Protocol of the Session on June 21, 2017

Aber weder die CDU noch der Minister sind ernsthaft der Auf fassung, dass Datenschutz Täterschutz wäre. Das ist unsere Erfahrung im Alltag dieser Koalition – gerade in den letzten Wochen.

(Abg. Sascha Binder SPD: Es ist bemerkenswert, dass Sie das extra betonen müssen! – Abg. Reinhold Gall SPD: Er hat es aber gesagt!)

Deswegen sollten wir hier die Kirche im Dorf lassen und uns den Problemen wirklich ernsthaft widmen.

Zu den Mautdaten haben Sie das Richtige gesagt. Es gibt ei ne klare Zusage von Bundesregierung und Bundestag aus dem Jahr 2002; an die fühlen wir uns gebunden. Da kann man die Bürgerinnen und Bürger jetzt nicht hinterrücks betrügen und etwas anderes machen. Aber die Diskussion über die Frage, ob Spielregeln des Jahres 2002 auch noch im Jahr 2017 gel ten, ist erlaubt. Das Denken ist nicht verboten.

An dieser Diskussion wird sich auch meine Fraktion konst ruktiv beteiligen. Was dann als Ergebnis herauskommt, ist of fen. Aber dieser Frage nachgehen wird im Übrigen auch der der FDP angehörende Vorsitzende der heute beginnenden Jus tizministerkonferenz. Er hat angekündigt, dass man diesen Fragen seriös nachgeht. Ich finde, auch die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht darauf, dass solche Fragen ohne Slapstick und ohne Satire geprüft werden. Das gilt auch für das Verkehrsministerium.

Datenschutz, sehr verehrter Herr Kollege Rülke, ist für uns unteilbar. Das gilt für alle Bereiche. Das gilt für die Digitali sierung, das gilt für den Kampf gegen Terrorismus. Aber das gilt selbstverständlich auch für die Überwachung der Einhal tung von Fahrverboten.

Jetzt noch einmal zu der Frage, was das Verkehrsministerium eigentlich gemacht hat. Das Verkehrsministerium ist in einer schwierigen Lage, weil es sich einer Klage der Deutschen Umwelthilfe ausgesetzt sieht. In dieser Verhandlung muss das Ministerium den Nachweis erbringen,

(Abg. Anton Baron AfD: Verlängerter Arm der Grü nen!)

dass es alle Möglichkeiten, Fahrverbote durchzusetzen – wenn die blaue Plakette nicht kommt –, geprüft hat. Das hat nichts damit zu tun, dass man sich anschickt, eine bestimmte Maß nahme auch tatsächlich zu ergreifen oder vorzubereiten.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ach so!)

Aber man muss sie geprüft haben. Selbstverständlich sind das Fragen von hoher Verfassungsmäßigkeit.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Also hat er gefragt, um es nicht machen zu müssen! – Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Er fragt nach den verfassungsmäßigen und datenschutzrecht lichen Voraussetzungen für den Einsatz dieses Mittels. Diese Frage ist erlaubt.

Dann gab es eine Aufregung; das war ein Sturm im Wasser glas,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Ach so! – Abg. Anton Ba ron AfD: Damit können Sie die Koalition auflösen!)

denn es ist nicht beabsichtigt, es tatsächlich zu machen.

(Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD)

Sie halten uns ja wohl nicht für so blöd, meine Damen und Herren,

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Doch! – Abg. Andreas Stoch SPD: Doch! Definitiv ja!)

dass wir zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten die automa tisierte Kennzeichenerfassung einsetzen. Sorry!

(Abg. Andreas Stoch SPD: Ja, warum frage ich dann nach? – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das ist ja Unsinn! – Abg. Sascha Binder SPD: Das ist Quatsch!)

Sie dürfen uns, den Grünen in Baden-Württemberg und den Grünen insgesamt, zutrauen, dass wir in der Lage sind, auch hier den Datenschutz hochzuhalten und die Verhältnismäßig keit zu wahren. Und das werden wir tun. Sie werden nicht er leben, dass aus Anlass der Ahndung von Ordnungswidrigkei ten derartige Mittel in Baden-Württemberg zum Einsatz kom men. Darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Andreas Stoch SPD: Kein Applaus bei der CDU! – Abg. Sascha Binder SPD: Große Zustimmung bei der CDU! – Abg. Jo chen Haußmann FDP/DVP: Das ist ja rechtlich noch schlimmer, wenn man es so sieht! – Gegenruf: Ja!)

Nein, das ist nicht schlimmer.

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Ihre Handlungs weise ist noch schlimmer!)

Nein. Alle Fragen müssen geprüft werden.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Auch Dinge, die ich nicht will! – Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Es muss in solchen Verfahren auch die Antwort gegeben wer den können: Wir haben uns auch mit dieser Frage auseinan dergesetzt, und es sind Gründe der Verfassungsmäßigkeit und des Datenschutzes, des Schutzes des Grundrechts auf infor mationelle Selbstbestimmung, die uns davon absehen lassen, diesem Instrument näherzutreten. Das ist die ganz klare Posi tion des Ministers, und daran gibt es überhaupt nichts zu deu teln. Damit ist diese Diskussion auch beendet, meine Damen und Herren. Daraus lässt sich kein weiterer Honig saugen.

(Abg. Sascha Binder SPD: Das bestimmen aber nicht Sie! – Gegenruf des Ministers Winfried Hermann)

Deswegen ist Datenschutz für uns unteilbar. Das war schon immer ein wesentliches Thema der Grünen, und zwar seit der Gründung unserer Partei. Wir hatten das Grundrecht auf in formationelle Selbstbestimmung sozusagen im Gründungs impuls.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Davon ist nicht mehr viel übrig!)

Das wissen die Bürgerinnen und Bürger. Dass sie sich darauf verlassen können, zeigt sich dieser Tage daran, wie wir agie ren. Deshalb: Der Datenschutz ist bei uns in guten Händen. Die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger vom März 2016, uns mit der Regierungsverantwortung zu betrauen, war richtig.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Razavi.

(Abg. Sascha Binder SPD: Sie gibt uns auch Brief und Siegel!)

Frau Präsidentin, meine sehr ge ehrten Damen und Herren! Auf die Frage, ob Datenschutz Ver brecherschutz ist, antworte ich: Natürlich nicht. Datenschutz ist Datenschutz, und er ist in unserer Gesellschaft und für un seren Rechtsstaat ein hohes Gut.

Deswegen, Herr Rülke: Dieses Thema ist von viel zu großer Tragweite und Wichtigkeit, als dass man morgens zum Früh stück einen Clown vervespern sollte, wie Sie das manchmal tun. Ich glaube, dieses Thema eignet sich wenig für Klamauk.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Denn: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Deswegen ist klar: Die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte der Bürge rinnen und Bürger, die im Grundgesetz verankert sind, ver pflichten den Staat in allem, was er tut. Vom orwellschen to talitären Überwachungsstaat kann also wirklich nicht die Re de sein; im Gegenteil.

Es ist aber ebenso klar: Der Datenschutz ist nicht absolut. Es gibt Rechte und Ansprüche, die höher wiegen als der Daten schutz. Wir haben allerdings gelernt, dass die Überwachung der Einhaltung von Fahrverboten nicht dazu gehört. Aber da zu gehört das Recht auf Schutz und das Leben von möglichen Terroropfern und die Pflicht des Staates, Straftaten wirkungs voll zu verfolgen.

Wir leben nicht nur in einer Zeit technologischer Entwicklun gen in Überschallgeschwindigkeit. Wir erleben eine Zeit neu er Bedrohungen im Cyberraum, und wir erleben schlimmste Formen internationaler organisierter Kriminalität. Wir erle ben eine Zeit, in der Terror auf der Tagesordnung steht: Ges tern Paris und London, heute Brüssel, und morgen? Und wir sind zu jeder Sekunde mit unseren Handys – auch hier im Saal – live dabei. Die Gefahr ist groß, dass wir uns daran gewöh nen.

In dieser Zeit ist es eigentlich nur eine rhetorische Frage, ob wir die Rechte der Bürgerinnen und Bürger und ihren An spruch auf Sicherheit in eine neue, kluge und zeitgemäße Ba lance bringen müssen. Ja, das müssen wir. Ich denke, diese Antwort ist klar.

Wir wollen die Daten der Menschen schützen. Wir wollen aber noch viel mehr: Wir wollen ihr Leben schützen, und wir müs sen ihr Leben schützen. Darum geht es. Menschenschutz geht eindeutig vor Datenschutz. Da haben Innenminister Strobl und Justizminister Wolf unsere volle Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Diese Koalition, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat ein zentrales gemeinsames Ziel: Baden-Württemberg soll das sicherste Land Deutschlands sein. Hierbei sind wir gemein sam auf einem sehr guten Weg.

Wenn wir draußen auf der Straße fragen, ist eines klar: Die Menschen erwarten von uns, dass wir alles tun, um Gewalt, Terror und Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Das erwar ten sie zu Recht.

Ich bin überzeugt, die Bürger im Land haben in solchen ele mentaren Sicherheitsfragen nur wenig bzw. kein Verständnis für akademische Feinsinnigkeiten. Was sie verlangen, ist ganz einfach: Sie verlangen, dass ihre Sicherheit Schritt hält mit den aktuellen Bedrohungen. Deshalb ist es selbstverständlich, dass wir uns mit neuen technischen Entwicklungen auseinan dersetzen.

Hightech ist eben nicht nur das Aushängeschild der Wirtschaft in unserem Land. Hightech wird auch missbraucht, um Straf taten zu begehen und Terroranschläge zu planen. Das ist die Realität. Wer davor die Augen verschließt, ist entweder naiv oder dumm, aber handelt auf alle Fälle grob fahrlässig.

Können wir es verantworten – diese Frage müssen wir uns stellen –, dass neue Medien und Gewohnheiten der Kommu nikation per se unantastbar sind, wenn es darum geht, Straf taten zu verfolgen und Anschläge zu verhindern? Können wir es verantworten, dass Textnachrichten in Messengerdiensten für uns schützenswerter sind als das gute alte Telefon, wenn wir wissen, dass Gefährder 80 % ihrer Kommunikation inzwi schen über genau solche Dienste abwickeln? Nein, ich mei ne, das können wir auf gar keinen Fall. Deshalb brauchen wir Antworten – technische und insbesondere auch rechtliche. Deshalb haben wir, die Koalition, dafür auch die Rechtsgrund lagen geschaffen.

Die Digitalisierung hat unser Leben im Guten wie im Schlech ten in einer Art und Weise verändert, wie es sich die Genera tionen der Gesetzgeber vor uns niemals hätten vorstellen kön nen. Ich wage auch einmal zu behaupten, dass auch viele von