Wie die Landesregierung versprochen hat, ist eine interfrak tionelle Arbeitsgruppe eingesetzt worden. Sie hat auch schon zweimal getagt. Die bisherigen Beratungen lassen vermuten, dass man sich bei der Berechnung einer möglichen Schulden aufnahme im Falle von Konjunktureinbrüchen und Katastro phen auf das EU-Verfahren einigen wird. Das ist sinnvoll, weil auch der Stabilitätsrat zur Überwachung der Schuldenbrem se nach diesem Modell arbeitet.
Das EU-Modell definiert allerdings nur einen Teil der Mehr einnahmen als konjunkturell und produziert somit tendenzi ell eine geringere Tilgungsverpflichtung, aber auch eine ge ringere Kreditaufnahmemöglichkeit. Bei Mehreinnahmen steht also immer mehr frei verfügbares Geld zur Disposition, das man entweder investieren oder auch – ich betone das – zur Schuldentilgung verwenden könnte. So werden der Regierung durch das Einführen des EU-Modells trotz der Schuldenbrem se keine Fesseln angelegt. Das Geld müsste nicht zwingend für den Abbau der Kreditmarktschulden eingesetzt werden.
Nachdem wir jahrelang ziemlich ungeniert auf allen Ebenen unseres Staates Schulden aufgetürmt haben, ist nun doch ein Mentalitätswandel bei allen Parteien und Fraktionen festzu stellen. Das Wort „Schuldenbremse“ ist nicht nur im Grund gesetz verankert worden, sondern ist mittlerweile – so kann man hoffen – im Bewusstsein aller verantwortlichen Politi ker.
Trotzdem muss man sich hier gegen reflexhaftes Regierungs handeln wehren, sich möglichst viel finanziellen Spielraum zu erarbeiten.
Noch ein paar kurze Anmerkungen zu der Frage: Reichen die Investitionen aus, um in Zukunft das Landesvermögen zu er halten?
Zu den Landesliegenschaften: Der bei der Vermögensaufstel lung berechnete Wert beträgt ca. 41 Milliarden €, der Versi cherungswert 25 Milliarden €. Daraus resultiert ein Mittelbe darf von jährlich 850 Millionen €. In den Haushalt sind 700 Millionen € eingestellt. Es mag sein, dass wir mit Ausga beresten und vielleicht Zuweisungen von Bund, EU und Kom munen über den horizontalen Finanzausgleich 1 Milliarde € erreichen. Das wäre dann auch die rechnerische Investition, die wir für das nächste Jahr brauchen.
Das Gleiche gilt cum grano salis, kann man sagen, vielleicht auch für die Landesstraßen. Da allerdings in den Jahren seit 2002 immer eine Investitionslücke bestanden hat, wird es si cher viele Jahre sprudelnder Steuereinnahmen, aber auch Aus gabendisziplin bedürfen, um zu verhindern, dass das Landes vermögen weiter abnimmt.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Dies steht dann natürlich in Widerspruch zu der vorhin angeführten Schulden bremse. Einen guten Mittelweg zu finden ist hier unsere Auf gabe.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos])
Sehr geehrter Herr Prä sident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es mu tet ja einigermaßen befremdlich an, dass wir heute, am 11. April 2018, eine Drucksache besprechen, die vom 8. No vember 2016 datiert.
(Abg. Andreas Stoch SPD: Da können wir ja nichts dafür, oder? – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Zuruf von der AfD)
So sind nicht nur die Zahlen, die sich noch auf den Regie rungsentwurf 2017 beziehen, lange überholt. Auch die Kritik der SPD an der Verordnung zu § 18 der Landeshaushaltsord nung wurde schon mehrfach hier im Saal – u. a. am 9. No vember des vergangenen Jahres – und im Finanzausschuss be sprochen.
Trotzdem werfe auch ich einen kurzen Blick zurück – dieser wird allerdings ein bisschen anders aussehen als der von Ih nen, Herr Abg. Hofelich –,
Im Rahmen des § 18 der Landeshaushaltsordnung konnte in den beschlossenen Haushalten 2017 und 2018/2019 viel er reicht werden. 2017 lag die Tilgungsverpflichtung mit Ab schluss des parlamentarischen Verfahrens bei 411 Millionen €. 10 % dieser Mittel gingen an die Kommunen für Schul- und Brückensanierungen. Die entsprechenden Verwaltungsvor schriften für die Förderung liegen vor. Darüber hinaus wur den Ersatzbeschaffungen im Schienennahverkehr gefördert. Die restlichen Mittel wurden für die Sanierung von Hochbau und Straße und die Vermeidung der bilanziellen Überschul dung der NECKARPRI eingesetzt.
Für 2018 und 2019 lag die Tilgungsverpflichtung insgesamt bei 3,8 Milliarden €. Auch da gilt wieder: 10 % fließen an die Kommunen – das hat die SPD immer kritisiert, aber sie konterkariert damit ihre eigenen Aussagen zur Kommunal freundlichkeit. Zusätzlich 50 Millionen € wurden für den Schienennahverkehr veranschlagt. 1,65 Milliarden € fließen in die Sanierung. 400 Millionen € davon kommen den Uni versitätsklinika zugute. Mit 0,9 Milliarden € werden die noch vorhandenen Nettokreditermächtigungen abgelöst. Auch die NECKARPRI wird mit 94 Millionen € weiter unterstützt. In Höhe von 0,5 Milliarden € werden Altschulden getilgt, und schließlich fließen 120 Millionen € zusätzlich in den Versor gungsfonds.
Das ist eine exzellente Bilanz. Mit diesen Maßnahmen entlasten wir zukünftige Haushalte maßgeblich. Wir haben vermie den, in guten Zeiten strukturelle Ausgaben aufzubauen, und wir haben gleichzeitig die Lasten der Zukunft reduziert.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, der Haus haltsgesetzgeber hat mit diesen Haushalten einen enormen Im puls für die öffentlichen Investitionen beschlossen. Sie haben uns, wie auch in den beiden Drucksachen, die hier behandelt werden, beständig dafür kritisiert, dass wir die impliziten Schulden mit ins Auge gefasst haben. Eines ist aber klar: Da
mit haben wir den Weg für deutlich ausgeweitete Investiti onen erst freigemacht und nicht, wie Sie das suggerieren, ver sperrt.
Im Doppelhaushalt 2018/2019 haben wir für Unterhalt, Sa nierung und Neubau der Landesliegenschaften Ausgaben von über 1,4 Milliarden € veranschlagt. Für die Erhaltung sowie den Aus- und Neubau der Landesstraßen stehen 257 Millio nen € bereit. Mit den in die Rücklagen eingestellten Mitteln stehen rund 2,9 Milliarden € für die Landesliegenschaften und die Landesstraßen bereit. Hinzu kommen Ausgabereste aus dem Jahr 2017, die allerdings in ihrer abschließenden Höhe noch nicht feststehen. Die Bruttoinvestitionen dürften damit je nach Abfluss der Mittel bereits in der von Ihnen, liebe Kol leginnen und Kollegen von der SPD, geforderten Größenord nung von 2,7 Milliarden € für 2018 und 2019 liegen.
Im Hinblick auf den grundständigen Mittelbedarf kalkuliert die Landesregierung im Übrigen investitionsfreundlicher als Sie. Wir gehen von einem Sanierungsbedarf von jährlich rund 1 Milliarde € für Gebäude und Straßen des Landes aus. Man kann es nicht oft genug sagen: Die Sanierung ist für uns so wichtig, weil dadurch nicht nur der Zustand der Landeslie genschaften und der Landesstraßen verbessert wird, sondern auch zukünftige Belastungen des Landeshaushalts vermindert werden.
Außerdem – das ist in der Fachwelt klar – besteht weitgehen de Einigkeit darüber, dass die Wachstumseffekte von Sanie rungsinvestitionen mindestens so hoch sind wie die Wachs tumseffekte von Erweiterungsinvestitionen. Davon profitiert nicht zuletzt auch der Landeshaushalt über steigende Steuer einnahmen.
Mit Ihrem Gesetzentwurf und nun mit Ihren Investitionsfor derungen haben Sie einen 180-Grad-Schwenk hingelegt. Erst kritisieren Sie, dass nicht noch mehr getilgt wird, und dann, dass nicht noch mehr investiert wird. Nicht unsere Buchfüh rung ist kreativ, sondern Ihre Oppositionsarbeit.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Kreativ ja! Da stimmen wir zu! – Abg. Andreas Stoch SPD: Da stimmen wir zu!)
Mit dieser Aussage war die Oppositionsarbeit der SPD ge meint. – Doch genug der Vergangenheitsbewältigung: Lassen Sie uns diese Drucksache zum Anlass nehmen, nach vorn zu schauen. Das haben auch meine Vorrednerinnen und Vorred ner schon getan. Ab 2020 gilt die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse, und wir haben bereits vor der vom Grund gesetz vorgegebenen Zeit gezeigt, wie ernst wir diese nehmen. Seit dem Jahr 2015 nehmen wir bereits keine neuen Schulden auf. Wir steuern also sicher und verlässlich auf die Schulden bremse zu.
Erfreulicherweise sind sich alle Fraktionen einig, dafür auch eine Regelung in der Landesverfassung treffen zu wollen. Ich bin dankbar, dass sich Vertreterinnen und Vertreter aller Frak tionen in bislang zwei Terminen intensiv mit dieser Frage aus einandergesetzt haben. Die Eckpunkte für die zukünftige Re gelung sind Konsens.
Rechnungshofpräsident Benz hat die Eckpunkte auch in sei ner Rede am 28. Februar hier im Saal genannt: erstens das grundsätzliche Verbot, neue Schulden zu machen, zweitens eine symmetrische Konjunkturkomponente, drittens eine Re gelung für Naturkatastrophen und Notsituationen.
Jetzt geht es um die Details, und ich bin dankbar, wie kon struktiv und sachorientiert wir gemeinsam an diesem Thema arbeiten. Das Finanzministerium hat einen ersten Referenten entwurf in die Arbeitsgruppe eingebracht, und bis zur näch sten Sitzung sind die Fraktionen gebeten, sich zu positionie ren. Ich freue mich auf die weitere Diskussion.
Viel Gegner, viel Ehr. Wenn alle aus unterschiedlichen Richtungen kommen, ist es vielleicht ganz gut, wenn man die letzte Minute noch nutzt, um hier ein paar Dinge klarzustellen.
Das Erste ist: Herr Podeswa, vielleicht haben Sie das in der vergangenen Wahlperiode nicht so mitbekommen, weil Sie da noch mit anderen Dingen – außerhalb des Landtags – beschäf tigt waren, aber in diesen vergangenen fünf Jahren ist in die sem Land eines zu verzeichnen gewesen, nämlich eine Kon solidierung des Haushalts aus einer schwierigen Phase heraus, was Willi Stächele am besten weiß, und es ist in dieser Zeit auch gelungen, die Investitionen zu steigern. Ich weiß gar nicht, wovon Sie sprechen. Wir haben fünf gute Jahre hinter uns, Herr Podeswa.
Frau Kollegin Splett, es trägt dann auch nicht dazu bei, wenn man hier sagt: „Seit 2015 werden die Schulden getilgt.“ Es ist bekannt, dass das auch vorher schon stattgefunden hat. Diese ständigen kleinen Abrechnungen nach dem Motto „Ich dis tanziere mich von der Vergangenheit“ sind etwas, was mich besonders ärgert – das aber nur nebenbei.
Zweitens: Wenn ich selbst sage: „Der Blick voraus ist ent scheidend“, ist es schon komisch, dass hier alle nur den Blick zurück attestieren. Beim Blick zurück, lieber Kollege Aden, geht es aber darum – da sind wir uns einig –, dass die Inter pretation der Landeshaushaltsordnung und die Änderung, für die wir nicht stehen, sondern die in dieser Legislaturperiode erfolgt ist, den Blick dafür verstellt haben, dass die Investiti onen, die notwendig sind, aus dem ordentlichen Haushalt fi nanziert werden. Das war der entscheidende Punkt. Deswe gen haben wir hier ein politisches Davonlaufen von GrünSchwarz gehabt.
Der dritte Punkt ist: Beim Blick voraus gilt der Sachverhalt des heutigen Tages, nämlich dass wir alle im Landeshaushalt die Mindestanforderungen zum Substanzerhalt nicht erfüllen.
Das ist der Punkt der Nettobetrachtung. Deswegen wissen auch alle, dass wir hier einen Aufholbedarf haben und dass dieser Aufholbedarf bei Sanierungen, Modernisierungen und Neubauten geleistet werden muss. Deswegen brauchen wir mehr öffentliche Investitionen in Baden-Württemberg. Das ist die Botschaft, um die es uns geht, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen daher zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der beiden Anträge.