Protocol of the Session on June 8, 2016

(Abg. Andreas Stoch SPD: Es muss schneller gehen!)

Aber wir wenden ja zusätzlich 250 Millionen € auf. Also kön nen Sie, Herr Kollege Stoch, nicht sagen, da würde nur Pa pier produziert. Dies bedeutet eine gigantische Anstrengung angesichts der Haushaltslage, die wir aber machen müssen, weil die Menschen – sowohl diejenigen, die schon länger hier leben, als auch diejenigen, die zu uns kommen – natürlich ein bezahlbares Dach über dem Kopf brauchen. Sie brauchen Ar beit, müssen aber auch ansonsten in die Gesellschaft integ riert werden.

Ich bin auch dankbar – das möchte ich zum Schluss noch ein mal sagen –, dass ich zwischen Grünen, CDU, aber auch den Oppositionsfraktionen SPD und FDP/DVP einen Konsens se he, dass wir weiter für eine offene Gesellschaft kämpfen, dass wir weiter dafür kämpfen, dass unsere Gesellschaft eine Ge sellschaft des Zusammenhalts bleibt, dass sie eine freiheitli che Gesellschaft bleibt, in der wirklich jeder nach seiner Fas son selig werden kann, und dass wir allen die Freiheitsrechte gewähren.

Da möchte ich schon noch einmal ein Wort in Richtung AfD sagen:

(Zuruf von der AfD: Wir sind hier! – Unruhe – Zuru fe: Pst!)

Wenn eine Abgeordnete von Ihnen öffentlich sagt, dass sie es für eine Islamisierung der Gesellschaft hält, dass wir jetzt ei ne Parlamentspräsidentin haben, die Muslima bzw., genauer gesagt, Alevitin ist, dann müssen bei allen Demokraten die Alarmsirenen angehen.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Man kann da nur sagen: Hast du ein Problem, dann schau in die Verfassung. Artikel 33 des Grundgesetzes sagt ausdrück lich,

(Zuruf von der AfD: Jetzt kommt der Lehrer!)

dass jeder Deutsche nach Eignung, Leistung und Befähigung Zugang zu öffentlichen Ämtern hat. Das sind die Kriterien, und es gilt nicht als Kriterium, welcher Religion jemand an gehört. Wer da die Religion mit ins Spiel bringt, der stellt Grundrechte infrage und stellt sich außerhalb des Rahmens unserer Verfassungsordnung. Das muss man klar sehen.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Es kommt auf klare Maßstäbe an. Die Tatsache, dass Partei en wie die CDU und die Grünen, die sich zuvor in der Tages politik bekämpft haben, trotzdem eine Koalition bilden, liegt darin begründet, dass wir die Grundwerte und Grundnormen unserer Verfassung völlig ungeschmälert und ohne Wenn und Aber teilen. Das schafft überhaupt erst die Möglichkeit, in ei nem Gemeinwesen zusammenzuhalten und diesen Zusam menhalt politisch darzustellen, zu organisieren. Darauf wird es ganz entscheidend ankommen. Wir haben nicht irgendwel che Maßstäbe anzulegen. Wir legen die Maßstäbe unserer Ver fassungsordnung an, unseres Grundgesetzes, der besten Ver fassung, die wir jemals auf deutschem Boden hatten. Wir wol len sie hegen und pflegen und nicht an ihren Rändern herum basteln. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf von der AfD: Sie brechen Artikel 16 a des Grundgesetzes! – Gegenruf: Oje!)

Ich denke, es wird darauf ankommen, dass wir in Zukunft den Zusammenhalt der Gesellschaft auf Grundlage einer freiheit lichen Ordnung organisieren. Freiheitlich heißt, dass Diffe renzen erlaubt sind – dass es Differenzen gibt, ist überhaupt erst Sinn und Inhalt der Freiheit –, dass die Menschen so le ben können und ihre Persönlichkeit so entfalten können, wie es ihnen entspricht, solange sie sich an die Verfassungsord nung halten, sich an die Gesetze halten und die Rechte ande rer nicht beeinträchtigen. Das sind ganz einfache freiheitliche Maßstäbe, auf deren Grundlage wir agieren. Sie sind eine gu te Grundlage für den Zusammenhalt der Gesellschaft.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Aber sie ermöglichen auch zivilisierten tagespolitischen Streit; auch der ist notwendig. Ich freue mich auf den Zusammen halt einerseits, aber auch auf zivilisierten Streit andererseits, wie wir ihn in diesem Haus immer gern pflegen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der CDU)

Meine Frage an die Her ren Fraktionsvorsitzenden: Wünschen Sie nach § 82 Absatz 4 des Geschäftsordnung das Wort?

Herr Abg. Professor Dr. Meuthen von der AfD ist nicht anwe send. Herr Abg. Dr. Grimmer, wünschen Sie das Wort? An dernfalls käme Kollege Stoch an die Reihe.

(Abg. Emil Sänze AfD begibt sich zum Rednerpult. – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Nach § 82 Ab satz 4 der Geschäftsordnung ist das nicht möglich!)

Herr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Sänze.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD betritt den Plenarsaal. – Beifall bei der AfD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Der Fraktionsvorsitzende ist anwesend! – Zurufe: Das geht nicht! – Unruhe)

Moment, Herr Kollege Sckerl. – Herr Abg. Professor Dr. Meuthen, Sie haben als Fraktionsvorsitzender das Recht zu sprechen. Nur wenn Sie nicht anwesend sind, darf Ihr Stell vertreter sprechen. – Herr Abg. Professor Dr. Meuthen, Sie haben das Wort.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Dann gehe ich wieder raus! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann geht er wieder raus! – Zuruf von den Grünen: Ge schäftsordnung nicht gelesen! – Unruhe)

Herr Abg. Professor Dr. Meuthen, entweder Sie reden jetzt oder das Wort geht an den Kollegen Stoch.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Es ist eine Rede von Herrn Sänze vorbereitet! Wenn Sie das gestatten kön nen, kann Herr Sänze sprechen! – Unruhe)

Lieber Herr Fraktionsvorsitzender, aufgrund der Geschäfts ordnung geht das nicht.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Das habe ich wohl ver standen!)

Das können wir auch nicht tolerieren. Sie hätten das Wort. Wenn Sie es nicht wünschen, geht das Wort jetzt an den Kol legen Stoch.

(Vereinzelt Beifall – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Ich verzichte dann!)

Bitte schön, Herr Kollege Stoch, Sie haben das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Martin Ri voir SPD: Herr Professor! Verwaltungshochschule! Oh!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nachdem der Ministerpräsident das ergänzt hat, was er in der vergangenen Woche in seiner Regierungs erklärung mitgeteilt hat, möchte ich die Gelegenheit nutzen, noch einige Punkte zu benennen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben eingangs Ihres heutigen Beitrags auf die Situation in Baden-Württemberg abgehoben und haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Baden-Würt temberg ein äußerst starkes Bundesland, eines der stärksten Bundesländer in Deutschland und eine der stärksten Regio nen in Europa und in der Welt ist.

Dass Baden-Württemberg stark ist, gilt nicht nur in Bezug auf die Wirtschaftsdaten. Es gilt mit Blick auf die historisch nied rige Arbeitslosenquote, insbesondere die Jugendarbeitslosen quote, und die Wirtschaftskraft, aber es gilt, glaube ich, auch für unsere Integrationskraft, für die Fähigkeit dieser Gesell

schaft, Veränderungen aufzunehmen und den Menschen die Zuversicht zu geben, in einem guten und sicheren Land zu le ben.

Bei der Frage „Was erwarten wir von der Regierung?“ kommt es uns darauf an, dass diese Regierung nicht nur den Zustand beschreibt, sondern dass die Regierung auch in der Lage ist, die Zustandsbeschreibung in ein verantwortliches Handeln für die Zukunft umzusetzen. Das erwarten wir von dieser Lan desregierung.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, da unterscheiden wir uns. An dieser Stelle erwarten wir, die SPD-Landtagsfraktion, dass Sie von der Regierung die Handlungsfelder konkret benennen, dar stellen, welche Aufgaben in Angriff genommen werden, dass Sie also Problemfelder benennen und konkrete Vorschläge machen.

Sie haben davon gesprochen, dass es eine große Leistung war, eine Regierung zu bilden, eine Regierung von Parteien und Fraktionen, die in den vergangenen Jahren im Land BadenWürttemberg sicherlich relativ wenig Schnittmengen in ihrem politischen Handeln hatten. Woran das liegt, das mag der Be obachter bewerten. Aus meiner Sicht lag das sicherlich auch daran, dass lange Zeit – vielleicht die gesamten vergangenen fünf Jahre – aus der CDU-Fraktion keine konstruktiven Bei träge kamen, weil man sich dort oft darauf beschränkt hat, zu kritisieren und das Gegenteil dessen zu beschreiben, was tat sächlich umgesetzt worden ist.

Vielleicht passt das Bild des Schnellkochtopfs, das Sie ver wendet haben, Herr Ministerpräsident, ganz gut. Sie haben beschrieben, dass das Bilden dieser neuen Regierung wie das Kochen mit einem Schnellkochtopf gelungen ist. Ich habe das Gefühl, dass in diesem Schnellkochtopf die eine oder andere Kartoffel zerfallen ist; manches von dem, womit beide Part ner in die Verhandlungen gegangen sind, ist unkenntlich ge worden.

Jetzt komme ich zu der Frage: Was erwarten wir von der Re gierung? Die Kartoffel zu kochen ist natürlich eine Vorausset zung für alles Weitere, aber für einen gescheiten Kartoffelsa lat bedarf es noch viel mehr. Wir erwarten nämlich ordentli ches Regierungshandeln, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen bitte ich Sie, sich nicht auf diesen Lorbeeren, eine Regierung gebildet zu haben, auszuruhen. Denn es reicht nicht, eine Regierung zu bilden. Da sind sicher machtpoliti sche Fragen, parteipolitische Fragen und manchmal leider auch versorgungspolitische Fragen ein Kriterium. Mir und uns geht es darum, dass Sie für dieses Land aus dieser Regierung auch etwas machen.

Sie sagen, dass unsere Reaktionen erkennen ließen, dass wir die Richtung nicht grundsätzlich infrage stellten. Da gebe ich Ihnen unumwunden recht. Wir haben die Besorgnis – das lässt manches im Koalitionsvertrag und manches in der Regie rungserklärung erwarten –, dass diese Richtung nicht mehr entsprechend angestrebt wird, dass die Dynamik in den Ent wicklungsprozessen fehlt, weil wir festgestellt haben, dass

manches nicht einvernehmlich zwischen den Koalitionsfrak tionen angegangen wird. Die SPD-Landtagsfraktion hat des halb die Sorge, dass vieles von dem, was richtig und gut an gestoßen wurde, in Zukunft leider nicht mehr die nötige Dy namik hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage es Ihnen ganz offen: Ich wünsche Ihnen da sehr viel Glück. Aber wenn ich die Reaktionen – in der Öffentlichkeit, aber eben auch hier im Plenarsaal – betrachte, wenn Sie im Rahmen der Regierungserklärung über verschiedene Themen sprechen – das Gleiche gilt auch für die Reden der Vorsitzen den der Regierungsfraktionen –, dann stelle ich an vielen Stel len fest, dass entweder die eine oder die andere Regierungs fraktion klatscht.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Oder beide!)