Protocol of the Session on June 21, 2017

Gespannt bin ich natürlich, wie wir die ca. 500 Millionen €, die wir ab 2020 zusätzlich aus dem Mehrwertsteueraufkom men bekommen, hier in Baden-Württemberg verteilen dürfen. Der Landesregierung war bei den Verhandlungen im Bundes rat der Spatz in der Hand wichtiger als die Taube auf dem

Dach. Die Taube hat der Bundesfinanzminister behalten. Er kann mit einer zukünftigen Geldeinnahmequelle über Bun desstraßen, Bundesautobahnen die Erreichung des Ziels der schwarzen Null und des Schuldenabbaus sicher einfacher ge stalten, als das die Bundesländer in Zukunft tun können. Denn hier wurden Hoheitsrechte billig verkauft – einmal im Stra ßenbereich und einmal im Kulturbereich. Das war der Anfang. Ich bin einmal gespannt, wie das in den nächsten zwei Jahren hier noch weitergeht.

Jetzt habe ich die Befürchtung, dass das Land, das sich hier auch noch wachsweich in den Aussagen verhält, dieses Ge setz vielleicht auch deshalb nicht fortführen möchte, weil man nicht weiß, ob man sich diese Summen über 2020 hinaus über haupt noch leisten kann. Es möchte die Verantwortung even tuell an die Kommunen weitergeben. Denn wie heißt es im Leben oftmals? „Den Letzten beißen die Hunde.“ Wir von der AfD hoffen nicht, dass die Situation in dieser Form eintritt.

Geben Sie der Industrie, geben Sie den Verkehrsträgern, den kommunalen Verkehrsträgern ein klares Signal. Stimmen Sie auch hier im Landtag für die Anträge der SPD, speziell für den Antrag Drucksache 16/1827. Denn das ist sicher zunächst einmal ein Beginn. Das kann allerdings nicht die Höchstsum me sein, die man ab 2021 in diesem Bereich in Baden-Würt temberg investieren soll und muss. Denn über die 165 Milli onen € hinaus, die es, wie erwähnt, ja schon seit einigen Jah ren gleichbleibend gibt, muss mehr getan werden. Ich denke, das wissen auch alle Abgeordneten hier im Haus.

Stimmen Sie gegen den Änderungsantrag der Regierungsfrak tionen, denn er ist nichts weiter als eine Willenserklärung, ent hält aber keine definitive Aussage, wie es mit der Finanzie rung weitergeht.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Rivoir das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie ich an dieser Stelle bereits bei der ersten Lesung und dann auch im Ver kehrsausschuss gesagt habe, wird die SPD-Fraktion der vor liegenden Novelle zur Anpassung der Fördersätze zustimmen. Gerade kleinere Kommunen haben häufig Schwierigkeiten da mit, den Umbau von zahlreichen Bahnübergängen auf ihrem Gemeindegebiet zu finanzieren. Mit der vorgesehenen Lösung kommt man ihnen entgegen. Dadurch werden auch der Schie nennahverkehr und überhaupt die Schiene an sich gestärkt. Insofern signalisieren wir zu diesem Gesetzentwurf und die ser Änderung die entsprechende Zustimmung.

Große Sorgen – ich habe das auch bei der ersten Lesung hier und im Verkehrsausschuss ausgeführt – bereitet uns aber wirk lich die Tatsache, dass die Landesregierung bis heute noch keine Nachfolgeregelung für die Finanzierung des Landesge meindeverkehrsfinanzierungsgesetzes nach 2019 vorgelegt hat. Die jetzige Finanzierung läuft bekanntlich in zwei Jahren aus, und Städten und Gemeinden fehlt schlichtweg die Pers pektive. Das Nichthandeln der Landesregierung zwingt die Städte und Gemeinden zum Stillstand, weil sie nicht wissen,

wie viel Geld sie nach 2019 für ihre kommunalen ÖPNV-Pro jekte sowie für ihre Straßenbauprojekte zur Verfügung haben werden. Es fehlt in Baden-Württemberg schlichtweg die Pla nungssicherheit für den Ausbau des ÖPNV.

Meine Damen und Herren, es ist fast schon schizophren: Die selbe Landesregierung, die durch ihre Politik der Fahrverbo te die Menschen sozusagen in den ÖPNV zwingt und dort den Druck erhöht, vertrödelt es auf der anderen Seite, zeitgleich den notwendigen Beitrag zu dessen Ausbau zu leisten. Was hier stattdessen geboten wird, sind Ankündigungen und Mo gelpackungen, beispielsweise dieses Programm im Umfang von 50 Millionen € für die Straßen- und Stadtbahnen, für die Ersatzbeschaffungen – das heißt, nur wer eine alte Straßen bahn verschrottet, bekommt eine neue.

Aber wir reden nicht von der Beibehaltung des Gleichen, vom Stillstand im ÖPNV, sondern wir alle wollen ja den Ausbau. Deswegen müsste mit einem solchen Förderprogramm auch die Neubeschaffung gefördert werden; es müsste gefördert werden, wenn Städte in neue Straßen, in neue Linien inves tieren. Das alles wird hier nicht gemacht. Wir brauchen aber nicht nur die Förderung der Ersatzbeschaffung, sondern auch die Förderung der Neubeschaffung.

(Beifall bei der SPD – Abg. Nicole Razavi CDU: Wa rum habt ihr euch denn in den letzten fünf Jahren da gegen gesperrt?)

Wir haben uns nicht dagegen gesperrt,

(Abg. Nicole Razavi CDU: Doch!)

sondern wir waren in Gesprächen, Frau Kollegin Razavi.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ja, aber nichts ist passiert! In eurer Regierungszeit ist nichts passiert!)

Wir hätten dies entsprechend auf den Weg gebracht und hät ten ein vernünftiges Ausbauprogramm aufgelegt, mit dem auch Neubeschaffungen gefördert worden wären, statt solch einer verunglückten Maßnahme, wie sie nun im aktuellen Haushalt steht.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Wir machen wenigstens etwas! – Gegenruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Eben!)

Meine Damen und Herren, wir müssen uns also grundsätzlich darüber einig sein, dass das Land mehr Geld zur Verfügung stellen muss, um es den Aufgabenträgern, den Verkehrsunter nehmen zu ermöglichen, mehr Busse und Bahnen auf Straße und Schiene zu bringen. Wir brauchen – das ist unsere tiefe Überzeugung – in Baden-Württemberg jetzt eine kraftvolle ÖPNV-Offensive. Die Zeit hierfür ist reif. Wir hatten ja vor hin gerade wieder die Diskussion über die Situation in Stutt gart. Die Zeit ist reif, um den ÖPNV, den Nahverkehr in Ba den-Württemberg wirklich nachhaltig zu stärken.

Sie haben nun einen Antrag gestellt und hier vorgelegt – wohl nur deshalb, um unserem nicht zustimmen zu müssen; das ist, wie ich finde, auch sehr kleinmütig –, der, meine Damen und Herren, saft- und kraftlos ist. Ihnen fehlt der Schwung, und Ihnen fehlt der Wille, den Nahverkehr in unserem Land wirk lich nach vorn zu bringen. Es kommen erste Ankündigungen,

man wolle ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen. Ich bin froh, dass unser Druck und unsere vielfältigen Diskus sionen hier im Parlament und auch außerhalb jetzt doch Be wegung in diese Angelegenheit gebracht haben.

Es wurde nun gesagt: „Na ja, wir werden womöglich diese 172 Millionen €, die jetzt schon fließen, mit einer kleinen Dy namisierung fortschreiben.“ Meine Damen und Herren, dar um geht es, finde ich, nicht. Es geht nicht darum, die jetzigen Mittel, die zur Verfügung stehen, einfach weiter fortzuschrei ben. Wenn man es damit ernst meint, wenn man hier in Ba den-Württemberg den Nahverkehr wirklich ausbauen und auch im ländlichen Raum gute Verbindungen haben und dort Dinge umsetzen will, dann muss man dazu deutlich mehr Geld in die Hand nehmen.

Angesichts der guten Haushaltslage und der guten Steuerein nahmen, wie sie im Moment da sind, stelle ich hier einfach mal als Marke 300 Millionen € in den Raum. Das ist unsere Überzeugung; das ist unser Vorschlag, wie wir zukünftig, ab 2020, diesen Topf ausstatten müssen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Bernd Gögel AfD)

Dieser Betrag ist ambitioniert, aber, wie ich sagte, angesichts der Finanzsituation des Landes, angesichts der Rücklagen, an gesichts der steigenden Steuereinnahmen ist dies richtig und gut angelegtes Geld für den ÖPNV in Baden-Württemberg.

Wir sind der Meinung, dass diese Fördersätze entsprechend geändert werden sollten. In unserer Regierungszeit haben wir es so gemacht, dass 60 % der Mittel für ÖPNV-Projekte und für die Fahrzeugfinanzierung zur Verfügung standen und der Rest in die Straßen floss. Sie haben dies nun geändert. Die Grünen waren ja damals bei den 60 % mit dabei. Nun kommt die Komplementärkoalition, und die Mittel für den ÖPNV werden zusammengestrichen; die Straße wird wieder nach oben gegeben – wie auch immer.

Unsere Vorstellung ist in der Tat wieder eine Finanzierung im Verhältnis 60 : 40. Ich denke, das wäre dann der richtige An satz, um den Ausbau des Nahverkehrs in Baden-Württemberg voranzubringen, damit unser Bundesland in der Tat der Vor reiter beim Ausbau der umweltfreundlichen Mobilität in der Bundesrepublik Deutschland wird.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Ein erster Schritt ist jetzt in der Tat, dass ganz schnell ein Vor schlag vorgelegt wird, wie das LGVFG in Zukunft aussehen soll. Das ist auch schon vor sechs Wochen angekündigt wor den. Wir sind gespannt, was da kommt.

Zu den Anträgen noch: Natürlich werden wir unseren Antrag zur Abstimmung stellen. Er wird dann offensichtlich keine Mehrheit finden. Wir werden dann Größe zeigen und auch dem Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU so wie des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE – Bra vo-Rufe von der CDU)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg: Auch die FDP/DVP-Landtagsfraktion wird dem Gesetzentwurf in die ser Form zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Herr Katzenstein freut sich.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Natürlich!)

Sie dürfen aber gern auch bei den weiteren Ausführungen ap plaudieren.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Kommt dar auf an! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das macht er jetzt nicht!)

Das würde mich dann noch mehr freuen.

(Abg. Felix Schreiner CDU: Sie könnten die Rede gleich zu Protokoll geben! Alles schon gesagt!)

Ein erster Schritt wird mit dem Gesetz erreicht: Bei der Be seitigung oder Sicherung von Bahnübergängen nach dem Ei senbahnkreuzungsgesetz wird die Förderquote von 50 auf 75 % erhöht. Wir haben schon damals bei der Absenkung der Förderquoten auf 50 % und den Festbetragsfinanzierungen immer darauf hingewiesen: Das wird insbesondere für größe re, verkehrlich bedeutsame Straßenbauprojekte, aber auch für Schienenprojekte mit Sicherheit dazu führen, dass die Ge meinden und die Kreise vor größeren Herausforderungen ste hen. Es soll ja noch Gemeinden und Kreise geben, die nicht über die Wirtschaftskraft, die Steuerkraft verfügen, insbeson dere bei größeren Projekten das wirtschaftliche Risiko durch diese Absenkung übernehmen zu können.

Was hat man schon in der letzten Regierung gemacht? Man hat gesagt, man will mehr machen, will aber nicht mehr Geld zur Verfügung stellen. Man hat die Bagatellgrenzen und die Förderquoten reduziert und hat die Fördertatbestände erwei tert.

Wenn man nun sieht, dass man gleichzeitig zu Recht über al le Fraktionen hinweg auch sagt: „Wir wollen vom Bund mehr Regionalisierungsmittel für unseren Schienenpersonennah verkehr, und das muss auch dynamisiert werden“ – man hat da ja auch gute Fortschritte erreicht –, dann sollte man, wenn man Forderungen an den Bund stellt, auch überlegen, ob man nicht auch beim LGVFG genauso vorgeht und sagt: „Wenn ich schon mehr Fördertatbestände habe, wenn ich die Baga tellgrenzen reduziere, dann wäre es für die Kommunen nur recht und billig, wenn ich auch das Gesamtvolumen der Ent flechtungsmittel erhöhe.“ Das hat man nicht gemacht. Das kri tisieren wir. Wir fühlen uns jetzt ein Stück weit auch bestä tigt, indem nun auch gesehen wird, dass die Absenkung der Förderquote zunehmend Schwierigkeiten bereitet.

Deswegen wäre es uns wichtig, dass man jetzt insbesondere die größeren Projekte evaluiert, um zu sehen, inwieweit die abgerechneten Beträge tatsächlich dazu geführt haben, dass die Gemeinden und Kreise erheblich mehr Mittel investiert haben, und um dann auch zu prüfen und zu entscheiden, ob man die Förderquoten von 50 % etwas anhebt. Es gibt bei

spielsweise einen Vorschlag der Industrie- und Handelskam mer Heilbronn-Franken, doch gleich Festbeträge mit 60 % zu machen. Dafür sehen wir es als notwendig an, eine Evaluie rung der Projekte in den letzten Jahren durchzuführen, um zu dieser Entscheidung zu kommen und gleichzeitig auch den Gesamtbetrag, den wir für diese Projekte zur Verfügung ha ben, zu erhöhen.

Dank der SPD ist die Regierungskoalition jetzt motiviert wor den, einen eigenen Antrag zu stellen. Ich sehe es auch so wie Kollege Rivoir, dass wir dann sicherstellen müssen, dass die sem Antrag tatsächlich auch die finanziellen Ressourcen fol gen.

Vom Verfahren her kann ich mich den Worten des Kollegen Rivoir anschließen. Denn es ist immer noch besser, einen sol chen Beschluss zu haben, als gar keinen Beschluss zu haben. Insofern hoffen wir aber, dass vielleicht doch noch der eine oder andere aus der Regierungskoalition dem SPD-Antrag Folge leisten wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)