Protocol of the Session on February 22, 2017

Der von mir geschätzte Kollege Wald hat uns, der SPD, gro ße Ehre angetan. Man könnte meinen, die SPD hätte in der letzten Legislaturperiode den Ministerpräsidenten gestellt.

(Abg. Tobias Wald CDU: Sie wollten auf Augenhö he mit den Grünen regieren! – Gegenruf des Abg. An dreas Stoch SPD: Davon kann bei euch nicht die Re de sein! – Abg. Rüdiger Klos AfD: Superminister!)

Zu viel der Ehre, aber trotzdem herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Haushaltsberatungen werfen ein besonderes Licht auf die Rolle des Parlaments im Geflecht der Gewaltenteilung zwischen Regierung und Parlament. Wir sprechen nicht umsonst vom Königsrecht des Parlaments. Die se Wahrnehmung des Königsrechts in sachgerechter Weise setzt zweierlei voraus: zum einen den Respekt gegenüber dem Parlament und zum anderen die selbstbewusste Wahrnehmung seiner Rechte durch das Parlament selbst.

Mir ist aufgefallen, dass der Herr Ministerpräsident und fast alle Fachministerinnen und Fachminister ihren Haushalt je weils hier in der Einzelberatung vertreten haben. Die Frau Fi nanzministerin hat dies nicht getan. Sie hat in der letzten De batte ihre Staatssekretärin vorgeschickt.

(Zuruf: Die kennt sich aus!)

Da müssen wir uns schon fragen: Warum?

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Vielleicht, Frau Ministerin Sitzmann, haben Sie sich zu Her zen genommen, was die SPD Ihnen schon lange vorwirft: Tricksen, Tarnen, Täuschen. Offensichtlich hat Sie das zur in neren Einkehr bewegt, und Sie waren mutlos und wollten nicht mehr hier ans Mikrofon.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Aber – das ist mir ernst, Frau Ministerin – der Landtag hat ei nen Anspruch darauf, dass Sie Ihren Haushalt hier vertreten und Ihrer Verantwortung als Ressortministerin gerecht wer den, so wie das die Verfassung des Landes Baden-Württem berg vorschreibt.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Richtig!)

Da hätten wir auch Ausführungen zum Einzelplan Ihres Hau ses, zum Einzelplan 12, zur mittelfristigen Finanzplanung von Ihnen erwartet. Davor haben Sie sich gedrückt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Das geht so nicht!)

Zur Wahrnehmung der Rolle im Rahmen des Königsrechts des Parlaments gehört es, dass die Regierung kontrolliert wird. Diese Kontrollfunktion gegenüber der Regierung ist nicht al lein Aufgabe der Opposition, sondern des Parlaments insge samt. Das setzt voraus, dass die Beratungen im Finanzaus schuss und hier im Hohen Haus den Regeln und den gesetz lichen Vorgaben entsprechend durchgeführt werden.

Wie halten es die Regierungsfraktionen damit? Anträge zur zweiten Lesung wurden teilweise erst kurz vor Toresschluss – am Abend vorher oder am Vormittag des Plenartags – ein gebracht. Es ist bei Anträgen nicht unüblich, dass sich im Lau fe der Beratungen noch Ergänzungen ergeben oder auch ta gesaktuell neue Aufgaben stellen. Aber hier handelt es sich um große Brocken, wie z. B. das Sicherheitspaket, obwohl das

Thema Sicherheit seit Monaten ein Topthema ist. Es wurde hier auf den letzten Drücker vorgelegt.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE meldet sich.)

Oder nehmen Sie Ihren Last-minute-Kompromiss zu den Mu sikschulen. Das war eher eine peinliche Nummer, die Sie da aufgeführt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch – Glocke der Präsidentin)

Lassen Sie eine Zwischenfra ge des Abg. Dr. Rösler zu?

Ja, gleich. – Sie haben ei ne Reihe von finanzwirksamen Projekten auf den letzten Drü cker vorgelegt und haben damit eine sachgerechte Beratung im Finanzausschuss und im Parlament unterlaufen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abg. Dr. Rösler, bitte.

Kollege Stickelberger, ich habe Sie in meiner letzten Rede – bei der zweiten Lesung – in Ihrer Funktion als Ausschussvorsitzender für Ihre stringen te und sehr lobenswerte Arbeit sehr gelobt.

Ist Ihnen aber klar, dass Sie im Augenblick nicht als Aus schussvorsitzender reden und dass es nicht üblich ist, dass ein Ausschussvorsitzender politische Attacken reitet?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist mehr als legitim! – Abg. Anton Baron AfD: Böse, böse! – Weitere Zu rufe)

Wir hatten in der letzten Legislatur auch den Kollegen Wolf – damals Finanzausschussvorsitzender – in dieser Form dar auf hingewiesen, und er hat sich daran auch gehalten.

Noch einmal: Sie wissen, wir schätzen uns, glaube ich, gegen seitig sehr, aber Ausschussvorsitz und politische Attacken sind voneinander zu trennen. Letzteres wäre eine Aufgabe des Kol legen Gruber.

(Abg. Sascha Binder SPD: Das ist eine reine Verfah renssache! – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir als SPD unterstreichen voll, was er sagt! – Weitere Zurufe – Glocke der Präsidentin)

Moment! Ich bitte um etwas mehr Ruhe. – Jetzt kann Herr Kollege Stickelberger antwor ten.

(Abg. Anton Baron AfD: Frau Präsidentin, das war so absurd!)

Herr Kollege Dr. Rösler, als Ausschussvorsitzender ist es, glaube ich, schon meine Auf gabe, darauf zu achten, dass die verfassungsmäßigen und ge setzmäßigen Rechte des Ausschusses gewahrt werden.

(Beifall bei der SPD und der AfD sowie Abgeordne ten der FDP/DVP)

Das habe ich getan.

Ich darf einen weiteren Punkt erwähnen, den großen Bereich Datenschutz. Die Fraktionen waren sich immer einig, dass dieser Bereich ganz wichtig ist. Daher haben wir dieses The ma auch beim Landtag angesiedelt. Was ist passiert? Die Vor gaben wurden zunächst zu den Resten zurückgestellt. Das ist okay, wenn intern zunächst noch Beratungsbedarf besteht. Das kann man akzeptieren. Aber dann wurden die Vorgaben erst zur zweiten Lesung wieder aufgelegt. Ich glaube, bei einem so wichtigen Thema, über das die Fraktionen bereits seit Ok tober untereinander kommuniziert haben,

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

wäre es im Interesse der Stärkung des Parlaments wichtig ge wesen, hier zusammenzuarbeiten und zu einer gemeinsamen Vorlage zu kommen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Wir nehmen ja auch in anderen Bereichen die Aufgabe wahr, an der Stärkung der Landtagsverwaltung, an der Stärkung des Parlaments interessiert zu sein. Deshalb sollten wir das dann auch für unsere eigenen Abläufe umsetzen und uns in den Be ratungen entsprechend verhalten.

Meine Damen und Herren, besonders gravierend ist in Bezug auf die Verschiebung der Gewichtung vom Parlament auf die Regierung die Thematik „Implizite Verschuldung“. Es ist na türlich richtig, neben den Kreditmarktschulden die implizite Verschuldung in Augenschein zu nehmen und zu schauen, wie man das in Zukunft regelt. Wir haben die Verpflichtung zur Nullneuverschuldung in der Zukunft, und wir nehmen natür lich auch die implizite Verschuldung ins Auge.

Für Kreditmarktschulden haben wir in § 18 der Landeshaus haltsordnung eine definitive Regelung. Jetzt steht im Haus haltsgesetz, dass § 18 so anzuwenden ist, dass auch mit dem Abbau impliziter Schulden die Verpflichtung zur Tilgung von Schulden erfüllt werden kann. Eine entsprechende Verord nung, die dann möglich ist, hat das Finanzministerium am 16. Dezember bereits erlassen.

Das bedeutet, dass uns im Haushaltsgesetz vorgegeben wird, wie ein anderes Gesetz, das schon besteht, auszulegen ist – ein Gesetz, das im Übrigen mit einer ganz anderen Intention geschaffen wurde –, und dass der Verwaltung wesentliche Re gelungen in diesem Gesetz zur eigenmächtigen Ausfüllung dieser gesetzlichen Ermächtigung vorbehalten bleiben. Das geht meines Erachtens schon an die Grundfesten des Gewal tenteilungsprinzips und verschiebt eigentlich die Balance zwi schen Regierung und Parlament zugunsten der Regierung.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD)

Ich habe auch Bedenken, ob dies mit unserer Verfassung in Einklang steht. In Artikel 61 der Verfassung des Landes Ba den-Württemberg steht:

Die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen kann nur durch Gesetz erteilt werden. Dabei müssen In halt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung be stimmt werden.

Dies geschieht gerade im Haushaltsgesetz nicht, sondern dies verschiebt die Entscheidungsbefugnisse auf die Exekutive, auf die Verwaltung. Das sollte sich ein Parlament nicht bieten lassen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Der Herr Ministerpräsident hat im Zuge der Sicherheitsdebat te, insbesondere im Zusammenhang mit terroristischen An griffen, darauf verwiesen, dass man bei Neuregelungen auch an die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen gehen müs se. So weit, so gut. Aber die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen ist, was die implizite Verschuldung angeht, aus meiner Sicht überschritten.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Rüdiger Klos AfD)