Die Digitalisierung hat unser Leben im Guten wie im Schlech ten in einer Art und Weise verändert, wie es sich die Genera tionen der Gesetzgeber vor uns niemals hätten vorstellen kön nen. Ich wage auch einmal zu behaupten, dass auch viele von
uns – wenn nicht sogar alle – sich gar nicht vorstellen kön nen, was im digitalen Zeitalter so alles möglich ist.
Wenn Sie, Herr Rülke, Benjamin Franklin zitieren und sich auf ihn berufen – er wurde im Jahr 1706 geboren –, dann grei fen Sie schon weit in die Klamottenkiste. Benjamin Franklin hat sich das, was heute passiert, sicherlich nicht vorstellen können.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ist Hum boldt auch Klamottenkiste? – Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)
Wenn hier ignoriert wird, was auch in dieser Zeit passiert ist, dann muss ich mich schon fragen, Herr Rülke, ob die FDP/ DVP noch auf der Höhe der Zeit ist.
Denn es gilt vor allem: Politik beginnt gerade heute mit dem Betrachten der sich verändernden Wirklichkeit. Deswegen muss sich auch das Recht ständig weiterentwickeln – nicht vorauseilend, aber im Einklang mit dem technischen Fort schritt. Deswegen hat unser Innenminister hier auch völlig recht, dass wir handeln müssen. Die Rechtslage ist nämlich ziemlich widersinnig.
Ich nenne zwei Beispiele: Wenn ein Terrorist per E-Mail ei nen Anschlagsplan verschickt, dürfen die Behörden diese E-Mail abfangen. Wenn dieselbe Datei aber auf seinem Com puter abgespeichert ist, haben sie keinen Zugriff. Das ist ta bu. Das ist absurd und lebensfern und hat mit dem digitalen Alltag der heutigen Zeit nichts mehr zu tun.
Zweites Beispiel: Nehmen wir den Auslöser dieser Diskussi on, nämlich die Nutzung von Lkw-Maut-Daten, die schluss endlich zum Fahndungserfolg in Endingen geführt haben. Man muss sich das einmal klarmachen: Wir sammeln jeden Tag Millionen von Kennzeichendaten. Diese werden automa tisch erfasst, gesammelt, ausgewertet, um Rechnungen zu schreiben, um Mautrechnungen zu drucken. Dass das aber ver fassungsrechtlich legitimer sein soll, als mit diesen Daten schwere Gewaltverbrechen aufzuklären, versteht niemand.
Auch ist es völlig bizarr, dass wir den deutschen Strafermitt lern dieses Instrument verweigern, aber gleichzeitig dankbar dafür sind, dass uns die Österreicher dabei helfen.
Wir müssen aufpassen, meine Damen und Herren, dass wir hier keine lebensfernen Grenzen ziehen. Wir müssen aufpas sen, dass wir unsere Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terrorismus nicht blind machen. Wir dürfen es nicht zulassen,
dass die Terroristen im Cybercar unterwegs sind, während un sere Ermittler im Ochsenkarren irgendwie hinterherhumpeln.
Deswegen ist z. B. auch die Onlinedurchsuchung ein sinnvol les, notwendiges und folgerichtiges Instrument, das wir ein setzen wollen und müssen.
Gleiches gilt für die Nutzung von Telefondaten. Heute gilt: Wenn ein Verbrechen passiert, dürfen diese Daten zur Aufklä rung genutzt werden. Um aber einen Terroranschlag mit even tuell vielen Toten zu verhindern, dürfen wir sie nicht verwen den. Das, meine Damen und Herren, ist unverantwortlich.
Dass solche Instrumente nicht der Willkür ausgeliefert sind, versteht sich in einem Rechtsstaat von selbst. Dafür gibt es ganz konkrete Ermächtigungsgrundlagen, Richtervorbehalte und weitere Schranken. Meine Damen und Herren, ich glau be, wir haben alle zusammen die Verantwortung und die Pflicht, die Sicherheit der Menschen im Land im Rahmen ei nes wehrhaften Rechtsstaats zu stärken. Darauf müssen wir Antworten finden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Her ren! Im veröffentlichten Koalitionsvertrag der Komplemen tärkoalition wurde auf Seite 71 die folgende Formulierung aufgeführt – ich zitiere –:
Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden. Deshalb ist es wichtig, dass staatliche Organe in einem klar fest gelegten Rahmen Informationen erhalten, austauschen und verarbeiten können, die zur Kriminalitätsbekämpfung sachdienlich sind.
Wir gehen einfach einmal gutgläubig davon aus, dass es hier zu keine anderslautenden oder sonstigen Nebenabsprachen gibt.
Das sind also markige Worte, welche vermutlich in der Koa litionsprosa vom kleineren Partner kommen. Doch muss wohl auch der Naivste oder der Gutgläubigste hier bald erkennen, dass das Thema Feinstaub und der Feldzug gegen den Ver brennungsmotor manchem ideologisch verbohrten Grünen wichtiger sind als konsequente Verbrechensbekämpfung.
Denn die Grünen wollen unter dem Deckmäntelchen des Schlagworts Datenschutz keine Nutzung von Mautdaten zur Verbrechensbekämpfung ermöglichen, jedoch alle Autokenn zeichen erfassen, um die Einhaltung von Fahrverboten zu kon trollieren. So sehen die Prioritäten dieser Regierung aus.
Dass ausgerechnet die FDP/DVP diese heutige Debatte ange stoßen hat, verwundert einen umso mehr, als im Wahlpro gramm der FDP für Baden-Württemberg auf Seite 49 zu le sen ist – ich zitiere –:
Wir werden:... gegen jede Form der Vorratsdatenspei cherung, insbesondere bei Telekommunikations-, Maut- und Fluggastdaten eintreten.
(Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP: Falsche Formulie rung, falsch zitiert! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Falsch aufgeschrieben! Aber Sie können halt nur das vorlesen, was man aufschreibt! Ist okay!)
Also in der FDP wäre eine Verbrechensbekämpfung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wohl ebenfalls Makulatur. Die Äußerung von CDU-Innenminister Strobl, auch Mautda ten zu nutzen, um schwere Straftaten, wie z. B. den schreck lichen Mord in Endingen, aufzuklären, ist im Übrigen eine schon sehr lange bestehende Forderung der AfD.
Für eines der höchsten Güter in einem funktionierenden Staat, nämlich innere Sicherheit, sprechen wir, die AfD, uns darü ber hinaus auch für die Verbesserung der Fahndungsmöglich keiten an neuralgischen öffentlichen Plätzen und Gebäuden durch Videoüberwachung aus.
Neuralgische öffentliche Plätze. – Und es muss endlich mög lich sein, vorhandenes DNA-Spurenmaterial auf körperliche und biogeografische Merkmale gesuchter Personen zu unter suchen, um zielgerichtete Fahndungsmaßnahmen zu ermög lichen. Dies ist längst möglich und ist längst überfällig.
Nicht umsonst haben wir, die AfD, bereits im letzten Jahr ei nen Antrag bezüglich der Erfassung von DNA-Merkmalen zur Täterverfolgung eingereicht. Wenigstens bei besonders schwe ren Verbrechen hat der Datenschutz hier zurückzutreten. Wer vergewaltigt, mordet oder anderen irgendwie sonst schweren Schaden zufügt, hat keinen Anspruch darauf, denselben Schutz zu genießen wie unbescholtene Bürger.
Wir, die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, fordern die Landesregierung auf, die Ermittlungsbehörden endlich mit allen technologisch und technisch möglichen Mit teln sowie den personellen und finanziellen Mitteln auszustat ten, die eine wirksame Verbrechensbekämpfung ermöglichen.
Wir fordern das Parlament auf, endlich auch die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit Kriminalität effektiv und effizient bekämpft werden kann.
Datenschutz ist zweifelsohne ein sehr wichtiges Thema, und die Bürger müssen vor Missbrauch geschützt werden. Aber wenn die Polizei zur Verbrechensbekämpfung und -aufklä rung – insbesondere selbst bei schweren Straftaten – bereits vorhandene und verwertbare Daten nicht nutzen darf, dann muss man dies als Realsatire oder als ideologisch linke grüne Absicht bezeichnen.