Wir brauchen hierfür einen optimalen Transfer – das wurde schon erwähnt – von Forschung und Entwicklung in die Wirt schaft, aber auch in die Gesellschaft insgesamt. Wir müssen die Beschäftigten und die Unternehmen wie auch die Verbrau cher an dieser Entwicklung beteiligen. Wir brauchen darauf aufbauend Leuchtturmprojekte im ganzen Land, in denen er sichtlich wird, was KI schon heute möglich machen kann. Wir müssen in den Schulen eine offene Atmosphäre gestalten, in der junge Menschen früh an die Möglichkeiten digitaler An wendungen herangeführt werden und lernen, verantwortungs voll damit umzugehen.
Zur richtigen Grundhaltung gehört auch, dass wir die Heraus forderungen annehmen und uns vom Fortschritt nicht ängsti gen lassen, aber auch ehrlich bei der Frage sind, welche Risi ken mit der künstlichen Intelligenz verbunden werden. Wir sollten realisieren, dass es nicht nur Potenziale gibt, die ge nutzt werden können, sondern es gegebenenfalls auch Verlie rer geben kann, dass auf der einen Seite hohe Produktivitäts gewinne erzielt werden, auf der anderen Seite aber auch Tä tigkeiten wegfallen können. Darauf gilt es rechtzeitig, also spätestens jetzt, zu reagieren und passgenaue Weiterbildungs möglichkeiten für die Veränderungsprozesse zu entwickeln.
Hier blockiert leider mal wieder die grün-schwarze Landes regierung unsere Vorschläge, etwa zum Weiterbildungsfonds.
Die Veränderung der Arbeitswelt und die Unterstützung der Beschäftigten bei der Bewältigung der technischen Transfor mation liegen bei der Landesregierung leider immer noch im toten Winkel.
Es muss uns allen klar sein – das wurde vereinzelt schon an gesprochen –, dass bei allem Fortschrittseifer nicht vergessen werden darf, dass nicht alles, was technisch möglich ist, auch mit unseren Werten vereinbar ist, dass künstliche Intelligenz, die immer weiter lernt, mitunter auch mal das Falsche lernt. Wir alle kennen das prominente Beispiel Amazon. Das „Han delsblatt“ hat ausführlich darüber berichtet. Amazon wurde hier schon als positives Beispiel angeführt; ich führe es jetzt einmal als negatives Beispiel an: Amazon hat im Bewerbungs management ein KI-gestütztes Softwaretool angewendet, wel ches Frauen, die sich beworben hatten, systematisch benach teiligt hat. Die Software hatte einfach nur den Status quo ad aptiert, dass Männer in der Vergangenheit häufiger eingestellt wurden als Frauen, und infolgedessen wurden Frauen auf grund ihres Geschlechts auch schlechter bewertet.
Das führt im Prinzip zu der Conclusio, dass künstliche Intel ligenz uns keine Entscheidungen zu gesellschaftlichen und ethischen Fragen abnehmen darf. Wenn wir uns bei Entschei dungen, etwa in Bewerberverfahren, auf die vermeintliche Ob jektivität von künstlicher Intelligenz verlassen, dürfen wir nicht vergessen, dass selbstlernende Systeme nicht davor ge feit sind, Vorurteile zu reproduzieren bzw. eigene Vorurteile zu konstruieren.
Ich bin sicher, dass die vielen innovativen Unternehmen und motivierten Beschäftigten im Land gute Voraussetzungen mit bringen, auch beim Thema „Künstliche Intelligenz“ vorn mit dabei zu sein. Wo soll es denn klappen, wenn nicht hier bei uns in Baden-Württemberg?
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass wir uns heute zu einem der wichtigsten Themen der kommenden Jahre – wie bereits auch der vergangenen Jahre – unterhalten dürfen.
Reisen bildet; das beweist unser Ministerpräsident. Auf der Reise im Silicon Valley haben Sie, Herr Ministerpräsident, festgestellt, dass man uns dort technologisch davonläuft, wäh rend wir uns hier in Stuttgart seit zweieinhalb Jahren mit Fahr verboten und alten Autos beschäftigen. Schön, dass es nun die späte Erkenntnis gibt und dass gestern auf der Landespresse konferenz dargelegt wurde, dass wir uns von einem abweh renden zu einem gestaltenden Datenschutz bewegen müssen, dass es für künstliche Intelligenz große Datenmengen braucht und dass die künstliche Intelligenz eine Schlüsseltechnologie ist, bei der wir hier in Baden-Württemberg vorn mitspielen müssen.
Ich empfehle übrigens als Nächstes eine Reise nach China; denn dort geht der Zug noch viel schneller ab als in den USA.
Die Ankündigung der grün-schwarzen Regierung, mehr Geld in die Entwicklung der künstlichen Intelligenz zu stecken und damit dafür zu sorgen, dass Baden-Württemberg im weltwei ten Wettbewerb vorn mitspielt, begrüßen wir deshalb grund sätzlich.
Die hiesige Wirtschaft hinkt noch hinter dem Markt her. Es wurde bereits gesagt, dass nur 3 % der weltweiten KI-Unter nehmen ihren Sitz in Deutschland haben. Von den 15 umsatz stärksten Softwareherstellern der Welt ist nur einer in Deutsch land beheimatet, die SAP – immerhin bei uns in Baden-Würt temberg; das darf man schon mal festhalten.
Lassen Sie mich einen Blick auf die Frage richten, um was es eigentlich geht. Denn wir alle reden über KI, aber manchmal fehlt uns vielleicht ein bisschen der Hintergrund,
warum das ein Thema ist. Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ ist ein Sammelbegriff für computerbasierte Systeme, die in der Lage sind, Probleme eigenständig zu erfassen und zu lö sen. Deswegen nennen wir sie intelligent.
Beispiele kennen wir und wurden auch schon genannt: Siri, Alexa, selbstfahrende Autos oder Kaufvorschläge im Internet. Auf der Messe CODE_n konnten wir Anfang Oktober Sophia bewundern, eine KI-basierte Roboterfrau, die mit jeder Inter aktion, die sie tätigt, ihre eigene Sprachkompetenz weiterent wickelt – eine faszinierende Entwicklung.
Diese computerbasierten Entwicklungen sind nicht neu; sie erfahren jedoch eine enorme Beschleunigung. Woher kommt diese? Die technologischen Voraussetzungen zur Verarbeitung und Sammlung von Daten haben sich kontinuierlich verbes sert. Was die Prozessortechnik betrifft, haben wir 1995 noch Riesenrechner gebraucht, während wir die Daten heute auf ei ne kleine Uhr bringen.
Die digitalen Netze sind der zweite technologische Fortschritt, nämlich die Fähigkeit, große Datenmengen in kurzer Zeit zu transportieren. Wir messen das in der Bandbreite. Hier wis sen wir, dass wir in Baden-Württemberg noch großen Nach holbedarf haben.
Die dritte Seite sind die Speicherkapazitäten. Heute können wir auf kleinstem Raum große Datenmengen speichern.
Diese drei Entwicklungen – Rechenleistung, Speicherkapazi tät und digitale Netze mit großer Bandbreite – erlauben kos tengünstigen Datentransport und Datenverarbeitung weltweit. Dadurch lassen sich kostengünstig neue Geschäftsmodelle entwickeln. Die digitale Technologie ist somit der erste neue Produktionsfaktor, der den Erfolg im Wirtschaftsleben be stimmt.
Das Zweite ist die digitale Haut. Menschen, Maschinen, Ge bäude, Straßen – praktisch alles – können mit dieser Techno logie ausgestattet werden und produzieren Daten. Sender- und
Empfängerdaten bilden in ihrer Vielfalt ein Netz, und die Soft ware stellt die Verbindung zwischen diesen Daten her und er möglicht die Kommunikation über alle Geräte hinweg.
Wir kennen das von Uber: Uber schafft es nicht nur, eine Ver bindung zwischen privaten Autofahrern und Endkunden her zustellen, sondern Uber kann z. B. auch die Daten, die wir auf unseren Smartphones mit uns herumtragen, tracken und dar aus ableiten, wo der höchste Bedarf an Fahrdienstleistungen demnächst sein wird, sodass wir ohne lange Wartezeiten ein Angebot bekommen oder eine Dienstleistung in Anspruch nehmen können.
Alles ist mit allem verbunden. Ende des Jahres werden etwa fünf Milliarden Menschen weltweit ein mobiles Telefon ha ben. Es wird davon ausgegangen, dass in wenigen Jahren je der Mensch, der älter ist als vier Jahre, über ein solches Ge rät verfügt. Zugang zu Daten ist also ein weiterer, neuer Pro duktionsfaktor.
Hinzu kommen am Ende die fallenden Transaktionskosten in den Wertschöpfungsketten, die dann ganz andere Wertschöp fungsketten erlauben.
Man sieht bei alldem, dass unsere Wirtschaft hier ein riesiges Potenzial für bestehende Unternehmen, aber auch für viele neue Unternehmer hat. Die Disruption, also die grundsätzli che Veränderung der Geschäftsprozesse, die von diesen soft warebasierten Daten ausgeht, erstreckt sich auf alle Bereiche. Ich bin da anderer Meinung als Sie, Herr Weirauch: Es gibt keinen Bereich, an dem diese Veränderungen und Möglich keiten enden. Es ist die IT, es sind die Banken, das Gesund heitswesen, die Finanzen, die Produktion, der Verkehr. Digi tale, KI-basierte Unternehmen wachsen schneller als alle an deren Branchen, da sie nämlich auf all diese Märkte einwir ken können, und sie schaffen zusätzlich neue Angebote. Des wegen ist auch die Herausforderung für die Politik so groß, einen Rahmen zu schaffen, der es möglichst vielen Menschen ermöglicht, Ideen in marktfähige Angebote umzusetzen.
Jeder, der Mut hat, kann hier etwas bewegen, und er braucht dafür nicht viel Anfangskapital. Was uns aber im Weg steht, sind ein abwehrender Datenschutz, die fehlende Breitband- und Mobilfunkausstattung und die Angst vor Disruption. Es ist ganz klar: Wir haben ein ganz großes Pfund, das gleichzei tig unser Handicap ist; wir haben nämlich schon Lösungen für alles, und deswegen müssen wir immer erst mal etwas kaputt machen, wenn wir etwas Neues schaffen wollen. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns langsamer als andere, die noch nichts haben und einfach nur etwas Neues schaffen müs sen.
Sie können dort gutes Geld verdienen, und der Drang in die unternehmerische Selbstständigkeit ist deswegen nicht so groß.
Wir müssen uns von einem Ideal des Arbeitsmarkts verab schieden, wonach Menschen möglichst lange – vielleicht so gar ein Leben lang – in einem Unternehmen tätig sind. Dies passt nicht mehr in die Zeit. Wer die selbstständige Tätigkeit von Experten als Scheinselbstständigkeit deklariert, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt – schlimmer noch, er behindert den Wandel; denn er zementiert alte Wertvorstellungen aus der Industriegesellschaft und macht den Menschen Angst.
Die politische und gesellschaftliche Aufgabe muss es sein, den Schutzreflexen und den Wünschen nach Bewahrung des Ist zustands zu widerstehen, für Fortschritt und Wandel zu wer ben, ohne Entwicklungspfade vorzuschreiben, und Innovati onen zuzulassen. Dazu aber brauchen wir einen innovations offenen Ordnungsrahmen. Nehmen wir doch einmal den Staat selbst – er ist heute noch gar nicht angesprochen worden –: Der Staat kann selbst Vorreiter sein; er ist nämlich einer der größten Arbeitgeber und Nachfrager von Produkten und Dienst leistungen im Land. Er kann und muss selbst vorangehen und KI-basierte Lösungen nachfragen.
So war kürzlich im „Behörden Spiegel“ zu lesen – es ging um eine Deloitte-Studie –, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Verwaltung bis zu einem Viertel ihrer Arbeitszeit mit sich wiederholenden Routinetätigkeiten verbringen. Solche Routineaufgaben können künftig immer häufiger durch Algo rithmen und künstliche Intelligenz erledigt werden, was eine spürbare Arbeitserleichterung mit sich bringt. Sie können das Funktionieren einer Verwaltung nachhaltig verändern und die Leistungen für Bürger und Bürgerinnen effizienter und kos tengünstiger machen.
Diesen Teil des Konzepts habe ich in den Darstellungen bis her vermisst. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran, und ma chen Sie damit auch Unternehmen Mut, in diesem Feld akti ver voranzugehen.
Dennoch ist es sicherlich richtig, dass vonseiten der Wirt schaftspolitik verstärkt Impulse gesetzt werden müssen – wir werden dazu, nehme ich an, gleich von Frau Dr. HoffmeisterKraut etwas hören. Ihre Initiativen begrüße ich ausdrücklich; hier kann man gar nicht genug tun, wenn es darum geht, Im pulse in die Wirtschaft zu geben, damit Mut entsteht, Dinge zu wagen und voranzubringen.
Lassen Sie mich noch einen Blick auf die verschiedenen Stra tegien werfen, auch im Hinblick auf den Bund. Es wurde ja schon angesprochen: Baden-Württemberg kann da nicht al lein unterwegs sein, dafür ist es zu klein. Wir befinden uns zwischen Amerika und China in einem Spannungsfeld großer Akteure und großer Märkte und müssen uns deswegen mit an deren zusammentun. Dass wir uns mit Frankreich eng abstim men, aber auch auf Bundesebene Mittel mit abgreifen wollen, ist wichtig und richtig. Hier gibt es kein „Ich bin besser als die anderen!“, sondern nur ein „Gemeinsam können wir stark sein!“.
Die schiere Größe Chinas – um zum Abschluss zu kommen – mit 1,2 Milliarden Menschen und die dortige extrem hohe Of fenheit für digitale Anwendungen sind ein Pfund. Dem kön nen wir nur gemeinsam etwas entgegensetzen. China hat kürz lich übrigens kundgetan, dass dort 1 000 Lehrstühle für künst liche Intelligenz geschaffen werden.
Es ist also an der Zeit, durchzustarten. „German Mut“ ist ge fragt. Wir Freien Demokraten glauben daran, dass es nie mehr Chancen für jeden Einzelnen in diesem Land gab als heute. Jeder Einzelne hat es in der Hand: Veränderung, Aufbruch, Chancen.
Unser Auftrag an die Politik ist klar: Schaffen wir den passen den Rahmen dafür, und stärken wir den Glauben der Men schen an sich selbst, damit sie ihre Kreativität und ihren un ternehmerischen Mut einbringen – zum eigenen Wohl und zum Wohle unseres Landes.