Protocol of the Session on June 21, 2017

(Vereinzelt Heiterkeit)

Aber wir unterstellen einmal – positiv gesinnt, wie wir sind –, dass es zumindest ein Euro-6-Diesel ist, den sich der Mi nisterpräsident gekauft hat. Insofern könnte man ja vielleicht vermuten, er ist nicht im Visier des Verkehrsministers. Doch weit gefehlt!

In der Landespressekonferenz vom 4. Mai 2017 lässt sich von Herrn Hermann die Aussage vernehmen, die Nachrüstungen müssten so viel bringen wie die Fahrverbote. Hierbei geht es nicht nur um Euro 5, sondern auch um Euro 6. Der Opa mit dem Sand ist also auch im Visier des Verkehrsministers. Der will den Ministerpräsidenten fangen, meine Damen und Her ren.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und Abge ordneten der AfD)

Insofern haben wir schon ein gewisses Verständnis dafür, Herr Minister Strobl, dass so viel Doppelmoral Sie dann dazu – –

(Ministerpräsident Winfried Kretschmann betritt den Plenarsaal.)

Ah, jetzt kommt er. Herr Ministerpräsident, der Diesel, den Sie gekauft haben, ist das ein Euro-6-Diesel?

(Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Ja!)

Ja, gut. Sehr schön.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Zuruf von der SPD: Hilft aber nichts!)

Hilft nichts. Hermann will Sie trotzdem fangen. Er hat auch die Euro-6-Diesel im Visier.

Deshalb, Herr Minister Strobl, haben wir ein gewisses Ver ständnis dafür, dass Sie das, was Herr Hermann an Anfragen an Ihr Ministerium hat weiterleiten lassen, durchgestochen ha ben. Denn das ist schon eine Doppelmoral. Aber, Herr Strobl, wie steht es denn mit Ihrer eigenen Doppelmoral?

In der „Rhein-Neckar-Zeitung“ vom 14. Juni lesen wir – ich zitiere –:

Daten für centgenaue Abrechnungen zu speichern, sie aber zur Aufklärung schwerster Verbrechen zu verwei gern, ist niemandem zu vermitteln!

Na ja. Am 5. April 2002 wurde das Autobahnmautgesetz be schlossen. Es wurde am 1. Oktober 2004 in § 7 Absatz 2 um folgenden Satz 3 ergänzt – ich zitiere –:

Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig.

Im Plenarprotokoll sind Sie nicht unter den Fehlenden ausge wiesen. Das war eine offene Abstimmung, deren Ergebnis ein stimmig war. Ich weiß nicht, ob Sie im Saal waren.

(Abg. Sascha Binder SPD: Davon gehen wir aus!)

Aber das Ergebnis war auf jeden Fall einstimmig. Sie können sich auch nicht mit Koalitionszwängen herausreden, denn Sie waren damals in der Opposition. Man hat trotzdem zuge stimmt. Einem haben Sie ganz sicher zugestimmt, nämlich dem Infrastrukturabgabengesetz vom 8. Juni 2015. Das regelt nämlich in § 6 Absatz 10 für Daten und in § 11 Absatz 2 und 3 für Daten aus der stichprobenartigen Überwachung – ich zi tiere –:

Eine Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften ist unzulässig.

Das Plenarprotokoll weist eine namentliche Abstimmung aus, und zugestimmt hat der Abg. Strobl, Heilbronn. Der verkehrs politische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, Kollege Bilger, hat in der Debatte wörtlich gesagt:

Der Datenschutz war ebenfalls ein wichtiger Diskussi onspunkt, der auch für uns als Unionsfraktion eine gro ße Bedeutung hat.

Also, Herr Strobl, Sie und Herr Hermann können sich die Hände reichen: Scheinheiligkeit, so weit man blickt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Jetzt wissen wir also, wie diese Komplementärkoalition funk tioniert: Der Innenminister enttarnt den Verkehrsminister und dessen Absicht, den Ministerpräsidenten als Dieselfahrer zu überführen

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Und wer enttarnt Rülke?)

das können Sie ja anschließend versuchen –,

(Heiterkeit)

weil der nämlich Sand für seinen Enkel holt. Und im Gegen zug, zum Ausgleich, enttarnt sich der Innenminister selbst da bei, im Bundestag für den Datenschutz zu kämpfen und hier im Landtag George Orwell zu spielen. Meine Damen und Her ren, so viel Scheinheiligkeit muss man dieser Koalition erst einmal nachmachen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Denn eines ist klar: Sie sind keine Komplementärkoalition, auch keine Kiwi-Koalition, sondern Sie sind die Koalition der scheinheiligen Datensammler, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich Herrn Abg. Sckerl das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war wie immer, Herr Rülke, am frühen Morgen unterhaltsam. Keine Frage!

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Und inhaltlich sehr gut! – Zuruf von der CDU: Ich würde auch sagen: Slapstick!)

Es war unterhaltsam. Aber das Thema, über das wir reden, ist ein wichtiges. Es eignet sich weniger für Slapsticks, son dern für angemessene, seriöse Debatten – gerade in diesen Zeiten, in denen wir leben.

Ich glaube, diese Koalition, Herr Rülke, hat aktuell gestern gezeigt, dass sie in der Lage ist, das Credo, die Balance zwi schen Freiheit und Sicherheit zu halten, zu erfüllen. Das, was wir gestern zur Novelle des Polizeigesetzes und des Landes verfassungsschutzgesetzes beschlossen und vorgelegt haben, erfüllt genau diese Bedingungen. Datenschutz ist und bleibt gewährleistet, ist nicht auf der Verliererstrecke, ist auch kein Täterschutz in dieser Koalition, sondern wird angemessen ge würdigt. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestim mung wird gewahrt, aber es wird auch viel für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger getan. Ich glaube, meine Damen und Herren, es ist eine gute Nachricht für Baden-Württem berg, die da gestern aus der Koalition gekommen ist.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Jetzt kann ich nicht Herrn Rülke überführen; denn er ist in Ba den-Württemberg in der Opposition. Aber ich schaue mir ak tuell an: Was macht denn die FDP, wenn sie einmal die Gele genheit hat, in die Regierung zurückzukehren? Ganz aktuell ist sie in Nordrhein-Westfalen in die Regierung zurückgekehrt. Wir haben schon geschluckt, welche Beschlüsse die selbst er nannte Bürgerrechts- und Freiheitspartei dort fasst und wel che Zugeständnisse sie macht. Das ist teilweise vom Feinsten und geht über das, was wir in Baden-Württemberg machen, weit hinaus.

Herr Rülke, verständigen Sie sich einmal mit Ihrem Partei vorsitzenden über die Ergebnisse des Koalitionsvertrags in Nordrhein-Westfalen. Elektronische Fußfessel – sehr niedrig schwellig. Vergleichen Sie einmal, welche Unterschiede ge rade beim Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbst bestimmung zu unserem Polizeigesetz bestehen. Aber auch gezielte Überwachungsmethoden gegen Gefährder, vorbeu gende Inhaftierung hätten wir mit der FDP nie für möglich ge halten.

Kaum an der Regierung zurück, überschlagen Sie sich förm lich mit solchen Maßnahmen. Also, das mit der Bürgerrechts partei ist auf jeden Fall zu dem Zeitpunkt beendet, ab dem die FDP mit in der Regierung ist. Das ist ein klares Ergebnis aus Nordrhein-Westfalen. Auch das müssen die Bürgerinnen und Bürger wissen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wie gesagt, das Thema ist aktuell und schwierig. Ich habe überhaupt keinen Anlass, anzunehmen, dass Thomas Strobl die Datenschützer etwa in die Nähe von Kapitalverbrechern rücken wollte. Das wollte er ausdrücklich nicht. Sie können

im Koalitionsvertrag sehen, dass der Datenschutz einen ho hen Rang genießt.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: In welchem?)

Im Koalitionsvertrag, der veröffentlicht ist, können Sie je derzeit – –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Im öffent lichen! Danke!)

Es gibt dazu auch keine Nebenabrede. Denn Datenschutz ist ein transparentes öffentliches Thema, und das können alle nachlesen. Wir lassen uns in jeder einzelnen Frage auch dar an messen. Datenschutz ist kein Täterschutz, und auch der In nenminister sieht das nicht anders.

Der Innenminister hat in einer zugespitzten Situation mal ei nen Satz herausgehauen, wie es in der politischen Diskussion stattfindet.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wie so oft!)

Aber weder die CDU noch der Minister sind ernsthaft der Auf fassung, dass Datenschutz Täterschutz wäre. Das ist unsere Erfahrung im Alltag dieser Koalition – gerade in den letzten Wochen.