Protocol of the Session on May 9, 2018

Meine Damen und Herren – ich darf um etwas Ruhe bitten –, nachdem die Argumente aus getauscht sind und ich keine weiteren Wortmeldungen habe, kommen wir zur Abstimmung über den Antrag, den Antrag der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 16/4024, für dring lich zu erklären. Wer der Dringlicherklärung dieses Antrags zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Geht doch! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das hättet ihr doch viel einfacher haben können!)

Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Dringlicherklärung des Antrags wurde damit einstimmig zugestimmt. Vielen Dank.

Nachdem der Antrag nun für dringlich erklärt worden ist, müs sen wir noch über die Platzierung auf der Tagesordnung ab stimmen. Es ist vorgeschlagen worden, den dringlichen An trag als Tagesordnungspunkt 6 neu mit folgenden Redezeiten aufzunehmen: Begründung fünf Minuten, Aussprache fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten. Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist diesem Vor schlag mehrheitlich zugestimmt. Vielen Dank.

Der dringliche Antrag wird damit heute Nachmittag als neu er Punkt 6 aufgerufen. Die nachfolgenden Tagesordnungs punkte verschieben sich entsprechend.

Wir treten nun in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Für eine starke und einige EU: Klare Prioritäten für Europas Zukunft – beantragt von der Fraktion der CDU

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf die Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu hal ten.

Schließlich darf ich auf § 60 Absatz 4 unserer Geschäftsord nung verweisen, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Aussprache in freier Rede zu führen ist.

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Fraktionsvorsit zenden Dr. Reinhart das Wort.

Frau Präsidentin, ver ehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen beginnt in Münster der Katholikentag mit dem Appell und Leitmotiv „Suche Frieden“. Die Präsidentin hat eben in ihrem Eingangs wort Robert Schuman mit dem Satz zitiert: „Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne europäische Einigung.“ Heute begehen wir in ganz Europa den Europatag, und wir er innern damit an diese berühmte Pariser Rede von Robert Schuman.

Ein weiteres Zitat:

Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen... Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.

So hat Schuman damals die Idee eines wachsenden Europas beschrieben. Und heute, 70 Jahre später, steht fest: Der Plan, den er damals skizziert hat, ist aufgegangen. Die europäische Einigung ist eine welthistorische Erfolgsgeschichte, ein bei spielloses zivilisatorisches Projekt und ein epochales Frie denswerk. Darauf können wir stolz sein, und das dürfen wir niemals preisgeben.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der FDP/DVP)

Europa entstand nämlich ganz im Sinne von Schuman im Konkreten. Es wurde immer wieder verändert, gestaltet, neu justiert. Ein berühmter Satz lautet ja: „Europa ist wie ein Fahr rad: Entweder es bewegt sich vorwärts, oder es fällt um.“ Manchmal muss man vielleicht auch einmal langsamer fah ren oder den Ständer herunterklappen, innehalten, damit es stabil bleibt. Aber Europa hat immer Rückschläge verarbei tet, es hat dazugelernt, und gerade das ist seine Stärke.

An einem solchen Punkt stehen wir aber auch heute wieder. Niemand hat je gesagt, dieses Europa sei ohne Fehler. Der größte Fehler wäre es aber, Europa deshalb abzuschreiben, aufs Spiel zu setzen oder gar zu bekämpfen.

Europa hat gerade jetzt, in diesem Jahr 2018, eine veränderte Bedeutung, andere Aufgaben als 1950. Es muss mehr Verant wortung in der Welt übernehmen. Es muss Antworten geben auf die heutigen großen Weltprobleme wie Migration, Terro rismus und Umweltschutz sowie auch auf die Gestaltung der Digitalisierung.

Nur gemeinsam werden wir künftig noch im Konzert der Gro ßen mitspielen können. Die Frage wird immer sein: Entwi ckelt sich die zukünftige Welt bipolar – nämlich Amerika und Asien – oder tripolar, eben mit Europa zusammen?

Nur gemeinsam können wir unsere politischen und wirtschaft lichen Interessen wahren, aber auch unsere Werte – siehe Ka tholikentag heute – in der Welt vertreten und damit Sicherheit gewährleisten. Nur ein einiges Europa wird in einer zukünf tigen Weltordnung noch eine gewichtige Rolle spielen kön nen – eben zwischen Amerika und Asien.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der FDP/DVP)

Mit 450 Millionen Menschen ist Europa immer noch die größ te Handelsmacht der Erde und bleibt ein globaler Faktor. 27 Nationalstaaten sind ansonsten oft Kleinstaaterei, und gerade Baden-Württemberg als Exportland Nummer 1 profitiert von Europa besonders – auch heute.

Wir brauchen aber Europa auch für den Schutz unserer Gren zen. Deshalb müssen wir Frontex stärken. Wir brauchen Eu ropa für unsere Verteidigung. Wir brauchen es darüber hinaus für den Kampf für den Freihandel. Heute Morgen haben wir gehört: wieder kritische Entscheidungen auch der amerikani schen Regierung. Gerade deshalb muss Europa zusammen stehen.

Daher: Nationale Egoismen sind keine Lösung. Bei uns in der Union hieß es immer: Unsere Zukunft heißt Europa.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der FDP/DVP)

Keine Frage: Europa ist Work in Progress, eine ständige Bau stelle, eine laufende Evolutionsgeschichte. Am „Haus Euro pa“, wie es Helmut Kohl immer genannt hat, muss man stän dig arbeiten. Das heißt, wir müssen auch die Webfehler der Währungsunion beheben und die Eurozone und den europäi schen Wirtschaftsraum weiter stabilisieren. Wir brauchen ei nen schlagkräftigen europäischen Währungsfonds, damit Eu ropa handlungsfähiger und krisenfester wird. Das hat auch die Kanzlerin dieser Tage betont. Was wir aber nicht brauchen, ist die Vergemeinschaftung von Schulden. Klar muss sein: Haf tung und Risiko gehören zusammen – auch in Europa.

(Abg. Anton Baron AfD: Sie wissen doch selbst, dass sie kommt, die Einlagensicherung!)

Nein, Herr Kollege. Wir wollen ein Europa der klaren Ver antwortlichkeiten und nicht die Auflösung von Verantwortung. Sie sind ja gegen Europa.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Anton Ba ron AfD: Das stimmt doch nicht! – Abg. Bernd Gö gel AfD: Ein absoluter Quatsch!)

Das ist das Problem, und das ist nicht in unserem Interesse. Wir wollen ein Europa, das die regionalen und nationalen Be sonderheiten respektiert. Wir haben immer gesagt: ein Euro pa der Regionen, ein Europa der Subsidiarität. Deshalb weh ren wir uns auch, wenn Brüssel unsere Volksbanken oder Sparkassen in ein einheitliches Haftungssystem zwingen will.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Auch der neue Mehrjährige Finanzrahmen muss die Prioritä ten für eine starke, einige, handlungsfähige und zeitgemäße Europäische Union klar abbilden. Dazu wird der Kollege Köß ler nachher noch Stellung nehmen.

Ich will hier für unsere Fraktion klar sagen: Wir bekennen uns zu einem aufgewerteten EU-Haushalt, der Wettbewerbsfähig keit, Wachstum und Beschäftigung in ganz Europa fördert

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

und Europa die Ressourcen gibt, die es für seine künftigen Aufgaben braucht.

Wir haben mit Günther Oettinger, dem Kommissar, erst vor wenigen Wochen hier eine Veranstaltung gemacht.

(Lachen bei der AfD)

Ich will schon deutlich sagen: Uns liegt am Herzen, was Ade nauer begonnen und Helmut Kohl fortgeführt hat und was heute Angela Merkel vertritt.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Uns ist wichtig, auch in Erinnerung an unsere Gründer: Zwei Erzengel standen am Tor von Europa, nämlich der Erzengel der Freiheit – „Nie wieder Knechtschaft!“ – und der Erzengel des Friedens – „Nie wieder Krieg!“.

Darum muss es gerade an einem Tag wie heute gehen. Dafür werden wir immer kämpfen.

(Beifall bei der CDU, den Grünen und der SPD – Zu ruf von der AfD: Halleluja!)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Erhalten, was unser höchstes gemein sames Gut ist:

(Zuruf von der AfD: Freiheit!)

der Friede. Sichern, was uns ausmacht: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Stärken, was uns zusammenhält: Fair ness und Solidarität. Voranbringen, was wir nur gemeinsam erreichen können: Klimaschutz. Garantieren, was wir alle brauchen: Sicherheit. Fördern, was vor Ort am besten gelingt: der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern. Finanzieren, was es uns wert ist: Europa.

Meiner Fraktion liegt die Zukunft der Europäischen Union am Herzen. Ich kann nahtlos an das anschließen, was Kollege Reinhart gesagt hat: Europa, die Europäische Union, ist un sere Zukunft.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Andreas Kenner SPD – Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP)

Seit über 70 Jahren leben wir in Deutschland in Frieden und Freiheit. Kaum ein anderes Land innerhalb der Europäischen Union hat in den letzten Jahrzehnten wirtschaftlich und finan ziell so stark von der europäischen Einigung profitiert wie Deutschland.

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist ein Gerücht!)