Da haben Sie noch ein ganz langes Stück Weg vor sich, bis Sie es tatsächlich schaffen, dass beide Partner sich hinter die sen Zielen vereinigen. Ich befürchte, dass in der Konkretisie rung des Regierungshandelns die Konfliktfelder liegen und Sie dann an diesen Konfliktfeldern scheitern werden.
Herr Ministerpräsident, Sie sagen zu Recht – denn das würde dem Land schaden –, Sie wollten keine Konfliktkoalition. Die se wünsche ich Ihnen auch nicht. Aber was ich Ihnen auch nicht wünschen kann, ist, dass das Ergebnis eine Koalition ist, die sich vor den Konflikten scheut und damit die wirklich wichtigen Fragen nicht angeht, die keine sachlichen Ausein andersetzungen führt und die nicht argumentiert, sondern, wie ich fürchte, zu einer Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners wird. Das ist zu wenig für Baden-Württemberg, mei ne sehr geehrten Damen und Herren.
Sie haben uns eingeladen, zu verschiedenen Politikfeldern, u. a. bei der Digitalisierung, Vorschläge zu machen. Das wer den wir tun; darauf können Sie sich verlassen. Nur wollen wir an dieser Stelle klarmachen: Eine bloße Fortschrittsgläubig keit oder -euphorie reicht nicht aus. Wenn wir über solche Ver änderungsprozesse sprechen, dann erwarten wir von Ihnen, dass z. B. bei der Frage der Verortung des Themas in der Re gierung die Vernunft und die Sachgründe dominieren und nicht die Verteilungsgerechtigkeit, bloß weil der Herr stellver tretende Ministerpräsident ein nach außen möglichst starkes Ministerium haben wollte. Wir wollen, dass diese Arbeit dort, wo sie gemacht werden muss, wo sie sinnvollerweise gemacht werden muss, auch geschehen kann. Das ist ganz wesentlich für Bildungs- und Forschungsfragen sowie den Wirtschafts bereich, was das Thema Digitalisierung angeht.
Der entscheidende Punkt ist folgender: Herr Ministerpräsi dent, Sie haben das Thema Geld angesprochen. Natürlich hö ren wir diese Ankündigung, was die zusätzlichen Ausgaben für Straße, Schiene, Hochschule, Hochbau angeht, sehr wohl. Wir hören auch die Ansagen, was die Polizeistellen angeht, sehr wohl. Wir hören auch die Ansage zu den Ausgaben für die Digitalisierung. Aber ich glaube, wir alle sollten so ehr
lich zueinander sein, dass wir jetzt erst einmal warten müs sen, was diese Regierung dann auch umsetzt. Denn – der Kol lege Rülke hat es angesprochen – der Finanzierungsvorbehalt ist eben eine Konstante in Ihrem Koalitionsvertrag.
An dieser Stelle darf ich Sie, wenn Sie gestatten, korrigieren: Im Koalitionsvertrag zwischen Grünen und SPD war z. B. ei ne Maßnahme wie die Erhöhung der Grunderwerbsteuer mit einem klaren Ziel, nämlich einer Stärkung gerade im Bereich der frühkindlichen Bildung, explizit enthalten. Da war auch die Stärkung der Steuerverwaltung mit 500 Stellen konkret enthalten. Das heißt, der Vorwurf, dass es damals schon zu wenig konkret war, geht fehl. Wir sind dafür, dass den Men schen reiner Wein eingeschenkt wird. Das ist die richtige Po litik für Baden-Württemberg, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Abschließend möchte ich Ihnen zusagen, dass wir, die SPDLandtagsfraktion, natürlich den Anspruch haben, die Regie rungspolitik konstruktiv zu begleiten, dass wir aber nicht zu lassen, dass in vielen Bereichen die Dynamik gebremst wird, dass in manchen Bereichen die wichtigen Handlungsfelder nicht aufgegriffen werden. Wir, die SPD-Landtagsfraktion, werden dafür sorgen, dass alle Kreise und alle gesellschaftli chen Schichten von dem Fortschritt und dem Wohlstand in Baden-Württemberg auch profitieren können.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man Ihren heutigen Auftritt beurteilt, Herr Ministerpräsident, könn te man mit Blick auf einen Ihrer Amtsvorgänger, nämlich Er win Teufel, zu dem Ergebnis kommen: Dieser Ministerpräsi dent ist im Amt angekommen. Sie haben das gemacht, was Erwin Teufel 14 Jahre lang mit Vorliebe gemacht hat, nämlich Daten und Statistiken vorgetragen, um zu beweisen, wie gut das Land Baden-Württemberg dasteht, aber vor allem um zu beweisen, wie gut das Land Baden-Württemberg geführt wer de.
Ich will gar nicht bestreiten, dass es dem Land Baden-Würt temberg gut geht. Ich habe schon in meinem ersten Redebei trag deutlich gemacht, dass die Fraktionen, die schon lange hier im Landtag von Baden-Württemberg waren, in unter schiedlichen Regierungskonstellationen ihren Beitrag dazu
geleistet haben, dass es dem Land Baden-Württemberg gut geht. Es reicht aber nicht, bei einer Regierungserklärung oder einer Aussprache über eine Regierungserklärung auf das Er reichte zu verweisen.
Die Menschen wollen wissen, in welche Richtung es in Zu kunft geht. Da haben Sie erklärt, ohne es zu belegen, der Ko alitionsvertrag sei eine verlässliche Grundlage, ein solides Do kument; so waren Ihre Worte. Wenn dieser Koalitionsvertrag so verlässlich und solide ist, dann hätten wir uns schon etwas mehr Konkretisierung am heutigen Tag gewünscht.
Sie sprachen von einer „Zusammenarbeit im Schnellkoch topf“. Kollege Stoch hat das Bild im Zusammenhang mit ei ner Kartoffel aufgegriffen.
Vielleicht war auch Fleisch in diesem Schnellkochtopf. Ich habe schon in meinem ersten Redebeitrag darauf abgehoben, dass man wahrscheinlich feststellen kann: Die CDU ist durch.
Aber, Herr Ministerpräsident, es reicht nicht, wenn Sie den Koalitionspartner weichkochen. Aus diesem Schnellkochtopf muss auch ein konkretes Gericht erwachsen, das irgendjemand in Baden-Württemberg vielleicht auch isst.
Ich habe es den Kommentierungen zu Ihrer Regierungserklä rung entnommen – ich nehme an, Ihr Regierungssprecher hat in bewährter Weise bei den landespolitischen Journalisten ad ressiert, wie die Regierungserklärung zu verstehen sei –, dass es um den Zusammenhang in Europa und in Baden-Württem berg gehe, um die Ligaturen; ein Begriff von Ralf Dahrendorf. Diese Ligaturen sind wichtig, keine Frage. Wir haben auch festgestellt, dass wir zumindest über vier Fraktionen im Land tag von Baden-Württemberg hinweg zu diesen Ligaturen ste hen.
Es ist völlig klar: Es gibt einen Grundkonsens. Aber dieser Grundkonsens reicht nicht aus, um ein Land zu regieren. Es reicht auch nicht aus, diesen Grundkonsens zu beschwören, sondern man muss deutlich machen, mit welchen konkreten Maßnahmen man dazu in der Lage ist, diesen Grundkonsens umzusetzen. Man muss auch deutlich machen, was konkret man in seinem Regierungshandeln über fünf Jahre hinweg vorhat.
Herr Ministerpräsident, Sie haben deutlich gemacht, die Di gitalisierung sei ein zentrales Thema. Das ist natürlich auch ein Konsensthema in diesem Haus; völlig klar.
Aber auch hier reicht es nicht aus, deutlich zu machen, dass wir alle uns einig sind: Die Digitalisierung ist ein entschei dendes Zukunftsthema, die Digitalisierung ist ein Thema, das auch für den baden-württembergischen Mittelstand so wich tig ist, dass es eine zentrale politische Aufgabe ist, dafür zu
sorgen, dass die Infrastruktur und die Forschungslandschaft so zur Verfügung gestellt werden, dass das in den nächsten Jahren funktioniert.
Aber gleichzeitig, Herr Ministerpräsident, bekennen Sie sich in diesem Koalitionsvertrag zur Haushaltskonsolidierung. Diese beiden Ziele stehen in einem Spannungsverhältnis. An strengungen für die Digitalisierung kosten Geld. Aber Haus haltskonsolidierung führt halt dazu, dass man auch irgendwo einsparen muss. Da sind Sie nicht konkret geworden – bis auf die Konstante aus der grün-roten Regierungszeit, dass man bei den Beamten einzusparen hat. Das ist zu wenig, Herr Mi nisterpräsident. Es kann nicht sein, dass nur eine Bevölke rungsgruppe die Lasten trägt. Sie müssen schon auch in Ih rem Koalitionsvertrag oder spätestens im Regierungshandeln deutlich machen, wenn Sie an einer Stelle einen Schwerpunkt setzen, an welcher anderen Stelle Sie etwas wegnehmen. Das ist Regierungskunst, Herr Ministerpräsident.
Sie haben über die Schulpolitik gesprochen und haben erklärt, dazu stehe gewolltermaßen nichts im Koalitionsvertrag.
Das sei so zu interpretieren: Die Schulpolitik wird so fortge setzt, wie unter Grün-Rot auf die Spur gebracht. Das war auch meine Analyse. In der Tat: Die Grünen haben die CDU dazu gebracht, die grün-rote Schulpolitik fortzusetzen. Das kann man in dieser Deutlichkeit ansprechen.
Dann haben Sie erklärt, es gebe keine Kritik. Dem muss ich widersprechen, Herr Ministerpräsident. Wir bleiben bei dem, was wir in der Schulpolitik seit vielen Jahren für richtig hal ten. Wenn wir jetzt anfangen, in teufelscher Manier die gro ßen Errungenschaften des Landes Baden-Württemberg auf zuzählen, dann gehört dazu auch, dass ein vielgliedriges und gegliedertes Schulsystem, ein differenziertes Schulsystem in Baden-Württemberg einen zentralen Beitrag dazu geleistet hat, dass dieser Wohlstand in Baden-Württemberg erarbeitet werden konnte. Davon gehen wir nicht ab.
Wir bleiben dabei: Wir sind der Auffassung, dass die Gemein schaftsschule gegenüber anderen Schultypen privilegiert ist. Wir bleiben dabei, deutlich zu machen, dass wir von Ihrem Schulversuch mit den 44 Gymnasien nichts halten. Entweder wir haben flächendeckend G 8, oder alle Schüler bekommen – wenn bestimmte Schüler dieses Angebot bekommen – die Möglichkeit, ein G-9-Gymnasium zu besuchen – sonst ist es nicht in Ordnung, was Sie da machen.
Deshalb stimmt es eben nicht, dass es keine Kritik an Ihrer Schulpolitik gibt, sondern die Kritik wurde in dieser Debatte nur deshalb nicht geäußert, weil eben der Koalitionsvertrag so unkonkret ist.
Um es an einem anderen Beispiel zu zeigen, das dann viel leicht als Nachspeise zu Ihrem Schnellkochtopf passt: Nageln
Sie einmal einen Pudding an die Wand – das geht eben nicht. Das gilt auch für Ihren Koalitionsvertrag.
Herr Kollege Strobl, Sie haben vorhin so engagiert den Kopf geschüttelt, als ich sagte, die 1 500 neu zu schaffenden Poli zeistellen stünden unter Finanzierungsvorbehalt. Ich habe mit geschrieben, was der Ministerpräsident gesagt hat. Ich zitie re: „Es steht immer alles unter Haushaltsvorbehalt.“ Also gilt das auch für die 1 500 Polizeistellen. Wollen wir einmal schau en, wie viele davon Sie durchsetzen und wie viele von der „lieben Edith“ im Neuen Schloss von dieser Wand abgepinnt werden.