Protocol of the Session on April 11, 2018

Ich möchte noch einmal Kazuo Ishiguro, den Nobelpreisträ ger, zitieren, der sagt:

Für mich besteht der Kern der Geschichte darin, dass sie Gefühle mitteilt. Dass sie anspricht, was uns Menschen über alle Grenzen und Unterschiede hinweg eint.... Am Ende aber handeln Geschichten immer davon, dass ein Mensch zum anderen sagt: So empfinde ich das. Verstehst du, was ich sage? Empfindest du genauso?

Meine Damen und Herren, für die Kulturpolitik unseres Lan des bedeuten diese Überlegungen zur Veränderung und zum Zusammenhalt, dass wir sofort konkrete Förderinstrumente schaffen und längerfristig planen. Wir werden in den nächsten beiden Jahren eine neue Förderlinie auflegen, die sich spezi ell mit den Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts be schäftigt. Darüber hinaus beginnen wir im Juni, lieber Herr Rivoir, mit der Debatte um eine Kulturpolitik für die Zukunft. Als Ergebnis werden die neuen Leitlinien für die Kulturför derung vorgelegt. Dabei spielt auch die Frage nach dem Zu sammenhalt eine Rolle.

Aber bleiben wir zunächst bei dem aktuellen Programm. Ich danke dem Landtag, dass er uns die Möglichkeit gibt, in den Jahren 2018 und 2019 über unsere normalen Förderlinien in den Bereichen Innovationsfonds, Interkultur, kulturelle Bil dung ein Sonderbudget für Kulturprojekte zum gesellschaft lichen Zusammenhalt in Höhe von 4 Millionen € zur Verfü gung zu stellen. Mit diesem Budget werden Kulturprojekte gefördert, die verstärkt die Zivilgesellschaft beteiligen, u. a. Projektmittel in Höhe von rund 2 Millionen € für eine neue Programmausschreibung zur Förderung von künstlerischen und kulturellen Projekten im Kontext „Gesellschaftlicher Zu sammenhalt“. Hier fördern wir in den nächsten zwei Jahren Kunstprojekte, die mit dialogorientierten und partizipativen Formen arbeiten, die neue Kooperationsformen jenseits der etablierten Kulturräume erproben.

(Beifall bei den Grünen)

Mit einem Sonderbudget von 1 Million € stärken wir zudem ein weiteres Mal die Kultur im ländlichen Raum, in diesem Fall Vermittlungsprojekte der regionalen ländlichen Freilicht museen. So ergänzen wir die umfangreiche Programmförder

linie im ländlichen Raum, unser Engagement zusammen mit der Bundeskulturstiftung auf der Schwäbischen Alb TRAFO und unseren großen Einsatz für die Musikvereine und die Amateurmusik.

Ein weiterer Baustein wird die Begleitung des Linden-Muse ums hin zu einem Weltmuseum sein. Darüber hinaus haben wir mit dem Sonderbudget auch im Bereich Wissensvermitt lung Projekte, die wir fördern wollen. Wir beteiligen uns am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung über eine Kooperation mit dem Mannheimer Zentrum für Eu ropäische Sozialforschung, und wir unterstützen die Arbeit des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg – gerade jetzt, anlässlich des Jahrestags 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs.

Meine Damen und Herren, ich danke dem Landtag für die Zurverfügungstellung der Mittel, und ich danke der grünen Fraktion, dass dieses Thema hier heute Raum gefunden hat.

Gesellschaftlicher Zusammenhalt, meine Damen und Herren, bedeutet nicht, dass wir keine Konflikte austragen. Zusam menhalt bedeutet, dass sich die Gesellschaft einen verbind lichen Rahmen gibt, innerhalb dessen sie ihre Konflikte auf demokratischem Weg vorwärtsgewandt austragen kann, ohne dass dadurch das ganze Gefüge Gefahr läuft, infrage gestellt zu werden. Dazu brauchen wir Zusammenhalt; dazu brauchen wir also eine aufgeklärte, eine offene Gesellschaft, die ihre Verantwortung erkennt und die die politischen und kulturel len Bedingungen für die nächste Generation schafft.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen – Beifall bei der CDU und Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Ga briele Reich-Gutjahr FDP/DVP)

In der zweiten Runde habe ich keine Wortmeldungen der Fraktionen; es hat sich nur noch ei ne Person zu Wort gemeldet, die allerdings keine Redezeit mehr hat.

Deshalb erteile ich nun das Wort Herrn Abg. Dr. Fiechtner.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren!

Ziel der Kunst ist es einfach, eine Stimmung zu erzeugen.

Oscar Wilde fasst mit diesem einfachen Satz zusammen, was Kunst im eigentlichen Sinn bedeutet. Ein Kunstwerk ist nicht automatisch für jeden als solches ersichtlich. Das musste auch Michel Abdollahi schmerzhaft feststellen. Dennoch erfüllt Kunst eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft. Sie soll uns erheitern, faszinieren, aber auch wachrütteln.

Gerade wegen Letzterem ist die Freiheit der Kunst so wich tig. Deutschland hat, wenn wir an das Dritte Reich denken, eine besondere Verantwortung im Umgang mit Kunst. Denn alles, was nicht ins NS-Regime passte, galt als entartete Kunst.

Das Verbot von Kunst – in der heutigen Zeit undenkbar, sollte man meinen. Doch nur wenige Meter von hier, in der Ker schensteinerschule, hätte sich diese Tragödie beinahe wieder holt. Für eine bevorstehende Modenschau entwarf eine be

freundete Jüdin ein Kleidungsstück. Dieses bestand zum ei nen aus einer KZ-Gefängnisuniform inklusive KZ-Nummer und Judenstern, und mit der anderen Hälfte wurde die Uni form der Zahal, der IDF, der israelischen Armee stilisiert. Auf ihrer Tasche prangten die Lettern „Never Again“. In ihrem Werk hat sie es geschafft, die Verfolgung und die Unterdrü ckung der Juden mit dem Stolz und dem Widerstand zu ver einen. Sie hat eine klare Botschaft geschaffen: Nie wieder An tisemitismus!

Doch mehrere Lehrer versuchten, die Rektorin dazu zu brin gen, das Thema für die Modenschau abzusagen –

(Zuruf: Sehr gut!)

es sei zu provokativ. So wurde aus einem eigentlich positiven Bericht des israelischen Fernsehens ein zehnminütiger Ver riss, den Hunderttausende zu sehen bekamen.

Im Vorfeld hatte ich bereits mit der Rektorin und dem Kultus ministerium gesprochen, und ich bin froh, dass die Schülerin nun weiter ihr geplantes Kunstwerk tragen darf.

Allein diese Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns tagtäglich für die Freiheit der Kunst einsetzen, auch wenn sie manchmal wehtut.

Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Gedeon.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Prima! Mein Beileid! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Jetzt kommt der Höhepunkt von Kunst und Kultur!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Grünen beziehen sich auf die 68er-Bewegung. Ich habe diese Bewegung von Anfang an in tensiv mitgemacht und kann daher auch kompetent hierüber reden.

Es ging damals nicht um Multikulti; überhaupt war Kultur nicht der entscheidende Ansatz. Das war erst Thema in der grünen Partei Ende der Achtzigerjahre. Es ging uns vor allem um internationale Solidarität. Das ist etwas ganz anderes; das ist ein politischer Begriff, eine politische Forderung. Diese Forderung richtete sich vor allem gegen wen? Richtig, gegen den amerikanischen Imperialismus. „Kambodscha, Laos, Viet nam – Haut’s den Imperialismus zam!“ Das waren unsere Pa rolen. An die sollten wir anknüpfen. Die sind positiv. Das ist heute wichtiger denn je, wichtiger als damals.

Was den Zusammenhalt der Gesellschaft anlangt, meine Da men und Herren, so hat die 68er-Bewegung nichts dazu bei getragen. Sie hat nicht nur nichts dazu beigetragen, im Ge genteil, sie hat die Gesellschaft – das ist eine Selbstkritik an die, die da mitgemacht haben, also auch an mich – unnötig gespalten. Das ist ein Ergebnis, das wir überwinden müssen.

Man hat das nicht nur in der Tat gemacht, man hat auch sol che Begriffe wie „Klassenhass“ wieder aus der Mottenkiste herausgeholt und kultiviert. Dieser Klassenhass wurde weiter kultiviert, gerade von der linksextremen Bewegung. Es ist heute nicht mehr der Hass gegen die Bourgeoisie, es ist der Hass gegen die Deutschen. Die Säulenheiligen von den Grü nen – Roth etc. – liefen mit Parolen herum wie „Nie wieder

Deutschland!“ oder „Deutschland verrecke!“ Das waren ihre Parolen noch zur Zeit der Wiedervereinigung.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht! Wann hat Frau Roth das gesagt?)

Dieser Klassenhass prägt die ganzen Stellungnahmen der Linksextremisten. Das Hassproblem ist im Wesentlichen ein Problem der Linken gegen die Rechten und nicht umgekehrt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Rüdiger Klos AfD: Genau so ist es!)

Es ist ganz schlimm, wenn die Kunst glaubt, auch hier noch einfallen zu müssen, wenn sie glaubt, aus ihren Opernhäusern heraus singen zu müssen und AfD-Veranstaltungen zu stören. Meine Damen und Herren, dieser universale politische Mis sionarismus ist auch ein unseliges Erbe der 68er-Bewegung. Den müssen wir überwinden. Das ist nicht die Aufgabe der Kunst. Die Kunst muss an die großen archaischen Traditionen der Menschheit anknüpfen und sich nicht vordergründig po litisch in irgendwelchen Fragen positionieren.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wenn sie das tut, verfehlt sie ihre Aufgabe. Dann ist sie auch politisch und von uns, dem Parlament, aus nicht mehr weiter zu unterstützen.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 1 unserer Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Debatte – Gemeinsam den demografischen Wan del gestalten – Für eine generationengerechte Zukunft Ba den-Württembergs – beantragt von der Fraktion der CDU

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuelle Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. Da rauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Frak tion zur Verfügung.

(Unruhe)

Ich darf hier um etwas Ruhe bitten. – Ich darf die Mitglie der der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorge gebenen Redezeitrahmen zu halten.

Auch hier gilt natürlich § 60 Absatz 4 unserer Geschäftsord nung, wonach im Rahmen der Aktuellen Debatte die Ausspra che in freier Rede zu führen ist.

Für die CDU-Fraktion erteile ich nun das Wort Herrn Abg. Teufel.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gute Wahl!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hat unser Demografiebeauftragter Thaddäus Kunzmann die aktuellen Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung in BadenWürttemberg dargelegt. Die Daten unterstreichen einmal mehr, dass uns der demografische Wandel in den nächsten Jahren vor große Herausforderungen stellt. Wir sind diesen Heraus forderungen nicht chancenlos ausgeliefert, sondern haben die Möglichkeit, diesen Wandel aktiv zu gestalten und somit den Grundstein zu legen, dass es auch in Zukunft in Baden-Württem berg generationengerecht zugeht.