Protocol of the Session on April 6, 2017

(Abg. Thomas Blenke CDU: Und dann kommt Sei te 67!)

Es gab zwei Innenminister im Land Baden-Württemberg, die nicht nur die Notwendigkeit von großen Reformen erkannt haben – das haben viele, wie auch Sie zu Ihren Regierungs zeiten –, sondern die auch den Mut und die Weitsicht besa ßen, eine Reform gegen Widerstände umzusetzen. Das war Anfang der 1970er-Jahre Walter Krause mit der Kreis- und Gemeindereform, und es war 2012 mit der Polizeistrukturre form Reinhold Gall, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Es war Reinhold Gall, der diesen Ideen, die auch aus der Po lizei heraus kamen, den Weg geebnet hat. Ich darf einige nen nen, die auch jetzt in der Evaluierung deutliches Lob erfahren haben, etwa den Kriminaldauerdienst oder das eigenständige Polizeipräsidium Einsatz. Herr Kollege von der AfD, zu Ihrer Behauptung, die Sie immer in den Raum stellen und die dar auf abzielt, die Ausbildungskapazitäten und Standorte mitei nander in Verbindung zu setzen: Diese Evaluierung kommt gerade zu dem entscheidenden Schluss, dass die Trennung von Einsatz und Ausbildung genau richtig war, und rät, dies bei zubehalten,

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der AfD)

weil nur auf diese Art und Weise Ausbildung möglich ist.

(Beifall bei der SPD)

In der letzten Regierungszeit haben wir bereits auf Grundla ge der neuen Reform mehr ausgebildet als die Vorgängerre gierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Die Neuaufstellung des Staatsschutzes ist ein wichtiger Grund pfeiler im Kampf gegen den Terror und nach Aussage des Len kungsausschusses zwingend notwendig gewesen. Dies ist ein wichtiger Gewinn durch die Polizeistrukturreform.

Wir sind etwas überrascht: Der polizeifachliche Teil, also die ser erste Teil, ist gut fundiert und belegt; hierüber können wir auch diskutieren. Bei der Verkehrsunfallaufnahme fehlen uns allerdings noch die einen oder anderen Zahlen. Wie lang ist die durchschnittliche Eintreffzeit? Wo sind wirklich die lan gen Anfahrtswege? Müssen wir wirklich nur in die Ballungs räume, oder könnten wir auch dort Verkehrsdirektionen be halten, wo wir beispielsweise Autobahnpolizei usw. haben, wo die Anfahrtszeiten deutlich kürzer wären, als das vielleicht anderswo der Fall ist? Dieser Teil der Evaluierung ist aus un serer Sicht richtig und nachvollziehbar, und man kann über diesen auch ordentlich diskutieren.

Womit wir uns etwas schwertun, ist dieser, wie ich glaube, auch bewusst abgesetzte zweite Teil, wo es dann etwas poli tischer wird oder vielleicht auch ausschließlich politisch wird, nämlich die Frage nach der Anzahl der Präsidien. Da stelle ich mir die Frage: Wie genau begründen Sie das eigentlich? Sie haben etwa ein paar Allgemeinplätze, kriminalgeografische Gründe, ohne das tatsächlich mit Zahlen zu belegen, genannt. Die Evaluierung – darauf werden wir im Zuge der Diskussi on zurückkommen – kann auch nicht belegen, ob jetzt die Nachteile der alten Zuschnitte und der alten Anzahl durch den Vorschlag für eine neue Anzahl und für neue Zuschnitte auf gehoben werden, ob sich hierdurch tatsächlich die Probleme lösen lassen und welche weiteren Probleme in anderen Präsi dien dadurch entstehen. Das fehlt uns in diesem zweiten Teil.

Ich muss wirklich die Frage stellen, ob man bei der Anzahl aus politischen Gründen tatsächlich so weit gehen muss, be reits gut funktionierende Präsidien, bei denen auch die Noten bei der Umfrage ziemlich gut sind, beispielsweise das Poli zeipräsidium Ulm, auf Kosten von Wahlkreisinteressen zu be schneiden. Das halten wir für höchst fragwürdig, liebe Kolle ginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Das Gleiche gilt für die Personalstellen. Es ist, Herr Kollege Dr. Rülke, für uns eigentlich relativ egal, was in der CDUFraktion zur Zahl der Stellen gesagt wird. Wir sind überzeugt, dass man mehr als 120 zusätzliche Stellen braucht, wenn man zwei zusätzliche Präsidien benötigt.

Man kann zwar zusätzliche Stellen schaffen, doch wenn wir morgen zwei zusätzliche Präsidien aufbauen wollen, brauchen wir die Personen jetzt. Wo kommen diese Personen dann her, wenn nicht von den Revieren? Deshalb werden wir darauf achten, ob es dieser Regierung wirklich gelingt, zwei neue Präsidien zu schaffen. Um wieder dieses Beispiel mit den Häuptlingen und den Indianern zu bemühen, sage ich: Wir se hen eine große Gefahr darin, um mehr Häuptlinge zu schaf fen, das erforderliche Personal bei den Indianern abzuziehen. Dem werden wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Beim Endausbau der 14 Präsidien wird es mit dieser Verlage rung von 800 Stellen nach unserer Auffassung notwendig sein, wieder ein Interessenbekundungsverfahren in der Polizei Ba den-Württemberg insgesamt durchzuführen, weil eben durch diese etwas schwer nachvollziehbare Erhöhung auch viele an dere Präsidien berührt sind und deshalb die Kolleginnen und Kollegen bei der Polizei die Möglichkeit haben müssen, im

Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens auf diese neue Struktur zurückzukommen.

Im Übrigen darf ich noch einmal nachfragen – Kollege Rülke hat vorhin ebenfalls schon danach gefragt –: Dieser 14-plusVorschlag verursacht Kosten in Höhe von ca. 30 Millionen €. Gleichzeitig lesen wir in der Zeitung, dass der Innenminister 74 Millionen € im Innenministerium einsparen muss. Das heißt: Wenn die Einsparauflage erfüllt wird und die 30 Milli onen € für die Veränderungen bei der Polizei bereitgestellt werden, müssen, Stand heute, im Innenministerium rund 100 Millionen € eingespart werden. Da muss man am Ende schon fragen, ob Wahlkreisinteressen bei der Erhöhung der Zahl der Polizeipräsidien gegenüber dem überwiegen, was wir tatsäch lich an Nutzen haben, oder ob das Geld, das dafür notwendig ist, nicht anderweitig in der Polizei besser angelegt wäre, Kol leginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, wir sind uns einig: Bis zum Sommer ist noch eini ges zu tun, damit der Wunsch von Innenminister Strobl in Er füllung geht, „dass die Mitarbeiter der Polizei“ – ich zitiere die dpa-Meldung vom 4. April – „keine schlaflosen Nächte in ihrem Sommerurlaub verbringen müssen, sondern dann schon wissen, wie die künftige Struktur aussieht“.

Aber wenn man bedenkt, wie viel Druck im Kessel der CDU ist – da gab es ja die Forderung nach 16 Präsidien – und wie dort die Diskussion läuft, will wahrscheinlich auch der Innen minister selbst keine schlaflosen Nächte im Sommerurlaub. Wir werden uns deshalb konstruktiv an dieser Diskussion be teiligen und hoffen, dass dann nach der Sommerpause Ruhe in der Polizei einkehrt und dass wir das, was polizeifachlich von der EvaPol empfohlen wird, maßvoll umsetzen.

Bei der Zahl der Präsidien stellen wir, wie gesagt, sehr große Fragezeichen in den Raum, weil es aus unserer Sicht nicht an ders gehen wird, als aus der Fläche Personal abzuziehen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung er teile ich Herrn Minister Strobl das Wort.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Wir müssen uns in Sachen Sicherheit in Baden-Würt temberg nicht verstecken. Ganz im Gegenteil: Wir sind Spit zenreiter in Sachen innere Sicherheit. Wir haben eine schlan ke Polizeiorganisation, die eine exzellente und hervorragen de Arbeit für die innere Sicherheit in Baden-Württemberg leis tet. Unsere Polizei ist spitze.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Das zeigt die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik. Nachdem über Jahre die Zahl der Straftaten in Baden-Württemberg an gestiegen war, konnten wir zum ersten Mal wieder einen Rückgang der Straftaten verzeichnen. Besonders erfreulich ist – das haben wir einer guten und intensiven Polizeiarbeit zu

verdanken –, dass wir nach zwölf Jahren die höchste Aufklä rungsquote bei den Straftaten in Baden-Württemberg haben.

(Abg. Jürgen Filius GRÜNE: Genau!)

Herzlichen Dank an unsere Polizistinnen und Polizisten für diese erfolgreiche und gute Arbeit, die sich in der aktuellen PKS widerspiegelt.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Das gilt insbesondere für den wichtigen Bereich der Dieb stahlsdelikte, die ein Drittel der Straftaten ausmachen. Ich freue mich besonders, dass es uns nun gelingt, den Anstieg bei der Wohnungseinbruchskriminalität umzukehren. Die Woh nungseinbruchskriminalität war bundesweit – auch in BadenWürttemberg – in den vergangenen Jahren sehr stark ange stiegen. Wir haben in Baden-Württemberg die Trendwende eingeleitet. Die Zahlen der Wohnungseinbruchdiebstähle ge hen zurück,

(Widerspruch des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

die Aufklärungsquote steigt, die Maßnahmen der baden-würt tembergischen Polizei, insbesondere unsere grenzüberschrei tenden Aktivitäten gemeinsam mit Hessen, Bayern und Rhein land-Pfalz, um diese hoch mobile, bandenmäßig organisierte Kriminalität in den Griff zu bekommen, zeigen erste Erfolge. Das ist gut so; es zeigt, dass wir eine effektive und gute Poli zei in Baden-Württemberg haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Gleichwohl erfordert die Gefährdungslage durch den interna tionalen islamistischen Terror weiter unsere ganze Aufmerk samkeit und Tatkraft. Wir haben weiterhin Handlungsbedarf. Wir müssen jeden Tag alles dafür tun, dass unsere Polizei noch schlagkräftiger, noch besser, noch schneller arbeiten kann. Das ist auch die Zielsetzung der Evaluation der Polizeistrukturre form. Hierzu habe ich eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Polizeistrukturreform der vorherigen Landesregierung evalu ieren soll. Ich habe ihr den liebevollen Namen „EvaPol“ ge geben und ihr zwei Vorgaben mitgegeben. Die eine war, dass spätestens am 31. März dieses Jahres der Endbericht zu der Evaluierung, die Anfang Oktober 2016 begonnen wurde, vor liegen soll; das war sportlich und ambitioniert. Die zweite war, dass es keine politischen Vorgaben gibt – mit der einzigen Ausnahme, dass ich darum gebeten habe: Legt euer Ohr an die polizeiliche Basis.

Ein Ergebnis des Evaluierungsberichts lautet – ich will ein mal mit dem unangenehmen Teil beginnen –, dass wir nach wie vor eine angespannte Situation bei den Personalstellen in der baden-württembergischen Polizei haben – trotz des 1 500erStellenprogramms, auf das wir uns in der grün-schwarzen Ko alition verständigt haben, trotz der Einführung der Bodycam und trotz der Modernisierung der Ausrüstung und der techni schen Ausstattung.

Deswegen, Herr Dr. Rülke, möchte ich Ihnen als Innenminis ter schon klar antworten: Veränderungen innerhalb der Poli zei dürfen in keinem Fall zulasten der operativen Basis vor genommen werden.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der AfD)

Das ist die klare Aussage der Evaluation.

Ich bin im Übrigen der Auffassung, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass EvaPol eine exzellente Arbeit geleistet hat. Wie man das politisch bewertet, ist jetzt in den nächsten Wochen zu diskutieren. Klar ist, dass der Lenkungsausschuss von Eva Pol hochkarätig mit Polizeifachleuten besetzt war – es gab al lein drei aktive oder ehemalige Landespolizeipräsidenten, die kommunale Seite war vertreten, die Justiz war vertreten usw. usf. Abg. Sckerl hat es, wie ich finde, richtig gesagt: Ihm ge hörte ein ausgewiesener Polizeifachmann an, der in der ge samten Republik wie kein Zweiter Reputation in Polizeiorga nisationsfragen genießt. Ich glaube, das war eine exzellente Gruppe. Sie hat unter einem hohen Zeitdruck eine exzellente und nachvollziehbare Arbeit vollbracht. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der FDP/DVP)

Was ich allerdings, Herr Kollege Binder und Herr Kollege Berg, ein bisschen sonderbar finde, ist, dass Sie wohlklingend die Exzellenz von EvaPol loben und sich dafür bedanken, in dem Moment aber, in dem dies Ihrem alten Weltbild oder Ih ren Wahlkreisinteressen widerspricht, sagen: Das war jetzt ganz schlecht, was die gemacht haben.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist richtig!)

Das geht nicht. Man muss den Dank dann schon auch ehrlich und auf das Ganze bezogen meinen, wenn man diese Exper tise lobt, und dies muss dann für alle Fragen gelten – auch wenn es der Sicht des eigenen Wahlkreises vielleicht einmal widersprechen mag.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Und dann muss es auch umgesetzt werden!)

Es muss umgesetzt werden. Darüber werden wir in den nächsten Wochen miteinander sprechen. Sie sind im Übrigen alle eingeladen, sich dabei einzubringen. Eine Bitte hätte ich allerdings: Wir sollten dabei genauso diszipliniert und kon zentriert und genauso an der Sache orientiert arbeiten, wie es die Expertengruppe getan hat.