Protocol of the Session on December 15, 2017

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Frau Abg. Walker für die Fraktion GRÜNE das Wort.

(Stellv. Präsident Wilfried Klenk übernimmt die Sit zungsleitung.)

Sehr geehrter Herr Präsident – ich begrüße Sie –, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wir steigen nun in den letzten Ta gesordnungspunkt im Rahmen der zweiten Lesung des Dop pelhaushalts 2018/2019 ein. Es liegen drei Tage mit intensi ven Beratungen zu den Einzelplänen der Ministerien hinter uns. Ich möchte meinen Beitrag nutzen, um in der gemeinsa men Debatte über die Einzelpläne 06 und 12, das Staatshaus haltsgesetz 2018/19 und das Haushaltsbegleitgesetz 2018/19 noch einmal einen Gesamtblick auf die Architektur dieses Doppelhaushalts zu werfen.

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft hat unlängst gezeigt: Trotz Haushaltsüberschüssen, steigender Exporte und geringer Arbeitslosenzahlen stecken Bund und Länder seit Jahren zu wenig Geld in die Infrastruktur und gefährden da mit den künftigen Wohlstand des Landes. Gesperrte Brücken, marode Schulen, fehlende Glasfasernetze sind die Folge. Ba den-Württemberg steht im Vergleich mit den anderen Bundes ländern natürlich sehr gut da. Dennoch nehmen wir solche Analysen der Ökonomen sehr ernst, und wir handeln ener gisch, wie wir dies bereits im Haushalt 2017 getan haben.

(Beifall des Abg. Thomas Hentschel GRÜNE)

Dieser Doppelhaushalt spricht auch deswegen eine klare Spra che. Wir machen unser Land fit für die Zukunft, packen die heutigen Herausforderungen an und denken dabei an die kom menden Generationen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Grundlage dafür ist ein wetterfester Haushalt, ein Haushalt, der dauerhaft im Lot ist und selbstverständlich ohne Aufnah me neuer Schulden auskommt. Hiervon profitieren langfris tig alle – die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen, die Kreise, Städte und Gemeinden und, wenn wir klug handeln, auch unsere Kinder und Enkelkinder.

Natürlich hilft uns dabei auch – ganz klar – die gute Konjunk turentwicklung im Land und dementsprechend die gute Ein nahmesituation. Die Ergebnisse der aktuellen November-Steu erschätzung haben dies noch einmal bestätigt. Wir werden 2018/2019 über 1,4 Milliarden € mehr einnehmen als ur sprünglich geplant.

Das Land kann aber über diese Mehreinnahmen nicht frei ver fügen. Auf der Basis der Landeshaushaltsordnung sind wir verpflichtet, den größten Teil dieser Einnahmen für die Schul dentilgung zu verwenden – anders als die Kommunen. Die Kommunen können über diese Steuermehreinnahmen frei ver

fügen. Im Vergleich zur Mai-Steuerschätzung ergibt sich für die Kreise, Städte und Gemeinden im Jahr 2018 ein Plus von 420 Millionen € und im Jahr 2019 ein Plus von 490 Millio nen €.

Es gibt noch weitere gute Nachrichten für die Kommunen: Sie profitieren über den kommunalen Sanierungsfonds mit 10 % an den Mehreinnahmen des Landes, die das Land zur Tilgung einsetzen muss. Damit unterstützen wir die Kommunen bei der Modernisierung ihrer Schulen und des Straßennetzes, mei ne Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wenn wir die mittelfristige Finanzplanung des Landes be trachten, so stellen wir fest, dass es uns gelungen ist, die struk turelle Deckungslücke drastisch zu senken. Es hilft nämlich nicht, die Deckungslücke einfach wegzureden oder zu leug nen, wie es die Opposition bei den Finanzberatungen auch dieses Mal wieder zum Teil getan hat. Vielmehr muss man konkret handeln und in den Einzelplänen strukturell konsoli dieren.

Deswegen wurden alle Ministerien verpflichtet, Konsolidie rungsbeiträge in Höhe von insgesamt 600 Millionen € zu leis ten. Die Häuser sind diesen Verpflichtungen auch nachgekom men.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Insbeson dere das Umweltministerium!)

Man kann sich jetzt anschauen, wie wir die strukturelle De ckungslücke auf der Basis der Konsolidierungsbeiträge ge senkt haben: Vor ein paar Jahren bestand noch eine Lücke von 2,5 Milliarden €, zuletzt eine Lücke in Höhe von 1,9 Milliar den €. Nun konnten wir diese auf 60 Millionen € senken. Das ist ein enormer Schritt und ein großer Erfolg dieser Koaliti on.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Natürlich verweist die Opposition in diesem Zusammenhang gern auf die hohen Überschüsse der Vorjahre. Aber diese Überschüsse kann man nicht einfach als strukturelle Mehrein nahmen verbuchen, und schon gar nicht sollten wir die mit telfristige Finanzplanung ignorieren.

Auch beim Thema Schuldentilgung haben wir mit diesem Doppelhaushalt einen Paradigmenwechsel eingeleitet.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das kann man wohl sagen!)

Wir steigen mit einer halben Milliarde Euro in die Tilgung von Kreditmarktschulden ein. Dabei belassen wir es nicht. Da rüber hinaus gehen wir auch das Problem der noch bestehen den Kreditermächtigungen an. Denn nach wie vor werden rund 1,5 Milliarden € Einnahmereste über Kreditermächtigun gen abgebildet. Auch diese sind eine Altlast und ein Problem verdeckter Verschuldung, das man nicht einfach ignorieren kann. Das hat auch der Rechnungshof bei den Beratungen noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Aufgrund der Schuldenbremse dürfen die Einnahmereste eben nicht über Kreditermächtigungen abgedeckt werden bzw. dür fen ab dem Jahr 2020 ohnehin keine weiteren Kredite aufge nommen werden. Man muss daher entweder vorher die Er mächtigungen in Anspruch nehmen – was eine zusätzliche Verschuldung bedeuten würde –, oder man muss die Kredit ermächtigungen ablösen und die Einnahmereste mit realen Haushaltsmitteln hinterlegen.

Genau das tun wir jetzt in einem ersten Schritt mit annähernd 1 Milliarde €. Neue Schulden kommen hier für uns nicht in frage. Aber genauso wenig kommt für uns infrage, dieses Pro blem einfach zu ignorieren oder dessen Lösung sehenden Au ges aufzuschieben. Auch hier unterscheiden wir uns von der Opposition. Das ist gut so. Das ist gut für den Haushalt, und das ist gut für das Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ein weiterer Baustein der Schuldentilgung ist der Abbau des Sanierungsstaus. Auch hier gehen wir mit großen Schritten voran. Allein in die Sanierung von Hochschulen, Unikliniken und Brücken des Landes investieren wir über 1 Milliarde € zusätzlich.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stickelberger?

Selbstverständlich.

Bitte, Herr Kollege Sti ckelberger.

Vielen Dank, Frau Kolle gin Walker. – Sie erinnern sich sicher an die Finanzausschuss beratung, bei der ein Vertreter des Rechnungshofs sinngemäß erklärt hat, dass man sich noch keine abschließende Meinung darüber gebildet hat, ob die Ausgabereste als implizite Schul den anzusehen sind.

Sie haben jetzt allerdings dargestellt, der Rechnungshof habe sich dahin gehend bereits geäußert. Ich habe das anders im Ohr. Sie stimmen mir sicher zu, dass dies noch einer abschlie ßenden Prüfung durch den Rechnungshof bedarf.

Ja, ich habe das in der Tat an ders verstanden, Herr Stickelberger. Der Vertreter des Rech nungshofs hat noch einmal ausdrücklich ausgeführt, dass es sich insbesondere bei den Ausgaberesten, die durch Einnah mereste bzw. durch die Kreditermächtigungen abgedeckt sind oder abgedeckt werden sollen, um hohe Verbindlichkeiten handelt. Die kann man nicht einfach streichen, sondern man muss entsprechend der Schuldenbremse schon für eine Abde ckung sorgen – also nicht durch die Aufnahme neuer Schul den. Der Vertreter des Rechnungshofs hat sehr dezidiert er wähnt, dass der Rechnungshof mehrfach – auch schon vor die sen Haushaltsberatungen – darauf hingewiesen hat, dass die ses Problem zu lösen ist.

Wir haben eine Lösung herbeigeführt; wir investieren fast 1 Milliarde €. Ich muss einfach sagen, dass von der Opposi tion keine Lösungsvorschläge zu diesem Problem kamen. Deswegen rechnet sich aus unserer Sicht Ihre Haushaltsrech

nung insgesamt überhaupt nicht, weil Sie diese 1,5 Milliar den € in Ihrer Gesamtrechnung nicht einkalkulieren.

(Lachen des Abg. Peter Hofelich SPD)

Ich möchte zum Thema Sanierung noch ausführen, dass wir, wie ich vorhin schon sagte, insgesamt 2,5 Milliarden € inves tieren, die wir der Rücklage für Sanierungsmaßnahmen zu führen. Ich denke, jede kluge Bürgerin und jeder kluge Bür ger würde das sicherlich genauso tun, wenn noch ein hoher Sanierungsbedarf besteht. Natürlich investiert man in sein Haus oder in die Wohnung, in der man lebt, und in deren Er halt, anstatt das Geld nur zur Bank zu tragen. Warum also soll te das Land anders handeln und nur Kreditmarktschulden til gen, wie z. B. von der FDP/DVP vorgeschlagen? Die Sanie rungsaufgaben wären damit nur aufgeschoben und würden das Land zu einem späteren Zeitpunkt umso härter treffen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Wir sind anderer Meinung und halten den Abbau des Sanie rungsstaus für eine ökonomisch sinnvolle und kluge Art des Schuldenabbaus. Von modernen Schul- und Universitätsge bäuden oder sanierten Brücken und Straßen werden die Bür gerinnen und Bürger in diesem Land in den nächsten Jahren spürbar profitieren.

Auch die Erfahrungen aus den Kommunen geben uns recht. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat in dieser Wo che eine Pressekonferenz zu diesem Thema abgehalten. Auch er sieht in Deutschland einen Investitionsstau in Milliarden höhe und möchte, dass Bund und Länder in diesem Bereich mehr Geld ausgeben. Wir stellen den Kommunen BadenWürttembergs über den kommunalen Sanierungsfonds und die Schienenfahrzeugförderung direkt zusätzliche Sanierungs mittel zur Verfügung – in diesem Doppelhaushalt insgesamt 420 Millionen € zusätzlich.

Die Opposition dagegen bleibt uns allen eine Antwort schul dig, wie der Sanierungsstau nach ihrer Auffassung abgebaut werden soll, wenn sie daneben beispielsweise 4 Milliarden € in die Kreditmarktschuldentilgung stecken will. Das können und wollen wir, die Regierungsfraktionen, uns eben nicht leis ten.

(Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP: Es ist genügend Geld da!)

Wir übernehmen Verantwortung und bauen den Sanierungs stau ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Zusätzlich zu den genannten Maßnahmen leisten wir mit ei ner Sonderzuführung an den Versorgungsfonds in Höhe von 120 Millionen € einen wesentlich höheren Vorsorgebeitrag für zukünftige Pensionszahlungen an unsere Landesbeamten.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit ergreifen, ein paar Worte konkret zum Einzelplan 06 zu sagen. Hier werden die Grundsteine dafür gelegt, dass die Steuereinnahmen richtig veranschlagt und gut verwaltet werden. Hier wird die Basis dafür geschaffen, dass der Sanierungsstau effektiv abgearbei tet werden kann. Mit diesem Doppelhaushalt stärken wir bei de Bereiche.

Durch zusätzliche Stellen stärken wir die Finanz- und Steuer verwaltung auch in diesem Haushalt konsequent. Wir ermög lichen 530 Stellenhebungen für die neue Dienstpostenbewer tung im gehobenen Dienst und investieren kräftig in die EDVAusstattung und Digitalisierung.

Auch die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung stat ten wir mit zusätzlichen Stellen aus, die Vermögen und Bau in die Lage versetzen, die gewaltige Investitionsoffensive im Hochbau effektiv und effizient umzusetzen. Wie auch in allen anderen Bereichen, in denen wir zusätzliche Stellen schaffen, geht es hier um staatliche Kernaufgaben, um die Handlungs fähigkeit und die Effektivität bei der Erledigung staatlicher Aufgaben.

Deshalb ist es auch gut und richtig, dass wir mit dem Staats haushaltsgesetz das 1 480-Stellen-Einsparprogramm aufhe ben. Dieses Stellenabbauprogramm hätte insbesondere die Re gierungspräsidien in unzumutbarem Umfang geschwächt, und dies angesichts von zusätzlichen Aufgaben und gestiegenen Herausforderungen in einem wachsenden und prosperieren den Land.

Genau um diese Frage geht es übrigens auch bei der Schaf fung zusätzlicher Stellen in den Umweltverwaltungen der Stadt- und Landkreise, die wir mit dem Haushaltsbegleitge setz heute beschließen wollen. Es geht um effektives, effizi entes staatliches Handeln, um straffe Genehmigungsverfah ren, qualifizierte Beratung der Betriebe sowie der Bürgerin nen und Bürger und insgesamt um die Funktionsfähigkeit und Handlungsfähigkeit der Behörden vor Ort.

Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal eine Legende aus der Welt schaffen, nämlich die Behauptung von AfD und FDP/ DVP, wir hätten die Schaffung von 31 Stellen in der kommu nalen Umweltverwaltung verheimlichen wollen.