Der CDU-Landtagsfraktion ist die Zukunft des Handels sehr wichtig. Die Versorgung der Baden-Württemberger, der Bür gerinnen und Bürger im ländlichen Raum wie in den Städten in unserem Land, steht ganz oben auf der Prioritätenliste; es geht um die Attraktivität der Innenstädte, der Dörfer und um ein faires Nebeneinander von Onlinehandel und stationärem Einzelhandel.
Wir werden diesen Prozess im Wirtschaftsministerium inter essiert begleiten. Dem Handel sende ich von hier aus ein kla res Signal der CDU-Landtagsfraktion: Wir suchen gemein sam mit Ihnen nach „enkeltauglichen“ Ansätzen – wie unse re Freunde in Österreich zu sagen pflegen, um nicht perma nent das Wort „nachhaltig“ zu strapazieren. Wir wollen den Handel in unserem Land in eine gute Zukunft führen; deshalb beginnt jetzt der Strategieprozess „Handel 2030“, um die Zu kunft anzupacken und zu gestalten.
Ich bin mir sicher, dass wir dieses Thema hier in nicht zu fer ner Zukunft wieder aufrufen können, um über die weiteren Ergebnisse zu berichten.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Auf der Website des Landtags kann man – der Frau Präsidentin sei Dank – nachschauen, wie hoch das Durchschnittsalter von uns Mitgliedern im Landtag ist: Es liegt bei knapp 55 Jahren. Im Schnitt sind wir Landtagsabge ordneten also mit dem klassischen Einkaufserlebnis im Fach geschäft in der Innenstadt aufgewachsen, mit dem Laden im Dorfzentrum. Im Schnitt haben wir Landtagsabgeordneten weit mehr als die Hälfte unserer Lebenszeit verbracht, ohne dass es Onlinehandel überhaupt gab, geschweige denn Smart phones.
Da siehst du mal. – „Handel ist Wandel“; der alte Merksatz gilt also, wie wir an uns selbst sehen. Die Player am Markt werden immer größer, es gibt eine Marktkonzentration bezüg lich der Unternehmen, und es gibt eine Ausweitung der Flä chen pro Geschäft sowie der Flächen insgesamt. Es gibt au ßerdem neue Fachmärkte auf der grünen Wiese – nicht mehr so schnell wie früher, aber es passiert noch – und neue Malls in den Städten. Der Handel sucht dringend nach Fachkräften.
Die große Dimension ist die Digitalisierung. Der rasant wach sende Onlinehandel – Kollege Paal hat es gesagt – bringt ei ne harte Umsatzkonkurrenz für den stationären Einzelhandel, und er bringt globale Wettbewerber auf einen früher lokal be stimmten Markt. Er verändert unsere Ansprüche als Kundin nen und Kunden, wie wir an uns selbst feststellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lebendige Innenstädte und Ortszentren brauchen einen lebendigen lokalen Einzelhandel. Wir wollen, dass die engagierten Händlerinnen und Händler im Land weiterhin eine gute wirtschaftliche Zukunft haben, und dafür kämpfen wir.
Das ist ein wirtschaftspolitisches Ziel meiner grünen Frakti on und der ganzen Koalition. Es geht um Arbeitsplätze, um viele Themen der klassischen Mittelstandspolitik. Es geht aber auch um ein gesellschaftspolitisches Ziel – ein lebendiger lo kaler Einzelhandel ist ein gesellschaftspolitisches Ziel. Innen städte und Ortszentren prägen das Lebensgefühl in unseren Gemeinden. Wir brauchen lebendige Innenstädte und Ortszen tren für den sozialen Zusammenhalt, für das Gefühl: Ist mei ne Stadt attraktiv? Lebe ich gern hier? Kommen die Menschen hier zusammen? Sind wir in einer sicheren Stadt?
Darum haben wir uns auf den Weg gemacht, damit der Han del in Baden-Württemberg mit internem und externem Sach
Dialogprozesse sind ein weiches Instrument der Wirtschafts politik. Sie sind ein angemessenes Instrument für dieses The ma und für die Landesebene. Wir haben jetzt viel Erfahrung darin, wir haben den Transformationsprozess der Automobil wirtschaft mit dem Strategiedialog. Sie kennen den Prozess „Handwerk 2025“, den wir bereits in der letzten Legislatur periode begonnen haben, und jetzt den Strategieprozess „Han del 2030“, den die Wirtschaftsministerin angestoßen hat.
Der Prozess steht am Anfang, die Akteure reden miteinander: der Städtetag, die IHK, der Handel selbst – im Handelsver band ist ja inzwischen auch der Groß- und Außenhandel inte griert. Es geht aber auch um externe Ideen, die man immer braucht, um sich weiterzuentwickeln. Der Prozess steht am Anfang.
Was können wir uns, was kann ich mir vorstellen? Ich glau be, dass der Handel zukünftig unsere Innenstädte und dörfli chen Zentren weiter prägen kann und prägen sollte. Dazu wol len wir beitragen. Ich glaube, dass der Handel bei der Versor gung mit Gütern des täglichen Bedarfs – Nahversorgung, ein Thema vieler Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz – eine wichtige Rol le spielen wird und dass er zum Zusammenhalt beiträgt, Mi nister Lucha.
Der Handel bleibt ein wichtiger Vertriebskanal für kleine und mittlere Unternehmen, für familiengeführte Unternehmen. Er sichert Arbeitsplätze. Im Handel werden Offline und Online künftig noch stärker ineinander übergehen, zusammen gedacht werden. Die Trennung nach dem Motto: „Das eine ist das rich tige Leben, und das andere ist das Internet“ gibt es so nicht mehr. Wir kennen das: Wir informieren uns stationär über ein Produkt und kaufen es dann vielleicht online, oder wir infor mieren uns online über die Produktpalette und sind dann froh, wenn wir in unser Geschäft gehen und da noch einmal nach fragen können.
Aber wir freuen uns z. B. auch, wenn dem lokalen Einzelhan del vom Großhandel ermöglicht wird, auf die Wünsche der Kunden einzugehen, sodass die Kunden beispielsweise auch Produkte einzeln nachbestellen können und es nicht heißt: Au ßer dass es alle Größen auf einmal gibt, können wir dieses Produkt hier bei uns nicht beschaffen.
Das sind Visionen, wie der Handel sich weiterentwickeln kann: Websites und Social Media, die Lust machen auf das Geschäft, in das ich gehen kann, oder vielleicht Virtual Rea lity: die Produkte, die gerade nicht vorhanden sind, aber zu der Palette gehören, erlebbar machen.
Wir sehen: Die Digitalisierung ist sicherlich die größte Her ausforderung für den Handel. Die Abläufe sind sehr schnell. Es gibt dazu einige Studien und Monitoring Reports. Wir se hen, dass es ein gewisses Problem ist, dass sich das innerhalb der Unternehmenslandschaft im Handel gerade ziemlich spal tet. Etwa ein Drittel der Unternehmen machen bereits unge
fähr 60 % ihres Umsatzes online; gleichzeitig sind es laut dem „Monitoring-Report Wirtschaft Digital 2017“ 39 % der Un ternehmen, die gar keinen Teil ihres Umsatzes online machen. Das ist zu wenig. Hier müssen die Dinge zusammenlaufen. Ich glaube, das wird ein ganz zentrales Thema im Prozess „Handel 2030“ sein.
Wir haben aber auch als Koalition schon angefangen, das The ma zu bearbeiten. Sie kennen vielleicht das Projekt „Digital lotse“, das wir im Handwerk begonnen haben, im Gaststätten bereich und auch im Handel. Das ist ein niedrigschwelliges Angebot, das wir ausrollen können. Die Digitallotsen führen Beratungen in den Unternehmen durch. Es geht darum, was es überhaupt für technologische Möglichkeiten gibt, was ich in meinem Laden besser machen kann. Es geht darum, dass daraus regionale Netzwerke und Branchennetzwerke erwach sen, die sozusagen aus vielen kleinen Fischen einen großen Fisch bilden, eine Plattform bilden, die digitalen und statio nären Einzelhandel verbindet und von unten herauf eine gute Struktur wachsen lässt.
Wir arbeiten mit der ganzen Landesregierung und als ganze Koalition an diesem Thema. Ich verspreche mir auch vom Wettbewerb „Digitale Zukunftskommune“, Herr Innenminis ter, gute Impulse für den Einzelhandel. Der Einzelhandel hat viele Themen auch im Bereich Bürokratieabbau, die er bei uns anbringt. Ich glaube, dass ein E-Government, das aus den Kommunen wächst und mit dem Projekt „Digitale Zukunfts kommune“ jetzt noch breiter gestartet wird, auch für den Han del ein wichtiger Beitrag dazu ist, dass er vor Ort gut arbeiten kann.
Lebendige Innenstädte und Ortszentren sind ein Kernziel der Politik. Das macht Baden-Württemberg reichhaltig. Wir ha ben nicht ein großes München, wo alle hinrennen. Wir haben viele lebendige Zentren, wir haben liebenswerte Mittelstädte und lebendige Dörfer. Es geht um Aufenthaltsqualität. Es geht um gute Erreichbarkeit des Einzelhandels, und dabei ist auch ein guter öffentlicher Verkehr ein zentraler Punkt. Das macht das Erlebnis aus. Warum gehe ich denn lieber zum stationä ren Einzelhandel, als, nur weil es gerade schon so spät ist, ir gendetwas online zu besorgen? Weil ich da einen schönen Samstag verbringen kann, weil ich den Tag dort ausklingen lasse.
Dafür ist eine gute Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Ver kehr ein zentraler Punkt. Da wird das Baden-WürttembergTicket, das wir jetzt einführen, eine große Bedeutung haben, um ohne irgendeinen Aufwand von A nach B zu kommen. Wenn ich das Einzelhandelserlebnis bei mir in Esslingen schon super finde, aber das von Kirchheim gern noch öfter er leben möchte,
Es geht beispielsweise auch um Infrastruktur, um E-Ladesäu len im öffentlichen Raum. Auch das kann ein Faktor sein, wes
halb ich den stationären Einzelhandel und unsere Innenstäd te und Dörfer aufsuche. Auch daran arbeiten wir.
Aber es gibt auch noch – das sollten wir nicht vergessen – die guten alten Instrumente: die Landesplanung, die Regionalpla nung. Das sind die Weichenstellungen, für die wir Verantwor tung haben. Das Wirtschaftsministerium ist die oberste Pla nungsbehörde des Landes. Da ist die Frage, wie Flächen aus gewiesen werden, ob die grüne Wiese bebaut wird oder ob die lokalen Händler eine Chance haben, indem wir Verantwor tung haben. Da ist eine sensible Flächenausweisung, für die das Land Baden-Württemberg aber auch steht, weiterhin ein zentraler Faktor. Auch das sollten wir nicht vergessen. Das ist unsere Aufgabe.
In der globalisierten Wirtschaft – die haben wir; es gibt kein Zurück in die Vergangenheit – ist „lokal“ aber eine Marke. „Lokal“ ist eine Marke, nach der sich Menschen auch in un serer globalisierten Wirtschaft sehnen – auch als Konsumen tinnen und Konsumenten.
Es ist eine große Chance und eine Aufgabe für uns, das Land, die vielen guten Händlerinnen und Händler hier zu regiona len Kreisläufen, zu regionalen Plattformen zusammenzufüh ren. Auch da sind schon viele unterwegs – Minister Hauk z. B. mit dem lokalen Onlinemarktplatz und vielen Aspekten im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum –, sodass hier die Struktur von unten wachsen kann.
Auch die Bio-Musterregionen und insgesamt das Bewusstsein für biologische und regionale Lebensmittel, die ja auch zum Einzelhandelsgut gehören, sind hier ein wichtiger Faktor.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gute Arbeit, gute Arbeits bedingungen sind auch etwas, was der Handel braucht. Auch hier unterscheiden sich die Akteure sehr. Sie wissen, dass Amazon ein ganz negatives Beispiel ist. Amazon hat bei uns keinerlei Tarifbindung und ist vielfach durch unangemessene Arbeitsbedingungen aufgefallen. Arbeitnehmerinnen und Ar beitnehmer haben hier gekämpft und kämpfen weiter für Din ge wie mehr Luftzufuhr in Lagerstätten. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land sollten sicherlich bedenken, dass man auch mit seinem Einkaufsverhalten gute oder nicht gute Ar beit unterstützt. Wir stehen für die gute Arbeit.
Ein Strategieprozess hat al so begonnen. Er führt die Akteure zusammen. Wir haben vie le Ziele, die wir dabei erreichen können: Arbeitsplätze erhal ten, die Attraktivität unserer Städte und Dörfer und damit die unseres Landes. Ich wünsche dabei gutes Gelingen, und wir werden das Ganze weiter begleiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete! Im Durchschnitt geben die Deutschen 384 € nur für Bekleidung im Internet aus – pro Sekunde. 13 % des Gesamtumsatzes im Einzelhandel werden inzwischen über das Internet abgewickelt, Tendenz steigend. Da ist es nicht verwunderlich, wenn in unseren Städten vor allem abseits der Hauptlagen die Leerstände kontinuierlich zunehmen.
Der Onlinehandel boomt, und das ist auch kein Wunder. Der Kunde kann bequem von zu Hause bestellen, bekommt seine Ware tags darauf geliefert und kann sie bei Nichtgefallen oh ne Wenn und Aber, ohne Rechtfertigung zurückschicken. Doch nicht nur der Handel über das Internet bedroht den sta tionären Handel. Auch hausgemachte Veränderungen seitens der Kommunen und der Politik im Bund und auch im Land setzen diesem wichtigen Wirtschaftszweig zunehmend zu.