Protocol of the Session on October 12, 2017

Der Richter hat Entscheidungen über mögliche Verbesserun gen, was die Luftqualität anbelangt, aus eigenem Wissen ge troffen, ohne überhaupt Sachverständige hinzugezogen zu ha ben.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: So ist es! Ge nau!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie komplett ausblenden ist doch die Tatsache, dass die aktuelle Debatte, ob es andere, für die Menschen weniger einschneidende Mit tel gibt – beispielsweise Nachrüstungen durch Software, Nach

rüstungen durch Hardware –, durch Ihre Entscheidung für ei ne Sprungrevision in diesem Verfahren überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden kann. Wer ein Fahrverbot will, der macht hier eine Sprungrevision oder wird das Urteil anneh men, so wie Ihre Fraktion, Herr Kollege Schwarz.

(Beifall bei der SPD, der AfD und der FDP/DVP – Zuruf: Genau! – Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD)

Gestatten Sie mir noch einen kleinen Blick in die CDU. Mit Verlaub: Da hat sich dann einmal der Grünenversteher, Herr Strobl, aufgeschwungen, die harte Linie zu fahren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der AfD)

Herr Strobl tritt für eine Berufung ein. Da mag vielleicht die „braune Laterne“ eine Rolle gespielt haben; wir wissen es nicht. Aber was stellen wir fest, wenn wir am nächsten Tag die Zeitungen aufschlagen? Da kann man doch unterstellen, dass es nicht um die Sache, sondern nur um taktische Macht spielchen geht.

Die CDU-Landtagsfraktion steht wie ein Mann hinter dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und sagt: „Eine Sprungre vision ist für uns auch in Ordnung.“ Herzlichen Glückwunsch, Herr Strobl! Mit dieser Truppe gewinnen Sie jeden Kampf.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Aber kommen wir zu den Widersprüchen in der Politik, die vonseiten der Regierung und der Regierungsfraktionen eben nicht gelöst sind. Nehmen Sie das Thema Neckartor. Das be trifft nämlich dieses Verfahren, das mit dem jetzigen Verfah ren unmittelbar gar nichts zu tun hat. Am Neckartor haben An lieger einen Vergleich erstritten, den Herr Minister Hermann eingegangen ist und den die neue Regierung im Kabinett so genehmigt hat.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Darin wird nämlich festgelegt, dass ab dem 1. Januar 2018 – Herr Reinhart, es glaubt Ihnen kein Mensch, dass Sie gegen Fahrverbote sind, wenn Sie einen solchen Vergleich genehmi gen – das Verkehrsaufkommen am Neckartor um 20 % zu re duzieren ist.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja!)

Mit Verlaub, da steht nicht: die Schadstoffausstöße. Das heißt, bei Abschluss des Vergleichs hat man bereits vorweggenom men, dass man keine andere Maßnahme, die auch zu Schad stoffreduzierungen führen würde, akzeptieren würde, weil man das Verkehrsaufkommen um 20 % reduzieren will. Dann hat Herr Minister Hermann gesagt: Jetzt brauchen wir einen Sündenbock: Dieselfahrzeuge mit Euro-4- und Euro-5-Norm, Stickoxide, schlecht; was mit dem Kohlendioxid passiert, in teressiert keinen Menschen. Wer so Politik macht, agiert nach Zufälligkeiten, aber nicht im Interesse der Menschen dieses Landes.

(Beifall bei der SPD, der AfD und der FDP/DVP)

Denn der Minister schließt einen Vergleich, weiß aber nicht einmal, wie er Fahrverbote überhaupt umsetzen will.

Jetzt weise ich Sie auf dieses Verfahren hin. Nehmen Sie das Gutachten der Kanzlei Oppenländer, und Sie werden feststel len,

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Geht gar nicht!)

dass das Land – das sind auch die Zweifel des Ministerpräsi denten – überhaupt keine Handhabe hat,

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Genau!)

das Verkehrsaufkommen am Neckartor zu reduzieren.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja!)

Das heißt, er schließt einen Vergleich, bei dem er von vorn herein weiß, dass er ihn nicht umsetzen kann. Was läuft? Ein Antrag auf Verhängung von Zwangsgeld gegen das Land. Mei ne sehr geehrten Damen und Herren, wer Vergleiche schließt, von denen er weiß oder wissen müsste, dass er sie nicht erfül len kann, der gaukelt den Menschen im Land etwas vor, der handelt jedenfalls nicht verantwortlich, der hetzt die Gruppen der Autofahrer und der Bewohner von Stuttgart gegeneinan der auf.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Dann kommen wir noch zur zweiten pikanten Note: Wohin weicht denn der Verkehr aus, der nicht mehr am Neckartor stattfinden kann? Da hat das Land offensichtlich dazugelernt – jedenfalls das Regierungspräsidium Stuttgart. Das Regie rungspräsidium Stuttgart hat nämlich bereits im August die Umsetzung der im Entwurf des Luftreinhalteplans vorgesehe nen Fahrverbote abgelehnt mit der Begründung, die geplan ten Verkehrsverbote könnten nicht verhängt werden, weil es dann an anderen Orten zu höheren Stickoxidwerten und zu Grenzwertüberschreitungen komme.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer eine Sankt-Flo rians-Politik betreibt,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja!)

einzelne Straßen schließen will, wo der Verkehr nicht aus der Stadt rausgeht, sondern sich andere Wege sucht, der gaukelt den Menschen Lösungen vor. Herr Minister Hermann, es ist Ihre Verantwortung, echte Lösungen zu finden und nicht Schein lösungen zu präsentieren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Abschließend noch zu dem Urteil, mit dem wir es hier zu tun haben.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Katzenstein?

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Ich habe nur noch eine Minute.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Ich weiß! Ich habe mitgestoppt! Das geht ja nicht auf Ihre Rede zeit!)

Doch.

(Zurufe)

Ich möchte darauf hinweisen, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart nach Meinung von Menschen, die sich dieses Urteil angesehen haben und es geprüft haben, eines deutlich macht: Dieses Urteil wendet Recht nicht an, sondern es erfindet Recht neu. Deswegen, mei ne sehr geehrten Damen und Herren, halten wir dieses Urteil für fehlerhaft.

Aber darüber hinaus ist wichtig, dass im Rahmen einer Beru fung – diese wäre hier die einzig richtige Maßnahme gewe sen – auch all das, was an Verbesserungen möglich ist – über Softwareupdates, Hardwarenachrüstungen oder andere Maß nahmen –, in die Urteilsfindung eingehen könnte. Das ist nicht möglich, wenn Sie nur eine Sprungrevision durchführen. Des wegen: Derjenige, der eine Sprungrevision beschließt, erhöht das Risiko für Fahrverbote in Stuttgart eklatant und macht et was falsch für die Menschen im Land Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Diese Landesregierung wird ihrer Verantwortung auch in die sem Punkt – nicht nur, aber auch in diesem Punkt – nicht ge recht. Wir brauchen eine Politik für alle Menschen im Land, die keine Schäden durch eine ideologische Politik nach sich zieht, die keine Schäden hinsichtlich der Mobilität der Men schen, aber vor allem auch keine Schäden für den Industrie standort Baden-Württemberg nach sich zieht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der AfD)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Hermann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war eine De batte, die geladen war mit Polemik.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Jetzt kom men Sie!)

Begonnen hat dies mit Herrn Rülke; der Schlusspunkt war die Rede von Andreas Stoch, der Ihnen ordentlich nachläuft – sti listisch auf jeden Fall. Das ist erstaunlich; da hätte ich etwas anderes erwartet. Was aber alle Redner der Opposition ausge zeichnet hat, war, dass sie sich viel Mühe gegeben haben, zu polemisieren, und sich viel Mühe gegeben haben, Kompro misse schlechtzureden.

(Abg. Anton Baron AfD: Wir haben Fakten gebracht!)

So zu tun, als gäbe es in einer Demokratie, in Koalitionen nicht die Notwendigkeit, Kompromisse zu schließen, so zu