(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Sascha Binder SPD: Sehr gut! Sogar Zimmer mann applaudiert!)
Die Grundbuchamts- und Notariatsreform schreitet weiter vo ran. Zum 1. Januar 2018 wird es in Baden-Württemberg, wie bekannt, kein staatliches Notariat mehr geben, sondern nur noch Notariate in freier Form. Für die Beschäftigten war und ist es eine massive Belastung, den Umbruch zu verkraften und sich auf die jeweilige neue Situation einzulassen. Meine Frak tion steht in regelmäßigem Kontakt mit den Interessenverbän den der Notarinnen und Notare. Sowohl für die Servicekräf te als auch für die Notare ist jeder Tag aktuell eine neue Her ausforderung. Für ihren unermüdlichen Einsatz in dieser schwierigen Situation, in diesem schwierigen Prozess herzli chen Dank.
Nochmals sei darauf hingewiesen, dass genau diese Grund buchamtsreform und Notariatsreform die größte Umwälzung der Justiz in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten ist.
Wenn wir heute in die Welt blicken – sei es nach Russland, in die Türkei oder in die Vereinigten Staaten von Amerika –, so wird klar und deutlich, wie wichtig die Judikative, die dritte Gewalt, für unsere Demokratie ist. Richterinnen und Richter sind keine Beamten. Sie sind unabhängig und damit nicht der Exekutive unterstellt. Dies sollten wir uns immer wieder ver gegenwärtigen. Gerade in der heutigen Zeit wird einem be sonders deutlich, dass die Unabhängigkeit der Gerichte von besonderer Bedeutung ist.
Sie zu stärken und zu fördern ist deshalb unsere Aufgabe. Ei ne zuverlässige Justiz kann nur mit genügend und gut ausge bildetem Personal gelingen. Deshalb haben wir in allen Be reichen der Justiz neue Stellen geschaffen. Wir haben 74 neue Stellen für Richterinnen und Richter und Staatsanwälte sowie 38 Stellen in den Grundbuchämtern geschaffen. Zudem wird im Bereich der Ausbildung durch Mehrausgaben aufgrund veränderter Ausbildungskapazitäten für 100 weitere Referen darinnen und Referendare sowie 41 weitere Gerichtsvollzie heranwärterinnen und -anwärter Sorge getragen. Auch die Si cherheit in Justizgebäuden wird durch neue Personalstellen erhöht. 21 Stellen werden für den Justizwachtmeisterdienst eingeplant. Die Schaffung der Stellen in der Justiz soll vor al lem eine Beschleunigung der Verfahren besonders in Straf prozessen mitbewirken, aber auch eine Reduzierung der ext remen Arbeitsbelastung.
(Abg. Sascha Binder SPD: Ich habe gedacht, Touris mus! – Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Wir war ten alle auf Tourismus!)
Nein, an dieser Stelle gehe ich auf den Bereich Europa ein. – Die Europäische Union hat in den letzten Jahren unseren Frieden, unsere Sicherheit, unseren Wohlstand garantiert. Wir wollen auch in Zukunft am europäischen Einigungsgedanken festhalten und unseren Beitrag dazu leisten. Hier in BadenWürttemberg werden wir Dialogforen einrichten und die Men schen nach ihrer Vision von Europa fragen. In Brüssel wer den wir die EU auch weiterhin tatkräftig bei den anstehenden Aufgaben der Zukunft unterstützen, so z. B. auch bei der Be kämpfung von Fluchtursachen.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Justiz, die dritte Gewalt, und das Ministerium sind hier gut aufgestellt. Wir brauchen die dritte Gewalt in diesen bewegten Zeiten mehr denn je – als verlässlicher Garant in unserer Republik, den Menschenrechten, den Grundwerten, unserer Verfassung, ja auch Europa verpflichtet.
(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Sascha Binder SPD: Gar nichts zu Tourismus gesagt! – Gegenruf des Abg. Alexander Salomon GRÜNE: Tourismus wird der CDU überlassen!)
Liebe Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen, werte Kollegen! Die Europapolitik ist ein besonderer Schwerpunkt dieser Legislaturperiode. Wir verstehen die Europäische Union als eine Wertegemeinschaft, aber eben auch als eine Rechtsgemeinschaft. Deswegen war es naheliegend, die beiden Ressorts Europa und Justiz zusam menzuführen.
Viele Schwierigkeiten, die in der Europäischen Union entstan den sind, sind dadurch entstanden, dass geltendes Recht nicht oder nur unzureichend angewandt wurde. Deswegen brauchen wir eine Weiterentwicklung der Europäischen Union in den großen Linien, insbesondere was die Außenpolitik und die Flüchtlingspolitik, aber auch das Thema Entwicklungszusam menarbeit betrifft, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Ein Rückzug in Nationalstaaten verbietet sich. Das wissen wir als Baden-Württemberger, weil unsere Wirtschaft dermaßen ex portabhängig ist, dass unser Wohlstand nur über den Fortbe stand der Europäischen Union gesichert werden kann.
Minister Guido Wolf gibt diesen Themen Europa und Justiz mit seiner engagierten Arbeit ein Gesicht, und die CDU-Land tagsfraktion bedankt sich herzlich für den großen Einsatz.
Heute Morgen haben in den Grundsatzreden die Themen Si cherheit, internationaler Terrorismus, die Maßnahmen, die wir im Bereich der Polizei und des Verfassungsschutzes ergriffen haben, eine große Rolle gespielt. Genauso wichtig ist es, den Bereich der Gerichtsbarkeit, der Justizvollzugsanstalten zu
stärken. 70 % des Justizetats sind Personalkosten. Wir haben die geringste Richterdichte im Bundesvergleich, aber mit die schnellsten Verfahren. Deswegen müssen wir hier auch deut lich nachbessern.
Ich bin froh, dass wir in der Koalitionsvereinbarung das Be rechnungssystem PEBB§Y zur Grundlage genommen haben, um die Zahl der Richter und Staatsanwälte auf einen Stand zu bringen, der auch der tatsächlichen Arbeitsbelastung ent spricht. In einem ersten Schritt werden jetzt flächendeckend 74 Stellen für Richter und Staatsanwälte in Baden-Württem berg geschaffen. Das ist aber nur ein erster Schritt. Weitere müssen folgen. Nach diesem Berechnungssystem fehlen wei tere 134 Stellen, die wir in den nächsten Haushaltsplanjahren verankern wollen.
Die 67 Stellen im Bereich der Justizvollzugsanstalten, die Kollege Filius schon genannt und aufgeschlüsselt hat, spie geln die Ergebnisse der Expertenkommission wider, aber auch die besonderen Herausforderungen, die mittlerweile an unse ren Justizvollzugsanstalten herrschen: hohe Belegungsdichte, eine hohe Gewaltbereitschaft, psychische Erkrankungen, aber auch ein hoher Ausländeranteil. 44 % unserer Haftplätze sind mit ausländischen Strafgefangenen besetzt; im Bereich der Untersuchungshaft sind es sogar drei Viertel.
Wir stärken auch den Bereich der Justizwachtmeister mit 21 neuen Stellen, um in diesem Bereich noch mehr Sicherheit auch für die Bediensteten zu gewährleisten, und setzen die er wähnten Maßnahmen zur Bewährungs- und Gerichtshilfe, zur Grundbuchstrukturreform und zur Notariatsreform um und werden damit flächendeckend im Land die Justiz stärken.
Der Aufruf des Generalbundesanwalts an die Länder, mehr Staatsanwälte und Richter an die Bundesanwaltschaft abzu ordnen, ist ein einmaliger Vorgang. Sie haben diesen Aufruf gehört, und wir müssen ihn ernst nehmen. Mittlerweile wer den viele Verfahren an die Generalstaatsanwaltschaften wei tergeleitet. Wir haben eine erhöhte und besondere Arbeitsbe lastung durch den internationalen Terrorismus, durch die or ganisierte Kriminalität, aber auch durch die Wirtschaftsstraf sachen, die bei uns aufgeschlagen sind. Wir haben eine hohe Belastung der Gerichte. Umfangreiche Ermittlungsverfahren und intensive strafprozessuale Maßnahmen sind notwendig.
Es rüttelt an den Grundfesten unseres Rechtsstaats, wenn Recht nicht effektiv durchgesetzt wird. Deswegen können wir Verstöße gegen das Strafrecht nicht dulden. Die 40 neuen Stel len im Bereich der Staatsanwaltschaften sind wichtig, um hier eine erste Abhilfe zu schaffen, dafür zu sorgen, dass Verfah ren schnell und effizient abgearbeitet werden können.
Für genauso unerträglich halte ich es aber auch, wenn Verfah ren abgebrochen werden müssen, wenn Straftäter aus der Un tersuchungshaft entlassen werden müssen, weil die Hauptver handlung nicht eröffnet werden kann. Die Anfrage der FDP/ DVP-Fraktion hat die Zahl noch einmal deutlich gemacht. Es muss das Ziel aller hier im Parlament vertretenen Fraktionen sein, unsere Gerichte und Staatsanwaltschaften so auszustat ten, dass sie auskömmlich arbeiten können und dass wir als Bürger und als politisch Verantwortliche eben auch die Sicher
Wir unterstützen unseren Justizminister im Bereich der Bau maßnahmen. Viele davon hat Kollege Filius schon genannt. Mir und unserer Fraktion liegt auch und insbesondere das Jus tizvollzugskrankenhaus am Hohenasperg am Herzen, weil auf grund der besonderen Struktur der Strafgefangenen immer mehr auffällige Strafgefangene medizinisch versorgt werden müssen und weil wir dort dringend eine Entlastung brauchen, da es nicht mehr auf dem neuesten Stand, dem Stand der Zeit ist.
Wir unterstützen unseren Justizminister bei der Einbringung seines Neutralitätsgesetzes, in dem eben Richter und Staats anwälte an den Gerichten zur Neutralität verpflichtet werden und sie keine religiösen oder politischen Symbole zeigen dür fen. Wir halten es für wichtig, dass der Staat diese Unabhän gigkeit, die Neutralität der Justiz auch nach außen hin verkün det.
Wir unterstützen unseren Justizminister bei seinen erfolgrei chen Initiativen gegenüber dem Bund, z. B. für ein Vollver schleierungsverbot vor Gericht. Wir werden uns konstruktiv bei der Anhörung zu den Maßnahmen, die im Land noch not wendig sind, um in Teilbereichen ein Vollverschleierungsver bot zu erlassen, beteiligen. Ich glaube, alle Fraktionen haben da einen guten Konsens gefunden, eine Anhörung durchzu führen, und werden genau identifizieren, wo wir als Landes gesetzgeber hier noch zusätzlich tätig werden müssen.
Wir unterstützen die Initiativen zur effizienten Überwachung von Straftätern und Gefährdern – Stichwort Fußfessel. Ich glaube, die Zeit ist reif dafür, dass sich auch die Justiz und die Rechtspolitiker verstärkt in die Sicherheitsdebatte einmischen. Wir setzen auch Signale in Richtung Europa, dass wir natür lich ein einheitliches Auskunftssystem über Vorstrafen bei al len Straftätern brauchen, die abrufbar sind. Insofern gehen die Initiativen genauso wie die Ausweitung der DNA-Analysen in eine gute Richtung. Ich bin froh, Herr Minister Wolf, dass Sie hier auch immer wieder klare Initiativen setzen, die sehr verantwortlich sind, die nicht überziehen, die aber genau den Finger in die Wunde legen, wo noch Probleme vorhanden sind, damit wir diese auch gemeinsam lösen können.
Der Justizbereich muss sich immer auch in sicherheitspoliti sche Debatten einmischen, um präventiv tätig zu werden. Ich glaube, dass wir als Koalitionsfraktion hier gute Initiativen setzen können.
Wir, die Fraktion GRÜNE und die Fraktion der CDU, haben aber auch Akzente gesetzt im Bereich der Initiativen, die wir eingebracht haben. Wir werden den Rechtsstaatsunterricht für Flüchtlinge einführen und finanziell unterstützen. Ich bin den Richtern und den Staatsanwälten und auch den Rechtsanwäl ten dankbar, dass sie sich daran beteiligen wollen, dass wir eben die Grundlagen, die Werte und die Gesetze unseres Staa
Ich bin froh, dass wir das Thema Schuldnerberatung in den Gefängnissen verstärkt aufgegriffen haben. Nur wenn die Pro bleme frühzeitig angegangen werden, wenn der Betroffene nicht vor einem riesigen Haufen Probleme und Schulden steht, kann auch eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft statt finden.
Zum Dritten geht es, auch wenn manchmal darüber geschmun zelt wird, um die Beflaggung in den Eingangsbereichen unse rer Gerichte – nicht nur die Fahne Baden-Württembergs für unsere Landesverfassung und die Deutschlandfahne für unser Grundgesetz, sondern auch die Europaflagge für die europä ische Charta.
Ich vermute, dass die AfD den Antrag deswegen abgelehnt hat, wie sie ja auch die Hilfsmittel für die Öffentlichkeitsar beit für die Europäische Union streichen will. Das zeigt auch ein bisschen das Verständnis – ob man sich einordnen kann in eine europäische Vielfalt
oder ob man nationalistisch denkt. Diese Beflaggung macht deutlich, was uns als Staat und als Staatsbürgern wichtig ist, aber auch, was wichtig ist für unsere Institutionen, weil unser Recht eben durch diese Symbole nach außen und nach innen repräsentiert wird. Somit schließt sich wiederum der Kreis zu Europa.