Ihres Vorgängers – ich zitiere – „ ist uns das EEG aus dem Ru der gelaufen“. Sonst werden wir immer noch mehr Mais, noch mehr Hochwasser, noch mehr Erosion und noch mehr unge schützte Böden in der Landwirtschaft bekommen. Warum müssen wir als Parlamentsneulinge das alles vorschlagen?
Wir freuen uns auf die nächsten vier Jahre und versprechen Ihnen eine anregende und intensive Oppositionsarbeit, gera
Herr Präsident, sehr geehrte Kolle ginnen und Kollegen! Kein anderes Ministerium – mit Aus nahme des Integrationsministeriums – ist im Koalitionsver trag in seinen Zuständigkeiten so stark beschnitten worden wie das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucher schutz. Breitbandstruktur, Tourismusförderung, Naturschutz, Landschaftspflege und der Nationalpark Nordschwarzwald, alle diese Bereiche wurden dem Ministerium entzogen. Auch wenn man dies beim Thema „Nationalpark Nordschwarz wald“ noch nachvollziehen kann – Herr Minister Hauk war ja ein erklärter Gegner dieses Projekts, und man konnte sicher nicht erwarten, dass er schlagartig vom Saulus zum Paulus mutiert –, so lässt sich bei den anderen Bereichen aber durch aus ein Fragezeichen setzen.
Auf der einen Seite können wir durchaus erfreut feststellen, dass das Volumen z. B. des Entwicklungsprogramms Ländli cher Raum oder des Programms FAKT, aber auch der Pro gramme für Biotoppflegemaßnahmen sowie die Fördermittel des Bundes und des Landes zur Komplementärfinanzierung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ oder auch die Flurneuordnung auf hohem Niveau verstetigt oder sogar erhöht wurden. Auf der anderen Seite muss man leider feststellen, dass sich dieses scheinbar positive Bild doch verschiebt, wenn man auch die enorm erhöhte globale Minderausgabe im Einzelplan 08 in Höhe von 19,4 Millionen € betrachtet. Sie wurde gleich ver fünffacht.
Verstärkt wird dieser Eindruck noch, wenn man bedenkt, dass die Erhöhung beim ELR-Programm durch Umschichtungen im kommunalen Finanzausgleich und somit aus kommunalen Finanzmitteln und nicht aus originären Landesmitteln finan ziert wird. Es ist deshalb auch in anderen Einzelplänen zu be fürchten, dass man die Ansätze mancher Titel nur darum üp pig erhöht hat, um die Erhöhungen möglicherweise wieder einzusparen, wenn es darum geht, die globale Minderausga be zu erwirtschaften.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, hinter diesem Zah lenwerk des Haushalts verbirgt sich noch ein anderes, ein eher politisches Problem. In kaum einem anderen Bereich liegen Grüne und CDU unserer Meinung nach so weit auseinander wie im Bereich der Land- und Forstwirtschaft. In der realen Politik wird nun nach und nach eine interessante Arbeitstei lung sichtbar, die sich auch in den kommenden Jahren mehr und mehr bestätigen wird. Sie geht so: Die Grünen sind mit dem Naturschutzbereich abgefunden; im Gegenzug versuchen die CDU und Sie, Herr Hauk, eine leise und möglichst unauf fällige Kehrtwende in der tatsächlichen Politik im Agrar- und Forstbereich zu machen. Bisher muss man sagen: ohne Erfolg.
Das zeigt auch die Begründung Ihrer Rücktrittsforderung ge genüber Frau Hendricks, die für eine naturverträgliche Land wirtschaft und eine Reform der europäischen Agrarförderung eintritt.
Der Hinweis, sie habe sich dabei nicht mit ihrem Koalitions partner abgesprochen, gilt im Umkehrschluss sicherlich auch für Ihre Forderung. Denn ich glaube kaum, dass Sie das mit Ihrem grünen Koalitionspartner abgesprochen haben,
Aber, sehr geehrte Damen und Herren, bei Schwarz-Grün wird sich in den folgenden Politikfeldern und -fragen der Gegen satz mit Sicherheit verschärfen: Wie geht es mit Pflanzen schutzmitteln und Glyphosat in der Landwirtschaft weiter? Wo sind Ihre Anstrengungen, endlich umzusteuern, hin zu ei ner umweltgerechteren Agrarwirtschaft? Wie sieht es mit An tibiotikagaben in der Tierhaltung aus? Wird überhaupt ernst haft kontrolliert, was das novellierte Tierarzneimittelgesetz längst – seit zwei Jahren – vorschreibt? Ich verweise auf un seren aktuellen Antrag zur Schaffung entsprechender Stellen im Veterinärbereich, der Ihnen heute zur Abstimmung vor liegt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wohin steuert der Wald? Weiterhin zu mehr Artenvielfalt? Altholz im Wald? Mehr Bannwald im naturnahen Wald? Geht es mit dem Bio landbau weiter aufwärts, so, wie es die Verbraucher wollen und nachfragen, oder wird er wieder links liegen gelassen, wie wir es aus der Vergangenheit kennen? Wir werden diese Ent wicklungen auf jeden Fall sehr sorgfältig beobachten.
Dieser Haushalt ist für uns kein Dokument des grundsätzli chen Wandels und keine Grundlage für eine innovativere Ag rarpolitik. Er finanziert das Vorhandene und schreibt es fort. So weit, so gut. Aber fast alle Landwirte wissen und spüren auch: Es geht agrarpolitisch nicht so weiter wie bisher, weder für die Landwirte selbst noch für die Umwelt. Beispielswei se wäre auch eine Milchkuh, die 15 000 Liter Milch gibt, kei ne Lösung, denn sie würde ungleich mehr Medikamente, Kraftfutter aus Übersee und Tierarztkosten bedeuten und da bei noch weniger lange leben und Milch geben als die heuti gen Hochleistungsmilchkühe.
Das Gleiche gilt sinngemäß für den Ackerbau, die Schweine- und Geflügelhaltung und die Landwirtschaft insgesamt. Land wirtschaft darf den kommenden Generationen und den Hof erben nicht weniger gesunde Böden, weniger gesundes Grund wasser, weniger intakte Natur hinterlassen – und das auch in Zeiten, in denen der aktuelle Grundwasserspiegel auf dem niedrigsten Stand seit 1913 ist.
Doch die Politik darf nicht allein mit neuen Grenzwerten, strengerer Düngeverordnung, dem Verbot bestimmter Pflan zenschutzmittel und Ähnlichem die Landwirtschaft erschwe ren, sondern sie muss auch für einen gesellschaftlichen Kon sens sorgen, in dem klar ist, dass wir alle für gesunde Land
schaften, Böden, gesundes Grundwasser sowie eine funktio nierende Natur auch zahlen müssen, wobei wir beim Thema Grundwasser durchaus honorieren, dass mit der SchALVO in Baden-Württemberg eine im Vergleich mit anderen Bundes ländern geringere Nitratbelastung erreicht wurde.
Das bisherige EU-Fördersystem leistet aber die Förderung von gesunden Landschaften, Böden, gesundem Grundwasser und einer funktionierenden Natur eben nicht im notwendigen Um fang. Das Geld kommt zum großen Teil bei riesigen Betrie ben an, aber zu wenig bei den Landwirten, die die Arbeit ma chen und davon leben müssen.
Damit hat es keine Lenkungswirkung und beschleunigt noch den Konzentrationsprozess, den die einen „Strukturwandel“ nennen und die anderen „Höfesterben“. Wir wissen, dass ei ne neue Agrarpolitik für die Zukunft auch Geld kostet. Des halb muss man die vorhandenen Fördermittel anders einset zen. Wir wissen, dass auch die Verbraucher mitspielen müs sen. Doch auch das sieht nicht so schlecht aus, wie viele mei nen.
Die Ansprüche der Verbraucher an Tierschutz und Lebensmit tel steigen. Dies drückt sich natürlich auch in der Bereitschaft aus, mehr für Lebensmittel zu zahlen. Bund und Länder müs sen neue Wege einschlagen. U. a. müssen die Mittel aus der ersten Säule der EU-Förderung in die zweite verschoben wer den, damit man sie gezielt für Leistungen verwenden kann, die eben mehr mit Umwelt- und Tierschutz sowie mit Quali tät einhergehen. Wir müssen die jetzt bereits möglichen Um schichtungen ausschöpfen. Es sind im Moment nicht einmal 5 %, die in der zweiten Säule liegen.
Der Haushaltsentwurf wird dieser großen Herausforderung leider – ich sage es einfach einmal so – noch nicht gerecht. Trotzdem steht die SPD bereit, an diesem neuen gesellschaft lichen Konsens mitzuarbeiten, bei dem am Ende Landwirt schaft, Verbraucher, Umwelt und der ländliche Raum die Ge winner sein müssen.
(Abg. Anton Baron AfD: Jetzt räumt Herr Bullinger auf! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP trinkt aus dem am Rednerpult stehenden Wasserglas.)
Herr Präsident, die aktive Immunisierung macht einen stark. Ich habe keine Angst, wenn schon jemand aus dem Glas getrunken hat.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kolle gen! Erlauben Sie mir zunächst den Hinweis: Es ist meine ers te Rede
Sie müssen mich aussprechen lassen – heute. Ich möchte dazu anmerken, dass ich einen Wunsch ans Präsidium habe. Ernährung, Lebensmittel, Kulturlandschaft, jeder achte Ar beitsplatz ist im vor- und nachgelagerten Bereich mit der Landwirtschaft verbunden. Ich glaube, es wäre gut, wenn wir bei der nächsten Haushaltsberatung dieses wichtige Thema nicht kurz vor Mitternacht, sondern weiter vorn auf der Ta gesordnung behandeln.
(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der Grünen, der CDU und der AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Das müssen Sie Ihrem Geschäftsführer sagen! – Abg. Sascha Binder SPD: Es ist doch gut besetzt! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Die FDP/ DVP ist halt nicht sehr zahlreich! – Abg. Winfried Mack CDU: Freitagmittag hätten wir noch Zeit! – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben schon ge hört, dass wir von ländlichen Räumen sprechen. Rund 70 % sind sogenannte ländliche Räume, je nach wissenschaftlicher Definition. Mehr als 40 % der Bevölkerung wohnen dort.
Unser Land – das haben wir schon gehört – ist deshalb so er folgreich, weil wir starke ländliche Räume haben. Wenn Sie sich die Arbeitslosenzahlen, die Arbeitsmarktzahlen anschau en, dann stellen Sie fest, dass die versicherungspflichtigen Ar beitsplätze in den letzten 20 Jahren nicht in den Metropolen und Zentren geschaffen wurden, sondern in Oberschwaben, Hohenlohe,
Franken, auf der Baar oder im Dreiländereck, also im ländli chen Raum – und dies trotz eines rasanten Strukturwandels in der Landwirtschaft und im Handwerk.
Tradition und Innovation hatten z. B. in den Siebzigerjahren mit den Bundesausbauorten oder mit dem segensreichen, vor bildlichen Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum – ELR – eine sinnvolle Unterstützung. An dieser Stelle möchte ich – das wiederhole ich, so oft ich kann – den ehemaligen Land wirtschaftsminister Gerhard Weiser nennen, der diese Zusam menhänge schon vor 30 Jahren erkannt hat, als die Grünen noch laufen lernten, meine Damen und Herren.
Mein Dank gilt vor allem auch den unterbezahlten Bäuerin nen und Bauern, den Forstleuten und Gärtnern für ihre Leis tung. Denn sie sorgen für sichere Ernährung, hochwertige Nahrungsmittel und eine Kulturlandschaft, um die uns viele beneiden.
„Nützen und schützen“ muss die Devise heißen und nicht „Be vormunden, verbieten und kalt enteignen“. Allerdings können die Leistungen der Kulturlandschaftspflege nicht weiterhin wie bisher fast zum Nulltarif erbracht werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die große Agrarpo litik – das wissen Sie – findet nicht hier am Nesenbach statt, auch nicht im MLR, sondern bei WTO, GATT, in Brüssel und Berlin.
Die Wirtschaftspolitik ist im Augenblick wie die Agrarpolitik sehr unsicher. Ich nenne nur drei Namen: Trump, Putin, Er dogan.