Protocol of the Session on March 8, 2017

Ich sage Ihnen noch einmal eines: Sie wissen es ja in Wirk lichkeit besser. Vor zwei Tagen war die Frau Wirtschaftsmi nisterin in Schriesheim im Festzelt beim Bund der Selbstän digen. Da hat sie gesagt, das Fahrverbot sei eine soziale Fra ge, es gehe nicht für die Handwerker. Sie hat dieses Fahrver bot gegeißelt. Im Bierzelt sagen Sie die Wahrheit, hier im Ple num hingegen kuschen Sie. Das ist die Wahrheit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der AfD sowie Abgeordne ten der FDP/DVP)

Für die FDP/DVP-Frakti on – –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wenn sich die SPD-Fraktion wieder beruhigt hat, fahren wir fort.

(Unruhe)

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrter Herr Prä sident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2017 wird in die politische Landesgeschichte Baden-Würt tembergs eingehen als ein Jahr des vielfachen Fehlstarts der grün-schwarzen Landesregierung.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

In der Leichtathletik wären wir da schon disqualifiziert. Re kordsteuereinnahmen ohne Schuldentilgung, Disput bei Ab schiebungen, desolate Selbstüberschätzung bei der Altersver sorgung und nun Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Ein derar tiger politischer Schnellschuss mit einem volkswirtschaftli chen Schaden in Milliardenhöhe und enormer sozialer Unge rechtigkeit ist politisch unverantwortlich und weder sinnvoll noch verhältnismäßig.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Andreas Stoch SPD)

Herr Kollege Rivoir hat ja gerade darauf hingewiesen. Ich er innere die CDU-Landtagsfraktion an ihr Wahlprogramm. Auf Seite 75 steht das drin, was Herr Rivoir noch einmal bestätigt hat. Der energiepolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfrak tion, Thomas Bareiß, hat sich noch am 23. Januar 2017 in der „Stuttgarter Zeitung“ ablichten lassen und gesagt: „Ein Fahr verbot würde nichts bringen.... Die blaue Plakette... ist un sozial und außerdem bürokratisch.“

Die CDU-Landtagsfraktion ist völlig abgetaucht. Ich erinne re daran, dass die verkehrspolitische Sprecherin der CDULandtagsfraktion in der letzten Legislatur bei verkehrspoliti schen Themen hier mehr Staub aufgewirbelt hat, als Stuttgart Feinstaub hat, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit – Beifall bei der FDP/DVP, der AfD und der SPD – Zuruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜ NE)

Herr Katzenstein, Sie haben gesagt, Sie hätten ein offenes Ohr für die Bürgerinnen und Bürger, und Sie wollten Härtefallre gelungen treffen.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Ich darf aus einer E-Mail zitieren, die mich in der letzten Wo che erreicht hat – diese E-Mail ging übrigens auch an die an deren Fraktionen –:

Ich wende mich hiermit direkt an Sie, um meinem Ärger Ausdruck zu verleihen und Sie aufzufordern, eine Totalent eignung meines zwei Jahre alten, neu gekauften Wagens zu verhindern. Im Vertrauen auf den umwelttechnischen Sachverstand sowie das integre und verantwortungsbe wusste Verhalten von Politik und Autoindustrie haben wir uns vor zwei Jahren einen nagelneuen VW-Bus gekauft.

Jetzt wissen wir auch, was Ministerpräsident Kretschmann mit „älteren Fahrzeugen in Baden-Württemberg“ meint. Fahr zeuge, die zwei Jahre alt sind, gehören in Baden-Württemberg also zu den älteren Fahrzeugen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)

Er hat gesagt: „Hier wird nichts verboten. Hier wird gesteu ert und gelenkt.“

(Abg. Daniel Renkonen GRÜNE: An die Anwohner denkt keiner!)

Diese Worte klingen für die Menschen in Baden-Württemberg wie Hohn. Das sage ich Ihnen an dieser Stelle.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD sowie Abge ordneten der SPD – Zuruf des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE)

Sie stellen jetzt fest, dass diese Entscheidung unausgegoren ist. Vergegenwärtigen Sie sich die Situation der Busunterneh men nicht nur in Stuttgart, sondern in ganz Baden-Württem berg, auch die der Busunternehmen, die vielleicht einmal mit Touristen zur Staatsgalerie oder zum Weihnachtsmarkt nach Stuttgart fahren wollen. Die fahren dann wahrscheinlich wo anders hin, weil sie ihre Fahrzeuge nicht so schnell umrüsten können.

Bemerkenswert ist auch, dass auch Busse betroffen sind, die das Land Baden-Württemberg noch mit einer Busförderung unterstützt hat;

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP/DVP, der AfD und der SPD – Zuruf des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE)

es sind also Mittel geflossen, die dann im Grunde zurückzu zahlen sind. Man sieht also, wie wahnsinnig „durchdacht“ die ser Schnellschuss war. Das ist, glaube ich, kein Politikstil, den wir in Baden-Württemberg zum Maßstab machen sollten, mei ne sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD sowie Abge ordneten der SPD – Zuruf des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE)

Ich frage mich auch, ob die Ausnahmen für die Handwerker dann so halten. Wenn ich an die Regelung bei der grünen Pla kette denke, würde ich den Handwerkern da nicht so viel ver sprechen.

Lieber Herr Katzenstein, unterhalten Sie sich einmal mit Au tohändlern. Es gibt Autohändler in Baden-Württemberg, die inzwischen keine Dieselfahrzeuge mehr in Zahlung nehmen. Das sollten Sie bei Ihren Härtefallregelungen ebenfalls be rücksichtigen.

(Zuruf des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE – Gegen ruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Fahrverbote bergen enormen sozialen Sprengstoff. Es gibt hier gar keine Analysen.

(Zuruf des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE)

Die Stadt Wien beispielsweise hat das Ganze einmal genau untersucht. Das sollte man in Baden-Württemberg vielleicht auch einmal durchführen. Da kommt jetzt noch einmal klar zum Ausdruck, dass eher Menschen mit höherem Einkommen die neuen Dieselfahrzeuge fahren und insbesondere die Fra ge, ob man sich ein neues Fahrzeug leisten kann, eben auch vom Einkommen abhängt, vor allem wenn man mit dem jetzt vorhandenen Fahrzeug einen enormen Wertverlust zu verkraf ten hat. Sie bringen mit dieser Entscheidung in Baden-Würt temberg im Prinzip also auch eine soziale Härte in diese schwierige Diskussion hinein.

Wir haben das Thema seit Jahren aufgegriffen – auch in der FDP/DVP-Landtagsfraktion. Ich erinnere an die Anträge, die wir in den letzten Jahren dazu eingebracht haben. Statt im letz ten Jahr diesen voreiligen Vergleich abzuschließen, wäre es wesentlich besser gewesen, zunächst einmal insbesondere am Neckartor alle Maßnahmen umzusetzen.

Lieber Herr Schreiner, Sie wollen ja auch die Sachlichkeit be tonen. Sie müssen mir jetzt einmal erklären, warum, obwohl bei Feinstaubalarm derzeit nicht zwischen den Dieseln Euro 5 und Euro 6 sowie Benzinern und Elektrofahrzeugen unter schieden wird, dann ab nächstem Jahr an Feinstaubalarmta gen keine Dieselfahrzeuge mehr nach Stuttgart fahren dürfen, obwohl wir die gleiche Feinstaubsituation haben.

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Es ist völlig unverantwortlich, eine solche Entscheidung zu treffen. Dann müssten Sie schon sagen: Es betrifft alle Fahr zeuge, und die werden aufgeteilt. Aber diese Entscheidung, Dieselfahrzeuge an Feinstaubalarmtagen zu sperren, ist im Prinzip völlig unverantwortlich und dem Thema gänzlich un angemessen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Poreski?

Nein, gestatte ich nicht.

Keine Zwischenfrage.

Wir haben vielfach die Maßnahmen unterstützt: Mooswände, Nassreinigung und durchaus auch die Absaugung. Wir haben das vielfach auch beantragt. Wir halten das für wichtig. Wir wissen, die neuen Euro-6- und vor allem die neuen Euro-6d-TEMP-Fahrzeuge sind sinnvoll einzusetzen. Wenn wir dem Vorschlag in Bezug auf die blaue Plakette folgen und Sie da noch ein oder zwei Jahre zuwarten, dann gibt es nur noch so wenige Altfahrzeu ge mit Euro-5-Diesel oder älter, dass wir im Grunde genom men die blaue Plakette unserer Meinung nach auch nicht mehr brauchen.

Es bleibt dabei: Wir lehnen Fahrverbote ab. Die FDP lehnt auch die blaue Plakette ab. Diese Maßnahmen sind weder sinnvoll noch verhältnismäßig.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Wir sehen darin eine ungerechtfertigte Enteignung der Auto fahrerinnen und Autofahrer in Baden-Württemberg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD sowie des Abg. Martin Rivoir SPD)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Verkehrsminister Hermann das Wort.