Protocol of the Session on April 11, 2018

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hat unser Demografiebeauftragter Thaddäus Kunzmann die aktuellen Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung in BadenWürttemberg dargelegt. Die Daten unterstreichen einmal mehr, dass uns der demografische Wandel in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen stellt. Wir sind diesen Heraus forderungen nicht chancenlos ausgeliefert, sondern haben die Möglichkeit, diesen Wandel aktiv zu gestalten und somit den Grundstein zu legen, dass es auch in Zukunft in Baden-Württem berg generationengerecht zugeht.

Für parteipolitisches Klein-Klein ist diese Thematik schon deshalb ungeeignet, weil sie über diese Legislaturperiode hi nausreicht und konkrete Lösungen statt ideologischer Diskus sionen erfordert.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Von „A“ wie Arztmangel im ländlichen Raum bis „Z“ wie Zugverbindungen geht es um zahlreiche Belange in unserem Alltagsbereich. Außer Frage steht, dass sich unsere Gesell schaft unter dem Eindruck des demografischen Wandels ver ändern wird. Wir, geehrte Kolleginnen und Kollegen, sind in der Pflicht, diesen Wandel aktiv zu gestalten. Das bedeutet, immer wieder aufs Neue zu überprüfen, welche Folgen unse re Politik von heute für die Gesellschaft von morgen hat und welche Politik die Gesellschaft von morgen schon heute braucht. So verstanden, muss Demografiepolitik Zusammenhalt in un serer Gesellschaft organisieren – auch denen, die heute noch nicht geboren sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich an hand von einigen Zahlen noch einmal deutlich machen, vor welcher Ausgangslage wir stehen. Baden-Württemberg ist das Bundesland, das seit der Gründung der Bundesrepublik Deutsch land den stärksten Zuzug erlebte. Die Bevölkerungszahl in un serem Land ist seither um 62 % gewachsen. Die Bevölkerung in unserem Land ist deshalb auch die jüngste unter allen Flä chenländern. Die Menschen hier im Land sind mit einem Durchschnittsalter von 43 Jahren die jüngsten im Bundes schnitt.

Zudem ist zu beachten, dass 68 % der baden-württember gischen Wirtschaftskraft im ländlichen Raum generiert wer den.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Dabei beklagt der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag bereits heute einen ganz erheblichen Fach kräftemangel. So belegt der Fachkräftemonitor, dass den Un ternehmen im Land bereits aktuell über 300 000 Fachkräfte fehlen. Bis zum Jahr 2030 wird diese Lücke voraussichtlich auf mehr als 520 000 Fachkräfte anwachsen.

Schließlich ist zu beachten, dass die Zahl der pflegebedürf tigen Menschen im Land von gut 210 000 im Jahr 1999 auf gut 330 000 im Jahr 2015 gestiegen ist. 72 % dieser Menschen werden in Baden-Württemberg zu Hause versorgt. Bis zum Jahr 2030 wird es voraussichtlich über 400 000 Pflegebedürf tige im Land geben.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Teufel, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abg. Räpple zu?

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Gleichzeitig müssen wir auch davon ausgehen, dass die Pfle ge künftig immer weniger durch Familienangehörige vor Ort geleistet werden kann. Um angesichts dessen zu vermeiden, dass Alte gegen Junge, Stadt gegen Land oder Erwerbstätige gegen Erwerbslose ausgespielt werden, bedarf es eines Bün dels zielgerichteter Maßnahmen.

(Beifall bei der CDU)

Dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen die betroffenen Ressorts im Land, aber auch im Bund koordinie rend zusammenwirken. Es geht auf eine Initiative der CDULandtagsfraktion zurück, dass erstmals in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg ein Landes-Demografiebeauftrag ter eingesetzt wurde. Wir sind froh und dankbar, dass Thad däus Kunzmann diese Aufgabe so erfolgreich wahrnimmt.

(Beifall bei der CDU – Zurufe: Sehr gut!)

Geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der Berufung eines Landes-Demografiebeauftragten ist es noch nicht getan. Die Umsetzung konkreter Maßnahmen obliegt dem Parlament, der Landesregierung und nicht zuletzt den Akteuren vor Ort.

Lassen Sie mich deshalb nur noch einige Handlungsfelder konkret benennen, die der CDU-Landtagsfraktion zentral er scheinen. An vorderster Stelle steht für uns die Notwendig keit, auch die ländlichen Räume im Land Baden-Württemberg lebenswert zu erhalten.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Abg. Nicole Razavi CDU: Sehr gut! – Zu ruf des Abg. Anton Baron AfD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu genügt es nicht, bloß dem Wegzug Jüngerer entgegenzuwirken. Viel mehr muss es auch darum gehen, dass sich wieder mehr jun ge Menschen im ländlichen Raum niederlassen.

(Beifall bei der CDU)

Damit beides gelingt, bedarf es insbesondere zeitgemäßer Wohn- und Arbeitsbedingungen auch in den ländlichen Regi onen. Dazu brauchen wir schnelles Internet. Wir brauchen um fassende Betreuungs-, aber auch Bildungsangebote. Wir brau chen eine gute, hochwertige medizinische und pflegerische Versorgung.

(Abg. Anton Baron AfD: Ach, das ist ja interessant!)

Dazu brauchen wir auch innovative Mobilitätskonzepte. Wir brauchen neue Impulse im Ehrenamt. Wir brauchen aber auch den Zuzug qualifizierter Menschen.

Das Land tut viel dafür, die zuständigen Akteure bei der Be wältigung dieser wichtigen Aufgabe zu unterstützen.

(Abg. Anton Baron AfD: Krankenhäuser schließen!)

So möchte ich zunächst an die Vereinbarung aus dem grünschwarzen Koalitionsvertrag erinnern, nach der die Gemein den, die vom demografischen Wandel besonders betroffen sind, mit einer Regionalstrategie „Daseinsvorsorge“ bei ihren Planungen finanziell unterstützt werden sollen.

(Beifall des Abg. Winfried Mack CDU)

Wir, die CDU-Landtagsfraktion, fordern ein, dass diese Pas sage auch umgesetzt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen den Demografiebonus für Kommunen mit stark rückläufigen Bevölkerungszahlen bis zu zehn Jahre lang auch über die Schlüsselzuweisungen finanziell geregelt haben.

Hinsichtlich der Breitbandversorgung können wir feststellen, dass sich Baden-Württemberg auch stetig verbessert. Darauf können und müssen wir aufbauen. Deshalb begrüßen wir aus drücklich die vom Innenminister ins Leben gerufene GigabitAllianz.

Nun möchte ich noch ein Thema ansprechen, das uns, die CDU-Fraktion, umtreibt und auch von den Menschen vor Ort mit besonderer Sensibilität wahrgenommen wird: Ich rede von der medizinischen, aber auch von der pflegerischen Versor gung im Land. So haben wir bereits im Jahr 2010 mit der da maligen Sozialministerin das Landärzteprogramm ins Leben gerufen. Das Landärzteprogramm trägt dazu bei, dass vor allem in unterversorgten Gebieten Möglichkeiten existieren, wieder einen Landarztsitz zu belegen. Dieses Modell war er folgreich, und unsere Fraktion fordert, dass dieses Modell auch weiter ausgebaut wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Darüber hinaus war es für unsere Fraktion ein Hauptanliegen, dass das Land Baden-Württemberg ein Stipendienmodell für junge Mediziner auf den Weg bringt,

(Abg. Winfried Mack CDU: Sehr gut!)

die sich dazu verpflichten, nach Abschluss des Medizinstudi ums in ein unterversorgtes Gebiet zu gehen. Auch dies hat die Landesregierung umgesetzt, und wir sind dem Sozialminister dankbar, dass er dieses Programm jetzt auch zum Laufen bringt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Winfried Mack CDU: Sehr gut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Zusammen hang darf ein Blick auf die Pflege im Land Baden-Württem berg nicht unterbleiben. Die CDU-Landtagsfraktion hat in der letzten Legislaturperiode die Enquetekommission „Pflege“ initi iert. Wir fordern von unserer Fraktion aus, dass die Handlungs empfehlungen dieser Kommission in dieser Legislaturperio de Schritt für Schritt angegangen und umgesetzt werden.

Zudem begrüßen wir die auf Bundesebene angekündigte Ini tiative, die Tarifbindung in der Altenpflege zu stärken.

Jedoch werden diese Maßnahmen nicht ausreichen. Die Per sonalsituation im Gesundheitswesen ist prekär. Ich bin zutiefst

davon überzeugt: Wir müssen im Landesparlament auch da rüber diskutieren, ob es nicht sinnvoll ist, ein verpflichtendes gesellschaftliches Jahr von Jungen und Frauen und Migranten in der Bundesrepublik einzuführen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Winfried Mack CDU: Sehr gut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies kann auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft un terstützen und ausbauen.

Die CDU-Landtagsfraktion dankt dem Landes-Demografie beauftragten Thaddäus Kunzmann für seine hervorragende Arbeit. Sie gibt uns Anlass und Gelegenheit, dieses Thema in der heutigen Aktuellen Debatte aufzugreifen und damit das Bewusstsein weiterhin zu schärfen. Alles Gute und Glück auf!

(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der Grünen so wie der Abg. Gernot Gruber und Andreas Kenner SPD)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich Frau Abg. Seemann das Wort.

Frau Präsidentin, sehr ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank an die CDU für diese Aktuelle Debatte. Wie wir den demografischen Wandel gestalten, ist eines der großen Zukunftsthemen und entscheidet darüber, wie sich unser aller Leben und unsere Gesellschaft weiterentwickeln.

Fakt ist: Der demografische Wandel ist eine nicht aufhaltbare Entwicklung, die uns in allen Lebensbereichen berührt. Er prägt jeden Aspekt unseres Zusammenlebens. Der demogra fische Wandel betrifft uns alle und doch alle ganz unterschied lich – je nachdem, wo wir leben, wie alt wir sind, welches Ge schlecht wir haben, in welcher familiären Situation wir auf wachsen, womit wir unser Geld verdienen und, und, und.

Wir alle werden diese Entwicklung jeweils anders erleben und in unterschiedlichen Formen damit umgehen müssen. Gerade deshalb gilt: Diese Querschnittsaufgabe kann nur gemeinsam gelöst und bewältigt werden.