Protocol of the Session on July 19, 2018

Der Onlinehandel boomt, und das ist auch kein Wunder. Der Kunde kann bequem von zu Hause bestellen, bekommt seine Ware tags darauf geliefert und kann sie bei Nichtgefallen oh ne Wenn und Aber, ohne Rechtfertigung zurückschicken. Doch nicht nur der Handel über das Internet bedroht den sta tionären Handel. Auch hausgemachte Veränderungen seitens der Kommunen und der Politik im Bund und auch im Land setzen diesem wichtigen Wirtschaftszweig zunehmend zu.

Konnte man noch vor Jahrzehnten unbeschwert in die Innen städte fahren, dort parken, einkaufen, so wird es heute bereits schwierig, mit dem eigenen Fahrzeug in die Innenstadt zu kommen – von der anschließenden Parkplatzsuche ganz zu schweigen. Verantwortlich ist hier nicht nur der zunehmende Verkehr, wie man uns oft glauben zu machen versucht, son dern sind undurchdachte Verkehrskonzepte, die – man könn te manchmal fast den Eindruck gewinnen: absichtlich – zu Verkehrsstaus führen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Sicher, man kommt auch mit den öffentlichen Verkehrsmit teln in die Innenstadt. Doch wer möchte schon beim Einkauf Tüten und Taschen schleppen? Da ist der Onlinehandel doch einfach viel bequemer. Das müssen Sie doch bei der Einfüh rung Ihres Tickets berücksichtigen. Das genügt nicht, Frau Lindlohr. Vor allem die ältere Generation hat keine Lust und nicht die Kraft, Taschen und Tüten zu schleppen.

(Zuruf der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE)

Fußgängerzonen laden die Kunden zum Bummeln und Ein kaufen ein – so dachte man noch vor Jahren. Sie sind wirk lich eine schöne Sache, wenn sie denn auch richtig konzipiert, das heißt einkaufsgerecht gestaltet sind.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Doch ohne ausreichenden, schnell erreichbaren Parkraum rund um die Fußgängerzonen herum und ohne leistungsfähige An fahrtswege für Händler und für Zulieferer sterben die Fußgän gerzonen oft langsam, und das ist auch ein Sterben des stati onären Handels.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau so ist es!)

Nicht wenige Kommunen planen daher inzwischen den Rück bau ihrer Fußgängerzonen.

Und als ob das nicht schon genug wäre, können zukünftig rund 50 % der Dieselfahrer nicht mehr in die Innenstädte fah ren.

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Oder noch besser: So mancher Bürgermeister träumt von ei ner zusätzlichen Einnahmequelle und denkt an die Einführung einer Citymaut oder einer Nahverkehrsabgabe.

(Zuruf von den Grünen: Echt?)

Das ist geradezu ein Konjunkturprogramm für den Online handel.

Ihre ideologisch verblendete Politik im Bund, in der EU und im Land gefährdet nicht nur die Automobilindustrie, sondern auch den stationären Handel.

(Beifall bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: Ge nau so ist es!)

Wie sieht es mit der Sicherheit in unseren Innenstädten aus? Ein eingezäuntes Oktoberfest in München oder Betonsperren um jeden noch so kleinen Weihnachtsmarkt zeugen von einer seit der merkelschen Grenzöffnung grundsätzlich veränder ten, deutlich schlechteren Sicherheitslage.

(Beifall bei der AfD)

Einkaufen unter Polizeischutz und möglichst noch vor Ein bruch der Dunkelheit – dann vielleicht doch lieber bei Ama zon einkaufen?

(Abg. Winfried Mack CDU: Gerade habe ich es ge sagt! Es kommt gleich das Thema!)

Zudem ist dort auch vieles deutlich günstiger, weil die fern östlichen Händler die lästige Zahlung von Umsatzsteuer um gehen können, während die stationären Händler in unserem Land für jeden Artikel, der über den Ladentisch geht, ohne Wenn und Aber Steuern entrichten müssen. Im Gegensatz zu seinen asiatischen Konkurrenten hat der stationäre Einzelhan del auch noch diversen Papierkram zu erledigen. Ämter und Behörden verlangen dank immer neuer Vorschriften und Ver ordnungen zunehmend umfangreichere Dokumentationen.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Datenschutzbeauftragter! – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Dazu verlangen EU, Bund und Land immer weitere statisti sche Angaben. „Die Bleiwüste aus Vorschriften überfordert viele Unternehmen“, so Sabine Hagmann, Geschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg. Mit der aktuell eingeführten umfangreichen Dokumentationspflicht der Da tenschutz-Grundverordnung und den damit verbundenen Kos ten ist die Kapazität der Händler für fachfremde Aufgaben in zwischen deutlich überschritten.

(Beifall bei der AfD)

Vor allem in kleinen Betrieben herrscht der Eindruck, man wolle sie vom Markt verdrängen. Ich zitiere nochmals Frau Hagmann:

Wissen Behörden und die Politik, was sie damit dem Mit telstand antun?

Doch nicht nur der fernöstliche Handel setzt dem stationären Einzelhandel zu. Starbucks, ein Unternehmen mit über 150 Filialen, verkauft seinen Kaffee nicht online und zahlt den noch keine Steuern, dank innereuropäischer Steuertricks –

ganz im Gegensatz zu unserem Kaffeehaus um die Ecke. Auch der Onlinegigant Amazon zahlt fast keine Steuern. Die EU hilft dabei mit Stimmen von CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP, also Ihren Kollegen, zulasten des stationären Handels. Und jetzt ist das Geschrei groß: Rettet den Einzelhandel!

Die AfD begrüßt das vor Kurzem angestoßene Dialogprojekt „Handel 2030“ ausdrücklich. Doch müssen dabei auch die hier angesprochenen Probleme in Augenschein genommen wer den. Die Rahmenbedingungen für den stationären Einzelhan del müssen wieder verbessert werden. Städte müssen für Kun den und Zulieferer leicht zugänglich sein und bezahlbarer Parkraum muss vorhanden sein. Fahrverbote, Citymaut und Nahverkehrsabgaben müssen umgehend von der Tagesord nung gestrichen werden.

(Beifall bei der AfD)

Die Sicherheit in Deutschland muss nicht nur aus Sicht des Handels, sondern vor allem auch zum Schutz der Bevölke rung in unserem Land, der schon länger hier lebenden Men schen, wiederhergestellt werden. Ohne wirksame Grenzkon trollen werden zukünftig noch mehr Merkel-Legos die Innen städte prägen. Die stationären Händler müssen von den unsin nigen bürokratischen Auflagen befreit und die Onlinehändler endlich vernünftig besteuert werden.

Nicht alles liegt in Ihrer Hand, in der Hand der Landesregie rung, doch aus Sicht der AfD müssen Sie entsprechende Im pulse im Bund und auch in der EU setzen. Wenn der stationä re Handel von diesen Bürden befreit wird, hat er eine Chan ce, parallel zum Onlinehandel nicht nur zu überleben, sondern auch weiter zu wachsen, verfügt er doch über Vorteile, wel che der Onlinehandel nicht hat: Der physische Kontakt mit der Ware gerade bei Bekleidung ist ganz entscheidend für die Kaufentscheidung. Gut geschultes Personal steht mit Rat und Tat für die individuelle Beratung des Kunden zur Verfügung. Entspanntes Einkaufen in attraktiven Städten – gegebenen falls auch in Begleitung eines Freundes oder Partners – bietet ein Erlebnis, das es beim Onlinehandel nicht gibt. Es fallen keine Versandkosten an, und Reklamationen sind einfach um zusetzen.

Bereits jetzt gibt es große Händler, die das Beste aus beiden Welten – online und stationär – machen, indem sie sowohl on line als auch stationär verkaufen. Doch kleine Händler blei ben außen vor. Der Einzelhandel ist einer der größten Arbeit geber im Land. Er ist unabdingbar für funktionierende Stadt- und Ortszentren. Nutzen wir das Dialogprojekt „Handel 2030“, um ihn von den hausgemachten Belastungen zu befrei en. Meine Damen und Herren, Lippenbekenntnisse reichen hier nicht aus.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Weirauch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion be grüßt ausdrücklich die Initiative „Handel 2030“, die jetzt ge startet wird. Wir begrüßen insbesondere auch, dass die Ge werkschaften von vornherein beteiligt werden. Das ist leider

bei der Landesregierung keine Selbstverständlichkeit; deshalb soll es an dieser Stelle besonders Erwähnung finden.

Es wurde vorhin schon gesagt: Die Idee, eine Dialogplattform ins Leben zu rufen, ist nicht neu. Das SPD-geführte Bundes wirtschaftsministerium hat das bereits 2015 auf Bundesebe ne getan. Die Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, dass Bund und Land sich diesem wichtigen Thema „Zukunft des Handels“ widmen, und zwar auch mit der nötigen Aufmerk samkeit. Das ist insgesamt eine sehr gute Sache.

Deutschlandweit wurden im Jahr 2007 – ich mache es kurz – fast 98 % der eingekauften Waren im stationären Handel ge kauft. Im Jahr 2017 waren es nur noch 90 %; gleichzeitig hat te der deutsche Onlinehandel im Jahr 2017 ein Umsatzvolu men von 50 Milliarden €. Der stationäre Handel hat noch im mer ein Umsatzvolumen von 500 Milliarden €. Zumindest die absoluten Zahlen zeigen, dass der Onlinehandel nicht unmit telbar den stationären Einzelhandel bedroht. Mittlerweile macht der stationäre Einzelhandel 10 % seines eigenen Um satzes über Onlinehandel. Das ist ein bemerkenswerter Trend und eine Chance, auf die ich im Laufe meiner Rede noch ein mal zu sprechen komme.

Wir dürfen uns aber auch nicht täuschen lassen und uns nichts vormachen. Jeder sieht es an sich selbst: Das Einkaufsverhal ten ändert sich sukzessive und rasant. Die Digitalisierung macht auch vor dem Handel nicht halt. Die Herausforderun gen sind insofern drängend, und sie verlangen eine voraus schauende und umsichtige Rahmensetzung durch die Politik.

Es wurde bereits gesagt: Wir alle wollen lebendige Innenstäd te mit hoher Aufenthaltsqualität haben, abwechslungsreiche Einkaufsmöglichkeiten, schön in Fußgängerzonen. Wir müs sen uns fragen: Was können wir als Parlament hierzu beitra gen?

Zunächst – da knüpfe ich an die gestrige Debatte an –: Es muss dafür gesorgt werden, dass Innenstädte weiterhin gut zu erreichen sind.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Stefan Räpple AfD)

Das heißt für uns, die SPD-Fraktion: Dies erfordert einen mas siven Ausbau des ÖPNV. Wir brauchen kluge Verkehrskon zepte – und dazu zählen aus Sicht meiner Fraktion definitiv keine Fahrverbote.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

In diesem Kontext muss man klar sagen: Die verfehlte Poli tik von Grün-Schwarz bei der Luftreinhaltung mit dem fata len Ergebnis von Fahrverboten ist kontraproduktiv und wird dazu führen, dass sich viele Menschen vom innerstädtischen Handel abwenden und der Versuchung nachgeben, auf der grü nen Wiese oder eben online ihre Waren einzukaufen.

Ich muss an dieser Stelle noch einmal klar betonen: Fahrver bote sind Gift für den stationären Handel.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Natürlich ist es richtig, dass nicht jeder mit seinem Auto di rekt zum Marktplatz fahren soll, aber es gilt, kein striktes Ver botsregime zu installieren. Vielmehr muss man positive An reize schaffen, um Menschen zum Einkaufen in den Innen städten zu bewegen. Die Landesregierung muss Kommunen mit attraktiven Park-and-ride-Möglichkeiten, günstigen Nah verkehrspreisen, attraktiven neuen Linien, mehr Haltestellen und vor allem einer dichteren Taktung im Nahverkehr unter stützen.