mangel an deutschen Fachkräften aus Baden-Württemberg sowohl in der freien Wirtschaft als auch im öffentlichen Dienst mit der zunehmenden Arbeitsverdichtung, der eher moderaten Bezahlung, schlechten Arbeitsbedingungen und unbezahlten Überstunden, beispielsweise in unseren Kran kenhäusern, durch das Land mit verursacht?
Fachkräfte aller Art und ihre Familien in Zusammenarbeit mit den hierzulande ansässigen Unternehmen aus der Schweiz, Österreich oder den skandinavischen Ländern zurückho len, wenn sich an den familienfeindlichen, befristeten und gehaltstechnischen Arbeitsbedingungen nichts ändert?
Danke schön, Herr Her re. – Ich darf erneut Frau Ministerin Dr. Nicole HoffmeisterKraut zur Beantwortung der Frage aufrufen.
(Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut blättert in ihren Unterlagen. – Abg. Anton Baron AfD: Da gibt es ja offenbar viele Argumente!)
Sehr geehrte Frau Vizepräsiden tin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Her re, Fakt ist, dass es in vielen Unternehmen in unserem Land eine Situation gibt – – Wo ist er jetzt?
Ich hatte Sie gar nicht mehr gesehen. – Die Situation ist die, dass offene Stellen häufig nicht besetzt werden können. Fakt ist aber auch, dass das Bild, das Ihre Anfrage zeichnet, unzu treffend ist. Es ist keineswegs so, dass Fachkräfte aus BadenWürttemberg unser Land „fluchtartig“ verlassen würden, weil hier schlechte Arbeitsbedingungen herrschten und keine Per spektiven bestünden. Fachkräfteengpässe entstehen aus ande ren Gründen; zu nennen sind der demografische Wandel und die gute Konjunktur.
Mit einer Arbeitslosenquote von 3,1 % herrscht in vielen Re gionen unseres Bundeslands derzeit quasi Vollbeschäftigung. Ich glaube, darüber können wir uns alle freuen. Die anhaltend gute Arbeitsmarktlage führt seit Jahren dazu, dass zusätzliche Beschäftigungspotenziale für den Arbeitsmarkt erschlossen werden. So ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Be schäftigten in Baden-Württemberg im März 2018 im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 100 000 auf nunmehr knapp 4,6 Millionen Personen angestiegen. Gleichzeitig gibt es kei ne Anhaltspunkte dafür, dass die in der Mündlichen Anfrage angeführten Umstände wie zunehmende Arbeitsverdichtung, moderate Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen und un
bezahlte Überstunden die grundsätzlichen Ursachen für Eng pässe auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg wären. Es mag sein, dass in Einzelfällen Arbeitnehmer aus den von Ih nen genannten Gründen einen Arbeitsplatzwechsel in Betracht ziehen; das sind dann aber individuelle Motivlagen, die sich empirisch nicht belegen lassen.
Da Sie in Ihrer Mündlichen Anfrage das Beispiel Kranken häuser genannt und damit wohl auf die Situation in den Ge sundheitsberufen angespielt haben, möchte ich hierauf kurz eingehen:
Ja, auch in den Gesundheitsberufen haben wir nachweislich Fachkräfteengpässe. Die Bundesagentur für Arbeit stellt dies in ihrer Fachkräfteengpassanalyse u. a. für die Bereiche Hu manmedizin, Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege fest. Und ja, in diesen Bereichen spielt die Arbeitsbelastung durch aus eine Rolle. Weil die Landesregierung dies erkannt hat, steht das Thema „Fachkräftesicherung in den Gesundheitsbe rufen“ ganz besonders im Fokus, und zwar in der Fachkräfte allianz Baden-Württemberg. Hier ist der Pflegebereich expli zit als ein Handlungsfeld genannt; deshalb ist auch seit dem Jahr 2016 die Liga der freien Wohlfahrtspflege Partner in der Allianz geworden.
Die Landesregierung selbst geht das Thema bereits seit Län gerem intensiv an. Ich möchte an dieser Stelle auch meinem zuständigen Kollegen, Herrn Lucha, für die Vielzahl von Maß nahmen danken, die dem Fachkräfteengpass im Pflegebereich entgegenwirken und die er schon auf den Weg gebracht hat.
Nun zum zweiten Teil Ihrer Mündlichen Anfrage. Sie möch ten wissen, wie wir die abgewanderten Fachkräfte zurückho len wollen. Die Motive für einen Fortgang aus Deutschland sind arbeitsmarkt- und personenbezogen. Beschäftigungs-, Einkommens- oder Karriereaussichten, aber, wie ich denke, auch Neugier auf den kulturellen oder beruflichen Austausch sowie auf auswärtige Fortbildungsstationen sind nicht selten – wie auch familiäre Gründe – die Beweggründe, wenn Men schen eine Zeit lang oder auch längere Zeit im Ausland arbei ten.
Studien zeigen, dass insbesondere bei Hochqualifizierten die Auswanderung aus Deutschland oft von vornherein befristet angelegt ist.
Als Wirtschaftsministerin unseres exportorientierten Bundes lands begreife ich die Mobilität von Fachkräften aller Art als Vorteil. Auslandsaufenthalte weiten den geistigen Horizont sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht. Im Übri gen schätzt und unterstützt die Landesregierung es, wenn die Chancen, die in der EU-Freizügigkeit liegen, auch genutzt werden. Auf diese Errungenschaften der europäischen Integ ration wollen wir nicht mehr verzichten.
Angesichts der genannten Erkenntnisse über die Motive und das Migrationsverhalten insbesondere Hochqualifizierter sieht die Landesregierung derzeit keinen Anlass, spezielle Maßnah men zur Zurückgewinnung von Fachkräften mit deutscher Staatsbürgerschaft zu ergreifen.
Wie die Landesregierung bereits in ihrer Stellungnahme zum Antrag Drucksache 16/2120 der Abg. Dr. Rainer Balzer u. a. AfD mitgeteilt hat, zielt die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspo
litik der Landesregierung konsequent auf die Gewährleistung guter Rahmenbedingungen, um nachhaltig einen hohen Be schäftigungsstand bei uns im Land zu sichern. Die aktuellen Zahlen scheinen zu belegen, dass dieser Weg erfolgreich ist.
Frau Ministerin, vielen Dank für die Beantwortung der Anfrage meines Kollegen. – Wenn ich richtig informiert bin, verlässt jedes Jahr eine sechsstelli ge Zahl von Menschen Deutschland.
Meine Frage lautet: Welche Möglichkeiten sehen Sie, noch genauer in Erfahrung zu bringen, welche Gründe die Men schen haben, Deutschland dauerhaft – nicht nur für ein oder zwei Jahre – zu verlassen?
Welche Möglichkeiten sehen Sie, Fachkräfte zurückzugewin nen oder davon abzuhalten, Deutschland vielleicht wirklich langfristig zu verlassen?
wenn Arbeitnehmer auch ins Ausland gehen und Erfahrungen sammeln. Unser Land ist exportstark. 73 % seines Bruttoin landsprodukts gehen in den Export. Viele Branchen exportie ren weit über 70 %. Deshalb ist es für uns zwingend notwen dig, die internationale Arbeitsteilung erfolgreich weiterentwi ckeln zu können. Daher ist es auch zwingend notwendig, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Ausland tätig sind.
Ich habe es angedeutet: Viele, gerade Hochqualifizierte, ver bleiben nur begrenzte Zeit im Ausland. Das liegt dann, wie ich denke, auch nicht an der Attraktivität der Rahmenbedin gungen bei uns im Land. Natürlich gibt es in dem einen oder anderen Bereich immer wieder Handlungsbedarf; das ist kei ne Frage. Wir haben auch starke Sozialpartner, die sich die sen Themen intensiv widmen.
Derzeit haben wir in Baden-Württemberg die Herausforde rung, dass auch in unserem Land, einem Land mit sehr guten Rahmenbedingungen, viele Unternehmen durch den techno logischen Wandel und die Digitalisierung herausgefordert sind. Sie brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das gestalten können, um im Wettbewerb langfristig zu bestehen. Unser Land ist kein Niedriglohnland, das über Massenpro dukte erfolgreich sein kann, sondern wir sind hier auf Quali tät angewiesen.
Deswegen ist es für uns notwendig, diesen Austausch zu pfle gen und die Rahmenbedingungen weiterhin attraktiv zu ge stalten. Das sehen wir als unsere Aufgabe an.
Vielen Dank, Frau Hoffmeister-Kraut. – Ich mache es konkret: Liegen Ihnen belastbare Zahlen dar über vor, wie viele ausgebildete Ärzte, die die Universität ver lassen, nicht in Deutschland zu arbeiten beginnen?
Speziell zu den Kliniken: Wie viele ausländische Ärzte, die aus dem EU-Ausland bzw. dem weiteren Ausland stammen, arbeiten in Baden-Württemberg in Kliniken? Liegen dazu be lastbare Zahlen vor? Vielleicht bei Herrn Lucha im Sozialmi nisterium? Es könnte ja sein, dass er in Zeiten der Digitalisie rung und der Informationsgesellschaft Zahlen dazu hat.
(Abg. Klaus Dürr AfD: Ich danke Ihnen! – Minister Manfred Lucha: Das sind BWKG-Daten! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Wird schriftlich nach gereicht!)
M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. S t e f a n H e r r e A f D – P r o b l e m e b e i d e r g e s e t z l i c h e n G e w ä h r l e i s t u n g e h e r d i e R e g e l a l s d i e A u s n a h m e ?