Meine Damen und Herren, wenn wir über die Zukunft Euro pas diskutieren, darf man nicht ausblenden, dass sich Europa immer wieder auch in schwierigem Fahrwasser befindet. Ist Europa über den Berg? Europa wird erfolgreich sein, aber der europäische Weg bleibt ein schwieriger, mit Aufs und Abs, mit Höhen und Tiefen.
Kollege Professor Schweickert hat es angesprochen: Wir wa ren mit dem Europaausschuss in der Lombardei. Die Entwick lung in Italien muss uns Sorge bereiten.
Ein düpierter Präsident, zwei wetteifernde Populisten und ein großer Scherbenhaufen: Italien erlebt ein beispiello ses Politdrama. Vor allem die Europakritiker erhoffen mit ihrer Blockadehaltung mehr Erfolg.
Ich erwähne auch das Brexit-Debakel in Großbritannien, lie be Kolleginnen und Kollegen. Es ist unvorstellbar, wie plan los die britische Regierung auch heute noch unterwegs ist, wenn es um die Folgen des Brexits geht. Eine Pressemeldung von gestern hatte den Titel „Johnson geht auf Distanz zu May“. Da weiß und will die Rechte nicht mehr, was die Lin ke tut. Es ist ein Chaos. Die allergrößten Verlierer des Brexits sind die Briten selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Da schweigt sogar die AfD!)
Deshalb geht es uns darum, auch in dieser schwierigen Zeit die Probleme nicht auszublenden, aber den Blick nach vorn zu richten. Wenn es jetzt darum geht, den Mehrjährigen Fi nanzrahmen aufzustellen, dann gilt es natürlich auch, Priori täten zu definieren und über den Haushalt die künftigen poli tischen Weichenstellungen vorzunehmen. Die Europäische Union muss auch die nötigen Instrumente in die Hand bekom men. Dabei geht es vor allem ums Geld.
Vor wenigen Tagen hat EU-Haushaltskommissar Günther Oet tinger die Vorschläge der Kommission für den Mehrjährigen Finanzrahmen der Jahre 2021 bis 2027 vorgestellt. Das ist kei ne leichte Aufgabe. Durch den Brexit fehlen der EU jährlich 10 bis 12 Milliarden €. Neue Herausforderungen wollen an gegangen werden und lieb gewonnene Programme weiter be dient werden.
Das kommt nahezu einer Quadratur des Kreises gleich. Zähe Verhandlungen werden die kommenden Monate prägen.
Wichtig erscheint mir dabei: Der Mehrjährige Finanzrahmen darf nicht zum kleinsten gemeinsamen Nenner der EU wer den. Der Mehrjährige Finanzrahmen muss zu Europas Fahr plan in die Zukunft werden. Viele Stationen, die Günther Oet tinger und die Kommission auf diesem Weg vorschlagen, sind auf den ersten Blick richtig, trotz aller noch diskussionswür digen Details. Mehr Mittel für Forschung und Innovation – es ist angeklungen –, für Erasmus+ und den Jugendaustausch, für die innere Sicherheit und gemeinsame Projekte bei der Verteidigung, das sind alles wichtige europäische Zukunfts aufgaben, die die wirtschaftliche Stärke und Sicherheit im Binnenmarkt verbessern, die Menschen im Alltag einander näherbringen und Europa zu einem Fels in der Brandung in ternationaler Krisen machen würden.
Ja, das ist der europäische Mehrwert, von dem Oettinger im mer wieder spricht, und er hat seinen Preis: 1,11 % des Brut tonationaleinkommens statt bisher rund 1 % müssten künftig – so sein Entwurf – in den EU-Haushalt fließen. Zusammen genommen wird es einen ausgewogenen Mix aus klugen Ein sparungen und höheren Mitteln für die Europäische Union ge ben müssen.
Diesen Preis nicht zu bezahlen, wäre jedoch viel teurer – ge rade für unser exportorientiertes Baden-Württemberg. Denn wir profitieren von einer wirtschaftlich starken Europäischen Union. Über die Hälfte unserer Exporte gehen in EU-Staaten. Wenn es Europa gut geht, dann geht es auch Baden-Württem berg gut. Eine starke und einige Europäische Union gibt es eben nicht zum Nulltarif.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, bei dem ich besonders dankbar bin, dass er sich im Entwurf des Haushaltskommissars wiederfindet. Das ist die Verbindung von Kohäsionspolitik, Förderpolitik einerseits und Rechtsstaatlichkeit andererseits. Das war immer unsere Position in Baden-Württemberg. Sie war auch umstritten und ist es länderübergreifend bis heute. Aber wenn man ehrlich ist, muss man feststellen, dass alle anderen Instrumente, die man nach dem Europäischen Vertrag hat, um Rechtsstaatlich keit in anderen Ländern einzufordern, letztlich stumpfe Schwerter sind, weil man am Ende des Tages immer Einstim migkeit braucht. Deshalb müssen wir uns schon Gedanken machen, ob wir den künftigen Mehrjährigen Finanzrahmen in seinen Auswirkungen nicht auch an das Vorliegen rechtsstaat licher Kriterien binden. Neutralität der Justiz, Meinungsfrei heit, Pressefreiheit – das muss für uns zwingendes Fundament europäischer Staaten sein.
Wer das zur Disposition stellt, riskiert die Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union. Das sollten wir nicht tun, und das werden wir nicht akzeptieren, liebe Kolleginnen und Kolle gen.
Es war heute Morgen im Rahmen des Dringlichkeitsantrags schon viel vom Rechtsstaat die Rede. Ich möchte darum bit ten, dass wir diese hohen Anforderungen an einen funktionie renden Rechtsstaat auch dann anlegen, wenn es um Rechts staatlichkeit in anderen europäischen Ländern geht. Das ist zwingend für eine gute Zukunft in Europa. Deshalb ist es rich tig: Wer sich nicht an die Regeln hält, soll auch weniger Geld bekommen.
Am Ende, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind klare Priori täten für die EU aber weniger eine Frage der Finanzen als ei ne Frage der Konzentration auf das Wesentliche.
Das gilt für die Aufgaben eines starken und einigen Europas und erst recht für dessen zentrale Ziele. Denn nur zusammen können die Staaten Europas dauerhaft sichern, was vor 100 Jahren, im Jahr 1918, am Ende des Ersten Weltkriegs, unvor stellbar war: dauerhaft Frieden im Herzen Europas. Das ist die oberste Priorität für Europas Zukunft.
Wie hieß es am Rande des Europaaktionstags letzte Woche in Stuttgart? „Mit jedem Tweet Trumps wird Europa noch wich tiger.“
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Als ich die Rede von Herrn Merz gehört habe, wusste ich, dass ich etwas über Leidenschaft, über Optimismus für Europa sa gen muss. Es gibt eine französische Journalistin, die über das deutsche Verhalten zu Europa sowie über Optimismus und Leidenschaft der Deutschen für Europa Folgendes gesagt hat:
Ich denke, genau das ist manchmal die Stimmung. Diese Stim mung haben Sie, Herr Merz, auch hier erzeugt.
Wir brauchen ein größeres Bewusstsein für Europa. Wir brau chen keinen Defätismus von rechter Seite, sondern wir brau chen Zukunft für Europa.
Ich will ein paar Sätze zur Wichtigkeit Europas oder der EU für Baden-Württemberg sagen. 50 % unserer Waren gehen in die EU. Das heißt, 50 % der Arbeitsplätze bei uns – vielleicht sogar noch mehr – sind vom Export in die EU abhängig.
Hinzu kommt die gute Zusammenarbeit im Forschungsbe reich. Darauf werde ich später noch einmal eingehen.
Wir waren mit dem Europaausschuss in der Lombardei und in Rhône-Alpes, in Lyon. Wir haben dort gespürt, dass wir Partner haben, mit denen wir gemeinsam eine gute Europa politik machen können, mit denen wir auf den Gebieten der Wirtschaft, der Forschung und der Kultur zusammenarbeiten können.
Ich denke, die Gemeinschaft mit Frankreich – – Jetzt will ich etwas auf Macron eingehen. Der Europaminister hat es ja schon gesagt: Man muss nicht allem folgen, was Macron sagt. Aber Macron hat dafür gesorgt, dass Europa wieder in den Mittelpunkt der Politik gerät. Er hat dafür gesorgt, dass Frank reich nicht nach rechts abdriftet. Er hat dafür gesorgt, dass die Menschen wieder eine Perspektive für Europa haben. Das ist ganz wichtig.
Ich hatte in den letzten Jahren den Eindruck: Europa dümpelt dahin. Europa wird aber – das ist ganz wichtig – vor allem mit Emotionen geschaffen werden. Dahinter müssen natürlich die Realität und die Fakten kommen.
Man muss auch auf die Rede von Juncker eingehen. Juncker hat von „Wind in die Segel“ für Europa gesprochen. Wir müs sen nach vorn gehen. Wir müssen dafür sorgen, dass wir bes ser zusammenarbeiten.