In der zweiten Runde erhält für die Fraktion der SPD Herr Fraktionsvorsitzender Stoch das Wort. Sie haben zwei Minuten.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich möchte an einer Stelle meine Aussa gen von vorhin präzisieren und insbesondere zu der Frage der Auswirkungen des Referendums in Großbritannien noch ei nige Worte sagen.
Es ist richtig, dass dieses Referendum, insbesondere das Er gebnis dieses Referendums nicht allein eine britische Ent scheidung war und ist. Vielmehr reicht die Symbolwirkung dieser Entscheidung weit über das Vereinigte Königreich hi naus.
Herr Kollege Meuthen, unterstellen Sie bitte nichts Falsches, und zitieren Sie nicht falsch. Ich habe nicht das Referendum als Krise bezeichnet. Ich habe den Ausgang des Referendums als Gefahr für Europa und insbesondere auch als schweren Rückschlag für die Menschen in Großbritannien bezeichnet.
Wir alle – das ist in der Debatte deutlich geworden – haben guten Grund, uns über den heutigen Stand Europas und auch über unser Verhältnis zu Europa und seinen Institutionen klar zu werden. Natürlich haben wir in diesem Haus auch den Be darf an Reformen der europäischen Institutionen klar beim Namen zu nennen.
Auch haben wir ganz klar zu sagen, dass im Kompetenzgefü ge zwischen kommunaler Ebene, Landes-, Bundes- und Eu ropaebene das Prinzip der Subsidiarität zu gelten hat. Aber – dieses Gefühl hatte ich im Rahmen der Aussprache – wir dür fen den Begriff „Subsidiarität“ nicht missbrauchen. Wir dür fen ihn dann nicht missbrauchen, wenn die Gefahr entsteht, dass mit dem vorgeschobenen Grund der Subsidiarität die ein zelnen Mitgliedsstaaten nur danach entscheiden, ob Europa zuständig ist oder nicht, wenn man im Zusammenhang mit
dem Nutzen, den man von der europäischen Ebene zieht, die se Entscheidung trifft oder nicht. Die Entscheidung, was der Subsidiaritätsgrundsatz uns sagt, muss doch allein themen- und problemspezifisch erfolgen und darf nicht aus dem Blick winkel getroffen werden, ob uns die Entscheidung Europas gefällt oder nicht. Das ist ehrliche Subsidiarität, liebe Kolle ginnen und Kollegen.
... – ja – das vereinigte Europa, und die Summe der nationalstaatlichen Egoismen ist auch nicht gleichbedeutend mit dem Wohl der Menschen in Euro pa.
Ich zitiere jetzt einfach einmal die katholische Soziallehre. Dort ist die Subsidiarität ein wichtiger Grundsatz. Aber die Subsidiarität steht dort in engem Zusammenhang mit dem Prinzip der Solidarität. Subsidiarität ohne Solidarität und Per sonalität funktioniert nämlich nicht. Deswegen dürfen wir un sere Egoismen nicht hinter dem Grundsatz der Subsidiarität verstecken, sondern wir müssen bereit sein, im europäischen Haus auch Solidarität zu zeigen. Dann entsteht ein Europa, für das die Menschen und vor allem die jungen Menschen in Europa zu begeistern sind.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die heutige Debatte hat es deutlich gemacht: Wir brauchen ein Mehr an Europa, wir brauchen ei nen neuen Impuls für die Weiterentwicklung der Europäischen Union. Wer am heutigen Tag wie Herr Meuthen zwischen Eu ropa und der Europäischen Union trennt, der möchte spalten,
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Sagen Sie das einmal den Schweizern! Wo leben Sie denn eigentlich? Gehört die Schweiz nicht zu Europa? Das ist ja absurd, was Sie da vertre ten!)
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Das ist ja Brand stiftung, was Sie da machen! – Gegenruf: Wer ist hier der Brandstifter? – Weitere Zurufe – Glocke der Prä sidentin)
Herr Abg. Schwarz, Moment! – Meine Damen und Herren, es kann wirklich nicht sein, dass ich im Rahmen einer Debatte, einer Aussprache, alle paar Mi nuten um Ruhe bitten muss. Ich bitte Sie wirklich inständig, die Debatten sachlich zu führen. Man kann ja kontrovers dis kutieren.
(Beifall der Abg. Nicole Razavi CDU – Abg. Rein hold Gall SPD: Aber da sind auch bestimmte Zwi schenrufe nicht akzeptabel, die dort gemacht werden! Das muss man auch einmal sagen! – Weitere Zurufe)
Moment! Meine Damen und Herren, wenn es hier im Saal so laut ist, dann bekommt man die Zwischenrufe hier oben wirklich nicht mit. Daher nochmals meine Bitte: Bewahren Sie einfach Ruhe, auch wenn die Debatten kontrovers sein können.
Frau Präsidentin! In dieser Debatte ist noch einmal deutlich geworden, dass die AfD durch ihre Redner hier im Haus andere Menschen verun glimpft. Ich fordere Herrn Dr. Fiechtner auf, seinen Zuruf – Sie haben zu mir „Brandstifter“ gesagt, Herr Kollege – zu rückzunehmen und sich dafür zu entschuldigen.
(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Reinhold Gall SPD: Genau! – Abg. Rainer Hinderer SPD: So ist es! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE zur AfD: So geht das hier!)
Die heutige Debatte behandelt das Thema „Impulse für eine europäische Idee“. Ich finde es ungeheuerlich, wie bestimm te Gruppen im Parlament verunglimpft werden, wie gesell schaftliche Gruppen wie die Landwirte verunglimpft werden.
Ich finde es ungeheuerlich, dass die Landwirte als „Subven tionsjunkies“ bezeichnet werden, dass hier eine Neiddebatte über die Strukturförderung in der EU geführt wird.
Das dient nicht dazu, die Ängste, die die Bevölkerung hat, die Sorgen, die die Bevölkerung hat, aufzunehmen. Lösungen und Antworten und nicht das Schüren von Ressentiments sind am heutigen Tag gefragt.
Für meine Fraktion ist klar: Die Europäische Union muss jetzt einen Schritt in Richtung europäische Integration tun. Mit „Kein ,Weiter wie bisher‘!“ greife ich das auf, was Herr Kol
lege Dr. Rülke gesagt hat. Der Europaminister hat es ange sprochen: Es muss um eine Fortentwicklung, eine Weiterent wicklung und mehr Transparenz der europäischen Institutio nen gehen.
Ich bin dem Ministerpräsidenten sehr dankbar, dass er diesen Dialog, diese neue Plattform initiieren möchte. Ich bitte dar um, in diesem Dialogforum, auf dieser Plattform insbesonde re die junge Generation sehr stark einzubeziehen.
Nicht nur diejenigen, die heute 36 Jahre alt sind, sollen sagen können: „Europa ist für mich Freiheit. Europa ist für mich Identität.“ Ich habe die Hoffnung, dass auch in 20 Jahren die jenigen, die dann 56 sind, und diejenigen, die dann 36 sind, sagen können: „Europa ist für mich Identität. Europa ist für mich Zukunft. In diesem Europa möchte ich leben.“
Eine solche Plattform unter Beteiligung der jungen Generati on kann eine Brücke nach Großbritannien oder, Herr Stoch, eine Brücke nach Südeuropa darstellen. Daran wollen wir ar beiten – mit Leidenschaft für ein neues Europa. Wir bringen uns hier gern ein.
Meine Damen und Herren, be vor wir weiterfahren und der Redner der FDP/DVP-Fraktion das Wort erhält, erteile ich Ihnen, Herr Abg. Dr. Fiechtner, ei nen Ordnungsruf.
Moment, jetzt bin ich dran. – Vorhin haben Sie bereits den Zwischenruf „Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Antisemi tismus!“ getätigt; ich habe mir den Auszug aus dem Entwurf des Protokolls geben lassen. Jetzt haben Sie noch von „Brand stiftung“ gesprochen. Das waren jetzt zwei solche Begriffe in einer Debatte. Beim nächsten Ordnungsruf muss ich Sie des Saales verweisen.