Protocol of the Session on February 8, 2017

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Grimmer das Wort.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Staatshaushaltsplan für Baden-Württemberg 2017 ist, was den Einzelplan 05 des Ministeriums der Justiz und für Europa betrifft, sehr ehrgei zig und ambitioniert. Das klingt ja durchaus beruhigend, geht es doch um nichts Geringeres als um die Justiz, die paragra fierte Form von Gerechtigkeit, die ein hohes Gut unseres Staa tes und unseres Gemeinwesens ist.

Eine wichtige Institution in Rechtsstaaten ist die Einrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Erst diese macht den Rechts staat überhaupt aus, denn gerade dort kann ein Recht gegen über dem Staat eingeklagt werden. Insofern steht und fällt der Rechtsstaat auch mit der Arbeitsfähigkeit seiner Gerichte, ins besondere seiner Verwaltungsgerichte.

Aber wie so oft steckt der Teufel im Detail. Deswegen sollte man im Staatshaushalt einen Blick auf die Verwaltungsgerich te werfen. Herr Robert Seegmüller, Vorsitzender des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, warnte im Januar dieses Jah res in der „Rheinischen Post“ vor einer Asylklagewelle, die 2017 auf die Verwaltungsgerichte zurollen werde.

Weiterhin will unser werter Innenminister Strobl eine härtere Abschiebepraxis umsetzen. Da aber gegen jede einzelne Ab schiebung Widerspruch eingelegt werden kann, über den im Zweifel ein Verwaltungsgericht entscheiden muss, wird auch diesbezüglich mehr Arbeit auf die Gerichte zukommen – mehr Arbeit, unter der die anderen Verfahren der Verwaltungsge richte nicht leiden dürfen, wenn diese ihrer Rolle für den Rechtsstaat in gewohnter Qualität nachkommen wollen.

Wird unser Haushaltsplan dieser Situation, diesen Anforde rungen gerecht? Ein Blick in den Einzelplan 05 wirft Zweifel daran auf. Auf Seite 7 des Einzelplans steigt das Plansoll der erledigten Fälle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 22 000 Fällen im Jahr 2016 auf 29 000 Fälle im Jahr 2017, al so um 30 %. Dieser Steigerung der erwarteten Arbeitsleistung stehen aber nur Erhöhungen der Personalkosten um 2,5 % ge genüber.

Die Zahl der R-1-Richterstellen an den Verwaltungsgerichten steigt im Entwurf der Landesregierung von 95 Richtern auf ganze 97. In der nächsthöheren Instanz, am Verwaltungsge richtshof, bleibt der Entwurf der Landesregierung, was den Personalbestand betrifft, sogar unverändert.

Wir sehen darin einen Keim für eine Überforderung der Ver waltungsgerichte. Damit alle Fälle dieser sehr wichtigen Ge richtsbarkeit trotz der sich anbahnenden Klagewellen in or dentlicher Qualität und in zügiger Geschwindigkeit entschie den werden können, beantragt unsere Fraktion mehr Geld für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, was auch eine deutliche per sonelle Aufstockung der Richterzahl an den Verwaltungsge richten ermöglicht.

(Beifall bei der AfD)

Ebenso sind aber natürlich auch die Strafgerichte und die Staatsanwaltschaften zu stärken. Mein Kollege Berg hat dazu schon einige Äußerungen getätigt. Auch der Kollege Lasotta hat sich gerade dazu geäußert. Es ist wichtig, dass Straftäter schon früh – möglichst zu Beginn ihrer kriminellen Karriere – und nicht erst nach einer Serie von Straftaten, wenn sie sich bereits auf eine kriminelle Karriere festgelegt haben, einem Gericht zugeführt werden können. Die beste Resozialisierung ist das frühe Herauslösen eines Straftäters aus der kriminel len Laufbahn, nicht das Herumschustern an Biografien, wenn jemand bereits auf der schiefen Bahn ist.

Wenn wir schon beim Thema Schief sind, ist noch zu beden ken, dass im Entwurf des Haushaltsplans auf der Einnahme seite Mehreinnahmen bei den Gerichtskosten und Gebühren in Höhe von 50 Millionen € erwartet werden. Generell ist zu begrüßen, wenn der Staat mehr Geld einnimmt. Die Kehrsei te der Medaille ist allerdings, dass Gerechtigkeit nicht zu ei nem Luxusgut verkommen darf. Wir denken hierbei vor al lem an den arbeitenden Teil der Bevölkerung, der zu viel ver dient, um in den Genuss der Prozesskostenhilfe zu kommen, aber zu wenig, um diese Kosten einfach so wegstecken zu

können, wie dies eine besser verdienende Klientel vielleicht kann.

Gerechtigkeit ist eine Kernaufgabe des Staates und darf nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit abhängig sein.

(Beifall bei der AfD)

Es ist kein befriedigender Zustand, wenn die Chancen der fi nanzschwächeren Seite von vornherein durch die zu erwar tenden Prozesskosten verbaut oder berechtigte Klagen aus Angst vor diesem Anteil unterlassen werden. Allein die recht lichen Argumente und nicht das Bankkonto der Streitparteien dürfen in der Waagschale der Justitia ihren Platz finden.

Auf der anderen Seite sind auch überflüssige Ausgaben im Haushaltsplan anzusprechen. Beispielsweise ist nicht einzu sehen, warum Prestigeveranstaltungen in der Vertretung des Landes in Brüssel, die häufig dem Staatslobbyismus dienen, vom Steuerzahler finanziert werden müssen.

(Beifall bei der AfD)

Ich nenne hier den Posten „Für die Sacharbeit zur Verbreitung des europäischen Gedankens“, den sich das Ministerium der Justiz und für Europa gönnt. Er dient vor allem der Verbrei tung politischer Ziele, für die die Parteien gern streiten dür fen, die aber nicht dem Steuerzahler zur Last fallen darf.

Ebenso muss gefragt werden, warum es eines Beobachters bei der Europäischen Union bedarf, wenn es bereits eine Landes vertretung in Brüssel gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Herren, wir beginnen ein Jahr 2017, in dem die Verwaltungsgerichte voraussichtlich vor einer Überforde rung stehen werden. In dieser Zeit muss für den Rechtsstaat geworben werden, indem die Gerichte sowie die Strafverfol gung und der sehr stark beanspruchte Justizvollzug gestärkt werden.

Der Glaube des Bürgers an den Rechtsstaat kann nicht durch Werbekampagnen, sondern nur durch die tatsächliche Arbeit in der Praxis gestützt werden. Dafür treten wir ein. Daher for dern wir von Ihnen, Herr Minister Wolf: Stärken Sie die Ge richte, stärken Sie den Rechtsstaat durch eine gute, auch eine personell gute Ausstattung der Gerichte, anstatt die dringend notwendigen Gelder in Prestigeveranstaltungen oder einen Staatslobbyismus in Brüssel zu investieren.

(Beifall bei der AfD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Fertig!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Binder das Wort.

(Abg. Tobias Wald CDU: Fertig!)

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Kollege, es ist fast alles gesagt worden! Bedenken Sie das! – Gegen ruf des Abg. Andreas Stoch SPD: Aber noch nicht von jedem!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Zimmermann, dieser Zwischenruf freut mich jetzt, weil er ei niges von meiner Rede schon vorwegnimmt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sehr gut!)

Es ist nämlich nicht alles gesagt worden.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Was?)

Ist Ihnen aufgefallen, dass selbst die Vertreter der Regierungs fraktionen über einen sehr bedeutenden Teil dieses Einzel plans kein einziges Wort verloren haben,

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Die Rede zum Tourismus kommt jetzt!)

den aber Ihr eigener Minister für so notwendig hielt, dass er ihn als Zusatz in seiner Amtsbezeichnung haben wollte?

(Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU)

Es war schon spektakulär, was wir da gerade erlebt haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU)

Ich hätte mir schon gewünscht, dass wir nicht nur über die Eu ropaflagge, die Deutschlandflagge und die Flagge von BadenWürttemberg reden, sondern auch über die politische Neuaus richtung des Tourismus in und für Baden-Württemberg. Das hätte ich zu diesem Einzelplan schon erwartet.

(Beifall bei der SPD – Abg. Karl Zimmermann CDU: Herr Kollege, da können Sie die Brücke schlagen zur Haftverbüßung in der Heimat! – Zuruf des Abg. An dreas Stoch SPD – Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Zimmermann! – Fahren Sie bitte fort, Herr Abg. Binder.

Solche guten Übergänge und Be gründungen für diesen Teil sind Ihren eigenen Koalitionskol legen nicht eingefallen. Insofern können Sie, Kollege Zim mermann, ja in Zukunft noch ein bisschen beim Redenschrei ben helfen.

Wir kommen ganz kurz zu dem Thema Europa. Ich will es in haltlich gar nicht groß betrachten, weil wir regelmäßig die großen europapolitischen Debatten hier im Haus haben und wir auch diesem Haushalt im Europateil zustimmen werden. Aber ob das Ministerium wirklich in der Form, wie es jetzt besteht, gut aufgestellt ist und das Thema Europa in diesem Ministerium wirklich so gut gebündelt ist, daran kann man schon einzelne Fragezeichen setzen – so zersplittert, wie das ganze Thema Europa zwischen Staatsministerium und diesem Europaministerium ist. Da hätte man, wenn man es schon in ein eigenes Ministerium packt, doch ein bisschen mehr Bün delung erwarten können.

(Abg. Tobias Wald CDU: So wie im Integrationsmi nisterium!)

Das können wir bei diesem Haushalt und bei dieser Zusam mensetzung nicht sehen.

(Beifall bei der SPD)

Die baden-württembergische Justiz hat einen exzellenten Ruf.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Oi!)

Herr Minister Wolf, Sie kennen diesen Satz. – Er nickt. Er steht im Vorwort des Berichts zum Staatshaushaltsplan 2017, und diese Aussage können wir, die SPD, nur unterstreichen. Dafür gilt unser Dank all denjenigen, die sich tagtäglich an den Gerichten und Staatsanwaltschaften, in den Justizvoll zugsanstalten oder in den Notariaten, Grundbuchämtern, bei den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern haupt beruflich oder ehrenamtlich, wie in der Bewährungshilfe, en gagieren. Herzlichen Dank.