Protocol of the Session on June 29, 2016

Machen wir weiter mit Mario Draghi: eine rücksichtslose Fi nanz- und Währungspolitik. Dies ist schon seit Jahren eine Repressionspolitik zulasten der deutschen Sparer und derje nigen, die sich ihre Altersvorsorge zusammensparen möchten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Es gibt ja Menschen, denen schon vor 30 Jahren gesagt wur de: Die Rente reicht nicht mehr. Sie haben schon damals nicht mehr geglaubt, was Norbert Blüm gesagt hat, nämlich: „Die Rente ist sicher.“ Man hat ihnen gesagt: „Macht eine private Altersvorsorge. Ihr bekommt dann mit Mitte 60 90 000 €.“ Diese Menschen bekommen heute von der Versicherung Post mit dem Tenor: „Es tut uns leid. Es liegt an den Niedrigzin sen. Sie bekommen nicht 90 000 €, sondern nur 60 000 €.“ Das ist eine Politik, die gezielt gemacht wird mit der Begrün dung, man wolle die Konjunktur fördern. Aber in Wahrheit geht es nur darum, die Haushalte von überschuldeten Staaten zu entlasten. Das ist eine völlig falsche Politik.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Der Deutsche Bundestag hat die Transferpolitik – Stichwort Eurobonds – abgelehnt. Mario Draghi macht es mit seiner ex pansiven Finanz- und Geldpolitik durch die Hintertür; auch das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Auch das führt letzt lich dazu, dass die Akzeptanz der europäischen Institutionen leidet. Man muss es sehr deutlich sagen: Die Politik à la Jun cker, die Politik à la Draghi ist mit ursächlich dafür, dass die Europäische Union in eine Krise geraten ist.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der AfD)

In diesem Zusammenhang kann man auch die Bundeskanzle rin nicht verschonen. Herr Schwarz, von Ihnen kam die Be grifflichkeit „Hinterzimmerentscheidungen“. Aber diese Hin terzimmerentscheidungen sind doch Entscheidungen, an de nen die deutsche Bundesregierung maßgeblich beteiligt ist, insbesondere die Bundeskanzlerin, die nach Brüssel fliegt und in irgendwelchen Hinterzimmern Entscheidungen trifft, die dann am nächsten Morgen bekannt gegeben werden.

Nehmen wir die Eurorettungspolitik. Da haben wir eine Ent parlamentarisierung.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ich habe Voßkuh le zitiert!)

Davon sprachen Sie und haben Herrn Voßkuhle, den Präsi denten des Bundesverfassungsgerichts, zitiert, der hier an die sem Rednerpult gesagt hat, es gebe eine Entparlamentarisie rung auf Länderebene.

Aber wir haben diese Entparlamentarisierung doch auch auf nationaler Ebene. Die Kanzlerin kommt aus Brüssel, erklärt dem Deutschen Bundestag: Das haben wir jetzt im Hinterzim mer beschlossen, und ihr – Vogel, friss oder stirb! – habt das abzusegnen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Auch das führt dazu, dass die Akzeptanz der europäischen In stitutionen leidet, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD)

Hinzu kommt eine ökonomisch falsche Griechenlandpolitik, eine Rettungspolitik, bei der man den Griechen sagt: „Ihr müsst jetzt die Mehrwertsteuer erhöhen.“ Diese Mehrwert steuererhöhung macht noch das Letzte kaputt, was in Grie chenland funktioniert, nämlich den Tourismus. Gleichzeitig werden die wahren Probleme, eine ineffiziente Verwaltungs struktur, in Griechenland nicht angegangen. Auch das scha det den europäischen Institutionen. Und dem deutschen Steu erzahler wird immer erklärt, das Ganze sei alternativlos.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD)

Das Gleiche gilt für die Flüchtlingspolitik. Die Kanzlerin war in Brüssel, um einen Klub der Willigen zu gründen. Sie hat dann festgestellt, dieser Klub existiert, aber sie ist das einzi ge Mitglied.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP – Beifall bei Abgeord neten der AfD)

Denn sie hat eine Flüchtlingspolitik an allen Institutionen vor bei betrieben. Sie hat nicht einmal ihre Koalitionspartner ge fragt. Sie hat den Deutschen Bundestag nicht gefragt. Sie hat die europäischen Partner nicht gefragt. Sie hat vielmehr ein sam entschieden. Hinterher hat sie festgestellt, sie bekommt für diese Flüchtlingspolitik keine Akzeptanz auf der europäi schen Ebene. Und sie erklärt das Ganze nicht. Es wurde viel fach angemahnt: Wir brauchen mehr Transparenz auf der eu ropäischen Ebene. Es gibt aber keine Transparenz auf der bun desstaatlichen Ebene, sondern die Kanzlerin sagt immer nur, das Ganze sei alternativlos, oder: „Wir schaffen das!“ Das ist zu wenig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Das Einzige, was in Zeiten der Flüchtlingskrise wirksam ge wesen ist, war die Schließung der Balkanroute. Die Kanzle rin war dagegen.

(Heiterkeit bei der AfD)

Stattdessen setzt sie auf Herrn Erdogan mit all seinen despo tischen Anwandlungen und sieht die Lösung der Flüchtlings krise in einer Politik zusammen mit Herrn Erdogan.

Und wenn von den europäischen Werten die Rede ist, Herr Ministerpräsident, so sagen sich die Worte „europäische Wer

te“ an dieser Stelle natürlich leicht. Glauben Sie im Ernst, die europäischen Werte lassen sich gemeinsam mit Herrn Erdo gan durchsetzen? Da muss man doch einmal deutlich sagen: So geht das nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP, der AfD und des Abg. Pe ter Hofelich SPD)

Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann, haben im Wahl kampf verschiedentlich geäußert, sie beteten für die Bundes kanzlerin. Ich hoffe, dass Sie angesichts dieser Politik zumin dest diese Gebete inzwischen eingestellt haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)

Nun stellt sich die Frage nach den Lösungen, meine Damen und Herren. Vielfach wurde gesagt: Wir brauchen mehr Sub sidiarität. Aber was heißt „mehr Subsidiarität“? „Mehr Sub sidiarität“ heißt natürlich: mehr Stuttgart und weniger Brüs sel.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD)

Es war die Rede davon: Wir brauchen mehr Transparenz. In der Tat: Transparenz heißt, man muss Politik erklären. Es reicht nicht, Sonntagsreden zu halten. Es reicht nicht, vor dem Deutschen Bundestag zu sagen: „Wir schaffen das“, oder: „Al les ist alternativlos.“

Wir brauchen auch mehr Demokratie. Das heißt, die Parla mente müssen entscheiden und nicht die Kommission. Es kann nicht sein, dass ein Kommissionspräsident den Parla menten sagt: „Ihr dürft nicht entscheiden.“

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD)

Insofern, Herr Ministerpräsident, sind wir in der Theorie der selben Auffassung. Wir brauchen mehr Subsidiarität, ja. Brüs sel soll sich gefälligst aus unserem Sparkassenwesen heraus halten. Aber wir brauchen die europäische Ebene für die Lö sung der Flüchtlingskrise, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Wir sind bereit, unseren Beitrag für einen subsidiären Prozess zu leisten. Sie haben die Ankündigung in Ihrer Regierungser klärung gemacht und auch vorab die Frage formuliert, wer sich vorstellen kann, sich an diesem Prozess zu beteiligen, in einen Dialog mit der Bürgergesellschaft einzutreten, in einen Dialog mit den Kommunen einzutreten, in diesem Land Ba den-Württemberg die Frage zu stellen: Wie können wir Euro pa besser machen?

Wir müssen Europa besser machen. Europa ist Teil unserer Staatsräson. Dazu sind wir bereit, dazu reichen wir Ihnen die Hand. Aber klar ist, Herr Ministerpräsident, dass in diesem Zusammenhang dann auch die Probleme und das Versagen benannt werden können. Es darf nicht dabei bleiben, Sonn tagsreden zu halten, sondern man muss klar benennen, was die Fehlentwicklungen in der Europäischen Union sind –

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP)

um Europa zu erhalten, nicht um die Europäische Union ka putt zu machen. Dazu reichen wir Ihnen die Hand.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Es geht um die Wahrung der Interessen der Bürger, Stichwort Mario Draghi. Es geht darum, Lösungen für die Menschen in Europa zu finden. Dann hat Europa eine Zukunft – als demo kratisches, subsidiäres und transparentes Europa der Regio nen, aber nicht als Brüsseler Hinterzimmerveranstaltung der Merkels, Junckers und Draghis. Letzteres ist das wahre Kon junkturprogramm für die Rechten, und das wollen wir nicht. Deshalb geben wir Erwin Teufel recht, wenn er sagt: „Wir müssen Europa auf die Füße stellen.“ Das müssen wir anpa cken, meine Damen und Herren. Dazu reichen wir die Hand.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der AfD)

Für die Regierung erteile ich das Wort Herrn Minister Wolf.

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal erlau be ich mir, darauf hinzuweisen, dass es, wie ich finde, eine wichtige und richtige Idee war, Herr Ministerpräsident, den „Brexit“ auch hier zum Gegenstand einer Regierungserklä rung zu machen und in Baden-Württemberg als einem Land im Herzen Europas diesen Tag nicht einfach stehen zu lassen, sondern gerade hier in Baden-Württemberg die Auswirkun gen des „Brexits“ auch zum Gegenstand einer Debatte im Landtag zu machen.

Blenden wir einmal einige Diskussionsbeiträge aus, die es an gesichts der Seriosität der Auseinandersetzung vielleicht nicht zwingend gebraucht hätte, so finde ich: Es war eine gute und wichtige Diskussion für den Landtag von Baden-Württem berg, für Baden-Württemberg im Herzen Europas. Allen, die sich an dieser guten Diskussion gewinnbringend beteiligt ha ben, ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der AfD)

Lieber Herr Kollege Stoch, ich glaube, Sie haben sich gar nicht wirklich versprochen, als Sie einmal mit den „Genos sen“ argumentiert haben.

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Herr Stoch wollte zu einer großen europäischen Genossen schaft aufrufen.