Protocol of the Session on March 8, 2017

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Verkehrsminister Hermann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte war ja wieder mun ter.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Ja, hoffentlich! – Abg. Da niel Renkonen GRÜNE: Faktenfrei!)

Es gab wirklich interessante neue Allianzen, populistisch von ganz rechts bis links und in der Mitte die FDP/DVP, die neue populistische Allianz.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Lachen bei der AfD – Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Menschen verstand!)

Sie müssen sich einmal anschauen, wer bei wem klatscht. Wenn man das von vorn betrachtet, ist wunderbar zu sehen, was da alles zusammengeht.

(Abg. Anton Baron AfD: Das sagt der, der eine auto freie Stadt wollte!)

Meine Damen und Herren, es heißt ja in diesen Tagen gern: Wir leben im postfaktischen Zeitalter, weil jeder behaupten kann, was er will, ohne das groß zu begründen. Man bringt ein Zitat, einen Experten, und schon ist eine neue Wahrheit geschaffen. Ich kann Ihnen sagen: Ich halte das für eine gro be Fehleinschätzung.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Sie haben doch die gan zen Experten eingekauft! – Abg. Martin Rivoir SPD: Gutachteritis! – Abg. Anton Baron AfD: Sie entschei den nicht allein über das Gutachten!)

Die heutige Debatte zeigt, dass wir nicht im postfaktischen, sondern im präfaktischen Zeitalter leben. Sie haben noch nicht einmal die elementaren Daten zur Kenntnis genommen. Sie,

Herr Rivoir, Herr Gögel oder Herr Haußmann, Sie alle zusam men haben die wichtigen Daten nicht einmal zur Kenntnis ge nommen. Sie haben nur polemisiert, nichts gebracht, nichts präzisiert, nur Halbwissen vorgetragen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Oh, hat es wehgetan?)

Halten wir doch einmal fest: Seit 2005 gelten in Deutschland die Grenzwerte für Feinstaub, und diese werden seitdem in Stuttgart gerissen.

(Abg. Anton Baron AfD: Von wem?)

Heute Morgen hat Ihr Herr Meuthen hier das Plenum mit der Ansage zu belehren versucht: Gesetze gelten, und zwar im mer und für alle, und der Staat muss dafür sorgen, dass es so ist.

(Abg. Anton Baron AfD: Von wem sind die Gesetze?)

Davon haben Sie gar nicht gesprochen. Das ist übrigens deut sches Recht.

(Abg. Anton Baron AfD: Von der Europäischen Uni on!)

Jetzt kommen Sie natürlich damit: Das ist die böse EU. Das ist aber deutsches Recht. Das haben Sie nicht wahrgenommen. Seit zwölf Jahren gelten diese Grenzwerte. Sie werden nicht eingehalten. Sie müssen aber eingehalten werden.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Emil Sänze AfD: Sie sind doch schon länger Verkehrsminister!)

Hören Sie besser zu, dann verstehen Sie etwas.

Nehmen wir den NOx-Grenzwert: Der ist seit 2010 Gesetz. Die Regeln gelten seit damals, und sie werden nicht eingehal ten. Sie werden in Stuttgart etwa doppelt so oft überschritten wie erlaubt.

Jetzt kommt Herr Haußmann von der FDP/DVP und sagt, das käme alles über Nacht. Da kann ich sagen: Sie haben in den letzten zehn, zwölf Jahren die Verkehrspolitik verschlafen. Es geht um die Debatte darüber, wie man es schafft, die Grenz werte einzuhalten, die Menschen vor krank machenden Schad stoffen – das ist eben Feinstaub, das ist NOx – zu schützen, diese Schadstoffe zu reduzieren. Das ist das Ziel. Was ich ge hört habe, ist eine breite Allianz: Wir sind für den kleinen Mann, für den Dieselfahrer. Sie haben mehr den Diesel im Kopf als den Menschen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Es ist für mich nicht zu fassen, dass die stolze SPD, die in über 150 Jahren Geschichte für die Freiheit für die Menschen ein tritt,

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau! Freiheit!)

bei so einer Debatte nur an den „Dieselmann“ denkt

(Beifall bei den Grünen – Zurufe von der SPD: Und die Frau!)

und völlig vergessen hat, die Menschen, die an diesen Stra ßen – –

(Lebhafte Zurufe von der SPD)

Ja, unterbrechen Sie mich nur.

(Glocke des Präsidenten)

Ich habe Redezeit ohne Ende; Sie können dazwischenreden.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Selbstgefälliges Getue!)

Wer völlig übersieht, dass Menschen, die an diesen Straßen wohnen müssen,

(Abg. Martin Rivoir SPD: Jawohl!)

krank werden und sich gar keinen Diesel leisten können,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Richtig!)

sondern mit dem Fahrrad fahren müssen oder zu Fuß gehen müssen – –

(Abg. Martin Rivoir SPD: Hoi! Sich zumindest kei nen neuen Diesel leisten können!)

Diese Menschen haben Sie völlig aus Ihrem Blickfeld verlo ren.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Rivoir, Sie haben vorhin als AfD-Kritik gesagt: „Und die Erde ist eine Scheibe.“ Ja, so sehen Sie das auch.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Oh-Rufe – Widerspruch des Abg. Martin Rivoir SPD)

Das ignorieren Sie.

Wir haben also die Grenzwerte, und wir haben Belastungen. In Stuttgart – wir haben es vorhin gehört – werden die NOxGrenzwerte an 66 km Straße, an denen Menschen wohnen, überschritten und gibt es eine Feinstaubachse von gut 5 km mitten durch die Stadt. Das ist die Wahrheit.

In diesem Jahr verzeichnen wir schon zum Stand Ende Feb ruar 32 Tage, an denen die Feinstaubgrenzwerte überschritten wurden, obwohl im ganzen Jahr nur 35 Überschreitungstage zugelassen sind.

(Zuruf)

Das sind die Fakten, das sind die Herausforderungen. Dafür müssen wir Lösungen finden. Da können Sie als Opposition jetzt herumpolemisieren und als Lösung für das Feinstaubpro blem mit halbgaren Vorschlägen daherkommen, z. B. zu ei nem Nordostring, der dann vielleicht in 50 Jahren fertig ist,

(Beifall des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE – Abg. Sascha Binder SPD: Das ist die Lösung Ihres Koali tionspartners! – Abg. Martin Rivoir SPD: Was sagt die Ministerin im Bierzelt? – Glocke des Präsiden ten)

aber das alles sind keine Lösungen, sondern wir seitens der Regierung müssen diese ernsthaften Belastungen angehen, und zwar nicht nur in Stuttgart.