Es sind also andere Themen, die wir angehen müssen, die Pro bleme bereiten, wie etwa das heutige Freizeitverhalten der Ju gendlichen; ein spezielles Phänomen des G 8 ist dies nicht.
Wie in jeder Schulart ist daher auch dort entscheidend, was im Unterricht geschieht und wie Schule gestaltet wird. Die Verbesserung der Qualität von Schule und Unterricht an all unseren Schulen hat für die Landesregierung oberste Priori tät. Dies wollen wir nicht durch Strukturdebatten erreichen – die die G-8- und G-9-Debatte aufmachen würde –, sondern über Verbesserungen, die konkret vor Ort wirken: durch bes sere Bedingungen für die Schulleitungen mit mehr Zeit für Unterrichts- und Schulentwicklung, durch bessere Fortbil
dungsangebote für die Lehrerinnen und Lehrer im Land, da mit sie die aktuellen Herausforderungen noch besser meistern können, und durch ein Bildungsmonitoring, das vor Ort un terstützt.
Was die Gymnasien selbst betrifft, sehen wir, die grüne Frak tion, durchaus noch Möglichkeiten, diese in ihren Aufgaben zu unterstützen, beispielsweise durch ein gutes Coaching der Schülerinnen und Schüler oder auch durch qualitätsvolle Ganz tagsangebote.
Entscheidend ist für uns aber auch, dass wir in Baden-Würt temberg unterschiedliche Möglichkeiten bieten, um in acht oder in neun Jahren das Abitur abzulegen: an den allgemein bildenden Gymnasien über das Gymnasium oder die Gemein schaftsschule, an den beruflichen Gymnasien über Werkreal schule, Realschule und Gemeinschaftsschule sowie an den beiden Oberstufen der Gemeinschaftsschulen über Realschu len und Gemeinschaftsschulen. So haben die Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg die unterschiedlichsten Optionen und Wege.
Vor allem den beruflichen Gymnasien kommt dabei eine be sondere Bedeutung zu. Berufliche Gymnasien bieten nämlich nicht nur einen neunjährigen Weg zum Abitur, sondern sie un terbreiten den Schülerinnen und Schülern nochmals ein be sonderes Angebot, indem sie sich bereits in der Oberstufe the matisch spezialisieren können.
Für uns Grüne liegt daher die Zukunft des Gymnasiums in Ba den-Württemberg im achtjährigen Gymnasium. Denn wir wis sen, dass auch hier ein Angebot möglich ist, das auf die Schü lerinnen und Schüler eingeht, das sie nicht überfordert, son dern sie altersgerecht auf das Abitur vorbereitet und ihnen Spaß am Lernen mitgibt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Fragen der Bildung bewegen die Landespolitik, bewegen die Bürger. Bildung betrifft uns alle; die Qualität der Bildung im Land steht im Fokus dieser Landesregierung. Ein Drittel des Landeshaushalts geht in Wis senschaft und Schule. Jeder fünfte Euro fließt direkt in die Bil dung; mehr als 11 Milliarden € stehen im Bildungshaushalt zur Verfügung. Die 117 000 Lehrerinnen und Lehrer stellen die größte Gruppe der Landesbediensteten in Baden-Würt temberg.
Bildung verträgt keine Eindimensionalität, wenn sie die Schü lerinnen und Schüler auf die Pluralität des Lebens vorberei ten soll.
Wir tun immer gut daran, uns zwei grundsätzliche Aussagen ins Gedächtnis zu rufen, wenn es um Bildungspolitik geht. Erstens: Nicht die Schulstruktur entscheidet über die Qualität der Bildung, sondern das, was im Klassenzimmer passiert.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: So ist es! Das ist richtig!)
Zweitens: Ziel ist nicht nur das Abschlusszeugnis, Ziel ist die umfassende und ganzheitliche Bildung des Menschen
und damit verbunden auch die Befähigung des jungen Men schen, eine Ausbildung oder ein Studium aufzunehmen.
Meine Damen und Herren, wenn ich mir Einlassungen aus der Partei der antragstellenden Fraktion anhöre, bin ich eigentlich geneigt, für viele zusätzliche Unterrichtsstunden in den Fä chern Politische Bildung und Geschichte zu plädieren.
(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grünen, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Sabine Wölfle SPD: Sehr gut!)
hat weder von Biologie noch von Geschichte eine Ahnung. Ich denke aber, hier würde sogar ein G 15 nicht ausreichen.
Aber betrachten wir das neunjährige Gymnasium. An 44 Stand orten wird das G 9 derzeit praktiziert, mit großem Zulauf. Ge rade als Mutter von drei mittlerweile erwachsenen G-8-Kin dern verstehe ich die Sorge vieler Eltern, dass den Kindern nicht genügend Raum zur Entfaltung bleibt. Wir erkennen auch den großen Sachverstand und den Einsatz an, mit dem sich z. B. der Philologenverband für die Rückkehr zum neun jährigen Gymnasium starkmacht.
Ich will aber betonen, dass ich das G 8 positiv sehe. Es bleibt nach meinen Erfahrungen genügend Zeit für Hobbys, Ehren amt und Freunde. Ich muss Ihnen auch sagen: Wenn wir Ru fe aus schulischer Praxis und Elternschaft nicht ernst nehmen würden, hätten wir G 8 nicht eingeführt. Wir hatten durch die Kombination aus G 9, Wehrpflicht und altem Studiensystem die ältesten Schulabgänger und Uniabsolventen der OECDStaaten. Konfrontiert mit dieser Konkurrenz kam der Ruf nach G 8 auch aus der Elternschaft.
Über 20 Jahre später haben wir nun G 8, ist die Wehrpflicht ausgesetzt, und die Studienzeiten sind gestrafft.
Das neunjährige Gymnasium wird im Moment als Schulver such geführt, meine Damen und Herren – wie in der Stellung nahme des Kultusministeriums ausgeführt, ohne wissenschaft liche Begleitung. Eine solche ist im Unterschied zum Schul
versuch „Grundschule ohne Noten“ auch gar nicht notwen dig. Wir haben nämlich schon die Erkenntnisse, die wir über die Wirkung dieser Schulart brauchen. Schließlich war G 9 jahrzehntelang der Regelschulbetrieb.
G 9 bietet bei gleichem Bildungsplan mehr schulische Lern zeit und setzt zusätzliche Stunden in Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen voraus. Der Schulversuch G 9 wurde 2017 mit Ministerratsbeschluss um fünf Jahre verlängert. Da ran sollten wir jetzt nicht rütteln. Damit erfüllen wir den Ko alitionsvertrag, der besagt, dass wir an 44 Modellschulen den Schulversuch G 9 unverändert weiterführen wollen. Das ist eine klare Ansage. Es hat auch etwas mit Verlässlichkeit zu tun und damit, Schulen von Reformitis zu entlasten.
Auch die empirische Bildungsforschung sieht keine signifi kanten Unterschiede zwischen G 8 und G 9. Leistungsverglei che in Fächern wie Mathematik, Englisch, Biologie und Phy sik zeigen keine großen Unterschiede, oder diese sind nicht eindeutig auf G 8 bzw. G 9 zurückzuführen. Die Durchschnitts noten im Abitur unterscheiden sich nicht, die Leistungen im Studium auch nicht. Dafür sind die Abiturienten in unserem Land nun im Schnitt zehn Monate jünger.
43 Gymnasien haben nun den Antrag auf Verlängerung des Schulversuchs gestellt – immer mit Beteiligung der schuli schen Gremien, also auch der Elternschaft in der Schulkonfe renz.
Für mich ist klar: Wir haben gut funktionierende achtjährige Gymnasien flächendeckend im ganzen Land. Wir haben 43 Gymnasien, die weiterhin G 9 anbieten wollen; sie werden gut nachgefragt. Mit diesen beiden Möglichkeiten sind wir gut aufgestellt.
Vorab, Herr Kollege Bal zer: Die Jugendgruppen, die Sie hier aufgeführt haben, waren genau die gleichen, die am Wochenende in Bruchsal gegen Sie und Ihren rechtsextremen Freund Höcke demonstriert ha ben. Daher steht es um die Jugend in Baden-Württemberg nicht so schlecht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die anhaltende Debatte um eine mögliche Wiedereinführung von G 9 ist vor allem eines: ein nachhaltiger Beleg dafür, mit wel chem Dilettantismus die G-8-Reform unter CDU und FDP/ DVP in Baden-Württemberg umgesetzt wurde.
Auf den großen Druck der Elternschaft, G 9 wieder zu ermög lichen, hat das SPD-geführte Kultusministerium in der ver gangenen Legislaturperiode mit fünf zentralen Maßnahmen reagiert.
Erstens: eine deutliche Aufstockung der Poolstunden für Gym nasien, um eine bessere Förderung an den G-8-Schulen zu er möglichen und damit die Unterrichtsqualität zu steigern.
Zweitens: die Ermöglichung eines G-9-Modellversuchs, der alle Kreise des Landes abdeckt; das erklärt die Zahl 44. Durch gesetzt wurde dies von der SPD gegen den Widerstand der Grünen.
Beides – Poolstunden und G 9 – war auch Ausdruck der Wert schätzung unserer Partei gegenüber dieser Schulart.
Drittens – das hat Kollegin Boser bereits ausgeführt – wurde der Bildungsplan mit der klaren politischen Vorgabe überar beitet, G 8 erträglicher zu gestalten. Den Erfolg dieser Maß nahme gilt es abzuwarten.
Viertens erfolgte ein deutlicher Ausbau der Klassen an beruf lichen Gymnasien. Auch hier herrschte unter CDU und FDP/ DVP eher Mangelverwaltung statt Gestaltung.
Schließlich erfolgte – fünftens – die Einführung der Gemein schaftsschule als weiterer Weg, in neun Jahren zum Abitur zu gelangen. Die Attraktivität dieser Option zeigt sich schon heu te an den Standorten, insbesondere jenen, die über die Pers pektive einer gymnasialen Oberstufe verfügen.