Protocol of the Session on March 8, 2017

Was wir auch nicht brauchen, ist Heiko Maas. Heiko Maas greift immer auf leere Worthülsen zurück und fordert Dialog ein. Unter Dialog versteht Maas wohl das Geschenkemachen an den türkischen Willkürherrscher Erdogan, dessen Land in puncto Pressefreiheit weltweit hinter Pakistan, Kambodscha und Äthiopien inzwischen auf dem 151. Platz rangiert,

(Zuruf der Staatssekretärin Bärbl Mielich)

Erdogan, der sich allen Ernstes erdreistet, Deutschland Nazi methoden vorzuwerfen.

Die Geschenke, die Erdogan erhält, sind üppig. 1,5 Milliar den € überwies und überweist die von allen guten Geistern verlassene EU von 2014 bis 2020 an die Türkei, u. a. – das muss man sich vorstellen – um dort den Menschenrechts schutz zu fördern.

(Lachen bei der AfD)

Man stelle sich das unter Erdogan einmal vor. Ja, Sie haben richtig gehört: Wir füttern einen Despoten, der in brutaler Wei se gegen Regierungskritiker vorgeht und der den Rechtsstaat aushebelt, mit Milliardenbeträgen, die für den Schutz von Menschenrechten vorgesehen sind, die dieser Mann völlig of fenkundig und schamlos torpediert. Das ist der blanke Hohn.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ja!)

Wie kann man sich bitte schön dermaßen über den Tisch zie hen lassen? Da fehlen sicherlich nicht nur mir die Worte.

Türkischen Wahlkampf auf deutschem Boden darf es nicht geben, schon gar nicht solchen der islamistischen AKP. Die Versammlungsfreiheit, auf die sich die türkischen Regierungs vertreter hier berufen, gilt nicht für Versammlungen, die mehr heitlich von Nichtdeutschen organisiert werden, weil diese nämlich keine Träger des in Artikel 8 festgeschriebenen Grund rechts sind – so der Staatsrechtler Christoph Degenhart. Die Bundesregierung hätte also durchaus eine rechtliche Handha be, nur hat sie offenbar nicht den Mut, der nötig wäre, um auch mal unkomfortables Recht knallhart anzuwenden, um sich als wehrhaft zu erweisen, wenn Despoten von außerhalb gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agitieren. Dies hier ist unser Land, und in unserem Land gelten unsere Re geln.

(Beifall bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

In dieser Causa brauchen wir vor allem eines: Wehrhaftigkeit. Ein Staat muss wehrhaft sein, Deutschland muss wehrhaft sein, auch gegen Erdogan, und zwar auch deshalb, um Des potenaufmärsche, die in der Bevölkerung hierzulande nicht unbegründeterweise Angst und Schrecken auslösen, künftig aufzuhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Das Wort für die SPDFraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! „Wie Gaggenau Weltpolitik macht“, lautet ei ne Überschrift in der „Süddeutschen Zeitung“; Kollege Wolf gang Reinhart hat eingangs aus dem Artikel zitiert. Immer dann, wenn sich der Landtag mit politischen Fragen beschäf tigt, die über die Grenzen Baden-Württembergs hinausreichen, die von bundes-, europa-, weltpolitischer Bedeutung sind, müssen wir natürlich auch immer wieder fragen: Was haben diese Themen mit unserem Land Baden-Württemberg zu tun?

Ich möchte das an den Anfang stellen, um deutlich zu machen, wie gefährlich diese Debatte, die in den letzten Tagen eine neue Dimension bekommen, neue Fahrt aufgenommen hat, für unsere Gesellschaft, für das Land Baden-Württemberg ist, in dem Menschen aus ganz unterschiedlichen Nationen seit Jahrzehnten friedlich zusammenleben. Ich glaube, BadenWürttemberg ist deswegen ein Musterbeispiel dafür, wie Men schen auch aus anderen Ländern mit Menschen aus Deutsch land friedlich und gut auf Basis unserer freiheitlich-demokra tischen Grundordnung zusammenleben können.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich stelle dies bewusst an den Beginn meines Debattenbei trags, weil es mir wichtig ist, dass wir in dieser Debatte nicht in Stereotype verfallen. Es gibt nicht „die Türken“. Es gibt auch nicht „die Türken“ in der Türkei. Es gibt auch nicht „die Menschen türkischer Abstammung“ – teilweise mit doppelter Staatsbürgerschaft oder auch mit deutscher Staatsbürgerschaft. Es sind Menschen, die hier bei uns leben und die sich bei uns, in unserer Gesellschaft zu einem riesengroßen Teil hervorra gend integrieren und mit Deutschen sowie mit Menschen aus anderen Ländern friedlich zusammenleben.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU)

Ich möchte dies deswegen an den Anfang stellen, weil ich glaube, dass der gesellschaftliche Frieden in Deutschland und in Baden-Württemberg dann bedroht ist, wenn Konflikte aus anderen Ländern in dieses Land, nach Deutschland, getragen werden.

Deswegen müssen wir aus der Debatte der letzten Tage auch die richtigen Schlüsse ziehen, meine Damen und Herren. Ich meine, die richtigen Schlüsse sind doch die, dass wir – und zwar vonseiten der Bundesregierung wie vonseiten aller po litisch Verantwortlichen – den Vertretern der türkischen Re gierung deutlich machen müssen, dass das, was in der Türkei derzeit passiert, mit unserem Verständnis von Freiheit, von Werteordnung, von Presse- und Meinungsfreiheit nichts zu tun hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP)

Wenn jetzt ein Verfassungsreferendum ansteht, mit dem die Demokratie zum Teil abgeschafft werden soll, dann spreche ich, glaube ich, für alle hier im Saal und für alle Mitglieder der deutschen und der baden-württembergischen Gesellschaft, wenn ich sage, dass es uns ganz besonders unwohl ist, wenn wir das Gefühl haben, dass auch in Baden-Württemberg Zie le propagiert werden, die nicht unsere Ziele sein können.

Deswegen, glaube ich, war es eine richtige Entscheidung, dass die Stadt Gaggenau diese Veranstaltung aus ordnungspolizei lichen Gründen abgesagt hat. Denn es geht nicht – das gilt für alle; das gilt für deutsche Antragsteller und genauso für ande re –, dass man unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Veran staltungsräume anmietet. Deswegen hat die Stadt Gaggenau eine richtige und wichtige Entscheidung getroffen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der AfD)

Uns allen ist es unwohl – das wurde von mehreren, auch bun despolitisch Verantwortlichen zum Ausdruck gebracht –, wenn sich diejenigen, die als Regierungsmitglieder in ihrem Hei matland die Meinungsfreiheit abschaffen, die Pressefreiheit nicht respektieren und Journalisten inhaftieren, bei uns auf das Freiheitsrecht der Presse- und Meinungsfreiheit berufen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Sehr gut!)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, was ist der richtige Schluss daraus? Aus meiner Sicht nützt die Debatte der letz ten Tage insbesondere einem, nämlich einem türkischen Staats präsidenten, der daran arbeitet, für sein Verfassungsreferen dum in der Türkei eine Mehrheit zu organisieren. Deswegen, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, sollten wir ihm nicht auf den Leim gehen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen, Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Es hat nichts mit Ap peasement zu tun, dass man Menschen, die besonders domi nant auftreten, quasi weich entgegentritt. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, wenn wir den Dialog mit den Menschen tür kischer Abstammung bei uns, in unserer Gesellschaft, aber auch mit türkischen Regierungsmitgliedern nicht abreißen las sen.

Genau dies tun Vertreter der Bundesregierung, so z. B. Heiko Maas, der an seinen türkischen Kollegen die Bitte gerichtet hat, ein Gespräch zu führen. Dem ist dieser nicht nachgekom men. Heiko Maas hat gerade, was den Fall von Herrn Yücel angeht, deutlich gemacht, dass die deutsche Bundesregierung – ich glaube, alle politisch Verantwortlichen in Deutschland – das, was dort passiert, nicht akzeptiert, und dass auch Äu ßerungen von Staatspräsident Erdogan, in denen er Deutsch land Nazimethoden vorwirft, absolut inakzeptabel sind und von allen politisch Verantwortlichen in Deutschland auch strikt zurückgewiesen werden.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU, der AfD und der FDP/DVP)

Jetzt geht es aber darum, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Deswegen halte ich es für richtig, dass wir den Dialog mit den Menschen, die hier bei uns leben, nicht abreißen lassen und dass wir alles tun, damit nicht neue Gräben in unserer Gesell schaft entstehen, und zwar Gräben innerhalb der türkischen Bevölkerung sowie auch zwischen türkischstämmigen, in Deutschland lebenden Menschen und der deutschen Bevölke rung und anderen Nationalitäten.

Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Gräben in Deutschland und in Baden-Württemberg entstehen. Deswegen bin ich da für, dass wir es aushalten, dass Verantwortliche aus der Tür kei – unter Beachtung der existierenden Meinungsfreiheit, aber auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Regeln, die in Deutschland gelten – hier sprechen dürfen. Aber wir müssen als deutsche Gesellschaft immer deutlich machen: Das höchste Gut, das wir haben, um in Freiheit zu leben, ist die Meinungsfreiheit, ist die Pressefreiheit und ist die Möglich keit des politischen Diskurses. Wir haben auch deutlich zu machen, dass wir all diejenigen unterstützen, die in der Tür kei dafür kämpfen. Das ist unsere Aufgabe, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen, Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Für die FDP/DVP-Frakti on erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rül ke.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion hat diese Aktuelle Debatte beantragt. Herr Kollege Reinhart, zunächst einmal haben Sie sich hinter die Entscheidungsträger der Stadt Gaggenau gestellt. Es ist für uns keine Frage, dass wir das tun. Es ist auch keine Frage, dass wir die Entscheidung des Gag genauer Bürgermeisters unterstützen.

Es geht aber primär nicht um fehlende Parkplätze oder feh lende Feuerlöscher, sondern es geht ganz grundsätzlich um die Frage, wie wir mit einer solchen Situation umgehen. Ich gebe Ihnen ausdrücklich recht, Herr Kollege Stoch, wenn Sie sagen: Es gibt nicht „die Türken“. Es gibt vielmehr viele in tegrationswillige Mitbürgerinnen und Mitbürger türkischer Herkunft oder Nationalität, die bei uns willkommen sind, weil sie gut integriert sind. Aber man muss sich auch die Frage stel len: Was ist bei der Integration schiefgelaufen, wenn andere Fahnen schwenkend einem Potentaten wie Herrn Erdogan hin terherrennen?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Erdogan ist ein autokratischer Potentat. Das ist deutlich ge worden. Es stellt sich schon die Frage, ob wir einem autokra tischen Potentaten und seinen Lakaien, die sich „Minister“ nennen, unser Land öffnen, um Propaganda zu betreiben. Herr Kollege Reinhart, Sie haben zu Recht gesagt: Er hat keinen Anspruch darauf. Sie haben daraus aber keine Analyse abge leitet, unter welchen Umständen und an welcher Stelle dieser Anspruch endet. Ich frage Sie, Herr Kollege Reinhart: Was muss denn ein türkischer Präsident noch äußern, damit wir deutlich machen: „Du hast keinen Anspruch, deine Propagan da hier bei uns im Land zu betreiben“?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Ja, das ist ja gut.

Herr Kollege Schwarz, Sie sprachen von wehrhafter Demo kratie. Ich frage Sie: Wo fängt denn wehrhafte Demokratie an, und was bedeutet wehrhafte Demokratie? Um es sehr deut lich zu sagen: Für einen Liberalen ist Meinungsfreiheit ein ho hes Gut, ist Versammlungsfreiheit ein hohes Gut, ist im Üb rigen auch die Pressefreiheit ein hohes Gut.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das haben wir so gesagt!)

Deshalb unterstreiche ich Ihre Forderung, man solle Herrn Yücel freilassen – aber nicht nur Herrn Yücel, sondern auch alle anderen, die Herr Erdogan in den Kerker geworfen hat.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Trotzdem hat auch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ihre Grenzen. Das sagt ja der Begriff „wehrhafte Demokra tie“ aus. Wenn beispielsweise jemand den Holocaust leugnet, dann sind wir nicht der Auffassung, dies sei von der Mei nungsfreiheit gedeckt.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: D’accord!)

Wenn jemand Volksverhetzung betreibt, dann ist das nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Und, Herr Kollege Schwarz, ich frage Sie: Was ist es anderes als Volksverhetzung, wenn Herr Erdogan unser Land mit der Nazidiktatur gleichsetzt? Da kann man doch nicht mehr sagen: Das ist von der Meinungs freiheit gedeckt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Zuruf von der AfD: Genau so!)

Oder wenn jemand antritt, um die Verfassung abzuschaffen, dann sagen wir nicht: „Das ist von der Meinungsfreiheit ge deckt“, sondern hier, genau an dieser Stelle, wird die Demo kratie wehrhaft.