemeinsamer Projekte mit dem Bund im Bereich KI und Batterien in Höhe von ca. 100 Millionen € ge schaffen werden. Fakt ist, Herr Weirauch: Dieses Geld ist kein Einstieg in die Förderung von KI im Land. Im Cyber Valley, das Ende 2016 ins Leben gerufen wurde, werden 165 Millio nen € investiert. Über die Digitalisierungsstrategie, beispiels weise die Digitalisierungsprämie, geben wir jetzt schon Mit tel, um KI in Baden-Württemberg voranzubringen.

Damit senden wir ein starkes Signal an den Bund, dass Ba den-Württemberg beim Aufbau einer deutschen und europäi schen KI-Wirtschaft – bei diesem deutsch-französischen Zen trum wollen wir beteiligt sein – eine Schlüsselrolle einneh men will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal da ran erinnern: Wir treiben KI nicht um ihrer selbst willen vor an. Als Wirtschaftsministerin geht es mir darum, dass BadenWürttemberg im weltweiten, globalen Wettbewerb bestehen kann, dass Innovation und Wertschöpfung hier bei uns in Ba den-Württemberg auch in diesem Bereich stattfinden und dass dadurch Wohlstand und vor allem auch Arbeitsplätze auf Dau er bei uns in Baden-Württemberg gesichert werden.

Die gesamte Landesregierung geht diese Herausforderung ent schlossen an und hat dazu mit der Landesstrategie und den Beschlüssen zum Nachtragshaushalt wichtige Schritte unter nommen. Weitere werden folgen. Baden-Württemberg will und wird im globalen Wettbewerb vorn mitspielen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Nun erteile ich Frau Ministe rin Bauer das Wort.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Her ren! Vor Kurzem hat im Heidelberger Universitätsklinikum ein bemerkenswerter Wettbewerb stattgefunden. Da ist in ei nem Wettkampf zwischen Mensch und Maschine die Maschi ne gegen Dermatologen angetreten. Es ging um die Frage: Wer erkennt auf Bildern besser die gefährlichen Melanome beim Hautkrebs? Ergebnis dieses Wettbewerbs war: Die Maschine hat – ähnlich wie auch beim Pokerspiel – gewonnen. Zu 95 % hat die Maschine gefährliche Melanome erkennen können. Die Dermatologen, die dagegen angetreten sind, sind bei – auch guten – 86 % gelandet.

(Abg. Anton Baron AfD: Wo kam die Software her?)

Damit will ich sagen: Das Thema „Intelligente Systeme, Mus tererkennung aus Daten oder Bildern“ ist in vollem Gang. Die Intelligenz von künstlichen Systemen ist sehr weit vorange schritten. Sie kann daraus eben nicht nur in der Verarbeitung von Daten, sondern auch in der Entwicklung von Prognosen in Richtung Zukunft hervorragende Aussagen machen. Sie sind in der Tendenz schneller, sie sind besser und in der Zu kunft höchstwahrscheinlich auch billiger beim Erarbeiten von Prognosen auf der Basis von Daten und Mustern, die sie er kennen können. Deswegen helfen sie uns in vielerlei Hinsicht und in vielen Disziplinen und Bereichen, besser arbeiten zu können und bessere Lösungen zu bekommen.

KI revolutioniert in diesem Sinn geradezu alle Disziplinen und Bereiche unserer Gesellschaft. Deswegen ist es gut und rich tig, dass Baden-Württemberg ressortübergreifend mit der ge samten Landesregierung das Thema „Künstliche Intelligenz“ priorisiert und die Anstrengungen beschleunigt, um noch bes ser aufgestellt zu sein, als wir es heute schon sind.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Deswegen ist unsere eigene KI-Strategie so wichtig, die ja auch ein Signal in Richtung Bund und Europa sein soll, dass wir – Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft – uns gemeinsam diesem Thema stellen, dass wir die Poten ziale erkennen wollen, dieses Thema gestalten wollen und da

raus Chancen für unser Land – aber nicht nur für unser Land, sondern genau genommen geht es um globale Lösungen – er arbeiten wollen.

Baden-Württemberg hat also die besten Voraussetzungen, ein solcher Topstandort zu sein. Wir fangen heute nicht an, son dern wir geben heute noch einmal zusätzlich Feuer, Kraft und Gas in die Entwicklung unserer eigenen Strategie.

Wir haben – viele Stichworte sind ja von Frau Kollegin Hoff meister-Kraut schon erwähnt worden – viele Elemente an den Start gebracht, ganz prominent auch Cyber Valley, das Ende 2016 gestartet wurde. Aber die anderen Beispiele an den an deren Standorten sind nicht weniger wichtig. Wir haben auch schon viele Ressourcen aufgewandt, um hier zu zeigen, dass wir weit über die Landesgrenzen hinaus wirksam sein wollen.

Worauf kommt es bei unserer KI-Strategie jetzt an? Wir ha ben den Anspruch, dass wir in vielerlei Hinsicht exzellent sind. Wir wollen Qualität liefern, und zwar in der gesamten Kette von der Grundlagenforschung über die Anwendungs orientierung bis zur Gründerkultur, zur Entwicklung von neu en Start-ups.

Wir wissen, dass wir für diese Exzellenz eine gewisse Dich te und Nähe brauchen. Deswegen haben wir die Innovations campus-Idee auch realisiert. Die verschiedenen Akteure müs sen einander kennen, müssen voneinander wissen, müssen sich über die Schulter schauen und voneinander lernen; denn in keinem anderen Bereich ist der Sprung von der Grundla genforschung zur Umsetzung in ein neues Produkt so kurz, liegen die Dinge so nah beieinander wie in diesem Bereich.

Es ist eben nicht wie in der Pharmazie, wo man eine lange Kette hat, sondern hier geht es von der neuen Erkenntnis di rekt in eine Anwendung – so denn die Akteure beieinander sind und voneinander wissen. Das wollen wir erreichen: eine enge, dichte und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Wir wollen global attraktiv sein, wir wollen die besten Köp fe weltweit hierher anlocken, sowohl als Spitzenkräfte als auch als Talentepool der Zukunft. Es geht um die jungen Leu te, die herkommen wollen, weil sie hier eine hervorragende Ausbildung zu erwarten haben. Da sind wir außerordentlich erfolgreich unterwegs. Wir haben schon Spitzenberufungen realisieren können. Wir haben mit Herrn Schölkopf, mit Herrn Hein, mit Herrn Dayan – um ein paar Beispiele zu nennen – Spitzenkräfte und Wissenschaftler aus aller Welt hierherge holt, die sich hier treffen und sich gegenseitig weiter verstär ken.

Wenn man diese Menschen fragt: „Warum macht ihr das? Was hat euch überzeugt, hierherzukommen?“, dann bekommt man auch sehr klare Antworten. Michael Black z. B. wurde danach befragt, warum er hierhergekommen ist, zumal er bei Ama zon wunderbare Angebote hatte. Er hat uns gesagt: „Natür lich, ich könnte locker zehnmal mehr verdienen, wenn ich in einem Unternehmen arbeite, auch in Unternehmen, die mich forschen lassen.“ – Es sei ja nicht so, dass man dort nur Auf tragsarbeiten erledigt. – „Ich bin nach Tübingen gekommen, weil hier einzigartige Bedingungen für Spitzenforscher beste hen, frei und unabhängig, neugiergetrieben Forschung zu be treiben und Durchbrüche zu erzielen. Wir wollen an den Sprung innovationen, an den wirklich neuen Erkenntnissen arbeiten

können, und weil diese Bedingungen hier gegeben sind, bin ich gekommen.“

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Wenn darüber hinaus die Verdienstmöglichkeiten gut sind und die Flexibilität groß ist, sowohl in der Forschung als auch in der Anwendung in Unternehmen zu arbeiten, dann wird es umso besser.

An diesem Innovationsumfeld – oder neudeutsch Ökosystem – arbeiten wir. Das ist der beste Platz – hier in unserem Land –, KI zu realisieren und zu beforschen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)