Protocol of the Session on February 8, 2017

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Kollege, bitte.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine unserer größ ten Herausforderungen ist ganz zweifellos die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, angesichts vielfältiger Spal tungstendenzen, angesichts ökonomischer und sozialer Ver unsicherung und – das gilt leider für viele Teile der Welt – an gesichts der Verführung zu autoritären Scheinlösungen durch Demokratie verachtende und hasserfüllte Populisten.

(Zuruf von der AfD: Wie in der Türkei!)

Eine gute Sozialpolitik ist deswegen keine seelenlose Dienst leistung, sondern eine existenzielle Grundlage für unsere De mokratie. Ziel grün-schwarzer Sozialpolitik ist es, verlässli che Perspektiven zu eröffnen – für Familien und Nachbar schaften, für lebenswerte Quartiere, für Kinder und Jugendli che, für das Zusammenleben der Generationen und Menschen unterschiedlicher Herkunft,

(Unruhe – Zuruf: Pst!)

für eine gute Gesundheitsversorgung, für Benachteiligte eben so wie für diejenigen, die sich in besonderer Weise solidarisch einbringen können.

Eine solidarische und demokratische Gesellschaft entsteht nie mals durch ein anarchisches Spiel der Kräfte. Denn damit sind immer die Stärkeren und die Rücksichtslosen im Vorteil. Die Folge ist Freiheit für wenige, dafür jedoch soziale Ausgren zung und Unfreiheit für viele. Unfreiheit für viele wäre klas sisches Staatsversagen. Denn der Sinn des Staates ist Freiheit, sagte schon Hannah Arendt, die Lieblingsphilosophin unse res Ministerpräsidenten.

Ein demokratischer und sozialer Rechtsstaat braucht daher ei nen ebenso flexiblen wie stabilen staatlichen Ordnungsrah men. Er muss dafür sorgen, dass das Recht der Stärkeren durch faire Spielregeln abgelöst wird. Eine zentrale sozialpo litische Funktion des Staates ist deswegen die Sicherung und die Förderung der Daseinsfürsorge, nicht als bürokratische Bevormundung, sondern als Voraussetzung für Teilhabe im umfassenden Sinn – ökonomisch, sozial und kulturell.

Diese Teilhabe zu ermöglichen ist unser Ziel. Hierfür haben wir auch in der vergangenen Wahlperiode schon viele richti ge Weichen gestellt, in vielen Fällen mit Zustimmung der da maligen Opposition. Ich nenne stellvertretend das Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz, das Psychisch-Kranken-Hilfe-Ge setz, das Landes-Behindertengleichstellungsgesetz, das Lan desarbeitsmarktprogramm, das Flüchtlingsaufnahmegesetz, das Chancengleichheitsgesetz, die Investitionen in die Woh nungslosenhilfe, in die Schulsozialarbeit, in die Alkoholprä vention, oder auch die Aktionspläne gegen Gewalt an Frauen, für Akzeptanz und gleiche Rechte sowie zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Alle diese Themen erfah ren im Koalitionsvertrag und mit unseren Haushaltsanträgen nicht nur eine Fortsetzung, sondern eine Weiterentwicklung, Verstetigung und Vertiefung.

(Beifall bei den Grünen)

Das ist eine gute Basis auch für die kommenden Jahre. Wir haben mit dem grün-schwarzen Gesamtpaket zum sozialen Integrationshaushalt trotz der notwendigen Sparvorgaben das größte Volumen und die am stärksten an der Selbstbestim

mung orientierte Aufstellung in der Geschichte unseres Lan des. Das gilt im Großen wie im Kleinen.

Ich freue mich, dass es den Sozialpolitikern der Koalition ge lungen ist, zwischen dem Haushaltsentwurf und der heutigen Beratung mit grün-schwarzen Fraktionsanträgen wichtige Ak zente zu setzen. So fördern wir übergangsweise, bis die Kran kenkassen das übernehmen, die psychoonkologischen Bera tungsstellen mit 450 000 €. Sie dienen Krebspatienten sowie deren Angehörigen als niedrigschwellige, ambulante Anlauf stellen. Wir fördern junge Mediziner im ländlichen Raum mit 300 000 € und setzen das Landärzteprogramm fort. Wir finan zieren eine Antidiskriminierungsstelle im Land sowie eine Projektstelle der Wohlfahrtspflege für die Koordination der Flüchtlingsarbeit. Wir erhöhen die Mittel der Frauenhäuser und stocken ebenso die Mittel der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer um 200 000 € auf.

(Glocke des Präsidenten)

Kollege, gestatten Sie ei ne Zwischenfrage des Kollegen Hinderer?

Bitte, Kollege Hinderer.

Kollege Poreski, ich hatte mich schon eine Weile gemeldet, und zwar an der Stelle, an der Sie darauf hingewiesen haben, dass die Projekte der Vorgänger regierung hier eine Fortsetzung durch die neue Landesregie rung erfahren. Sie haben ausdrücklich die Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention genannt. Ich weiß, dass Ihnen das wichtig ist, und Sie lassen auch keine Gelegenheit aus, da rauf hinzuweisen, dass Sie in einer großen diakonischen Be hindertenhilfeeinrichtung gearbeitet haben.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen und der SPD)

Deshalb frage ich Sie: Wie können Sie behaupten, dass Sie al les fortsetzen, wenn Sie doch bei der Investitionskostenförde rung in der Behindertenhilfe 1 Million €, sprich 10 %, kür zen? Das passt für mich nicht zusammen. Vielleicht haben Sie eine Erklärung dafür.

Ich habe ja gesagt, dass wir auch konsolidieren. Entscheidend aber ist, glaube ich, dass wir im Gesamtvolumen, in dem, was wir insgesamt fördern – übrigens auch im Bereich der Inklusion –, den am besten auf gestellten Haushalt in der Geschichte des Landes haben. Mehr ist immer gut. Ich freue mich da über Ihre Unterstützung; das ist gar keine Frage. Aber wir haben hier natürlich auch die Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Ich fahre jetzt fort.

(Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD)

Für die Fortführung des Aktionsplans „Für Akzeptanz & glei che Rechte Baden-Württemberg“ stehen 250 000 € bereit. Wir verstetigen die Förderung des Rings politischer Jugend, un terstützen landesweit inklusive Fußballangebote – das haben wir übrigens in letzter Zeit nicht gemacht – und setzen weiter Impulse für die Alkoholprävention bei jungen Menschen so wie bei der Investitionsförderung in der Wohnungslosenhilfe. Dahinter stecken viele kleine Initiativen, die im Vergleich we

nig kosten. Sie haben aber einen großen Nutzen für unser Land, für uns alle.

Diesen Nutzen haben auch die Leuchtturmprojekte des Sozi alministeriums und namentlich unseres Sozialministers Man ne Lucha, die wir gern mittragen und mitgestalten. So gibt es für die Jugendförderung – hier gilt mein besonderer Dank auch meinem Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz – 2,5 Millionen € zusätzlich. Für die Umsetzung der Handlungs empfehlungen der Enquetekommission „Pflege“ im Bereich generationengerechter Quartiere stehen zusätzlich 3 Millio nen € zur Verfügung. Für Investitionen in die Zentren für Psy chiatrie sowie für eine angemessene Vergütung der Tätigkeit im Maßregelvollzug stehen jeweils 10 Millionen € zusätzlich im Haushalt. Die Krankenhausinvestitionsförderung liegt mit über 460 Millionen € so hoch wie nie zuvor.

Das ganze bereitgestellte Geld ist zweifellos notwendig.

(Beifall der Abg. Petra Krebs GRÜNE)

Aber wir brauchen ein gutes gesellschaftliches Miteinander, damit daraus auch Gutes erwächst. Dafür setzen wir uns ein, beispielsweise mit der Weiterentwicklung des „Zukunftsplans Jugend“ gemeinsam mit unseren Partnern im Landesjugend ring.

Ähnliches gilt für den Armuts- und Reichtumsbericht des Lan des, aus dem wir praktische Handlungskonsequenzen ablei ten wollen, von Präventionsketten gegen Kinderarmut bis hin zur Wohnungsnotfallstatistik.

Die größte Herausforderung ist zweifellos der Pakt für Integ ration mit den Kommunen, in dessen Rahmen diese vom Land 160 Millionen € pro Jahr erhalten. Hier wird es gemeinsam mit unseren kommunalen Partnerinnen und Partnern, mit der Wohlfahrtspflege und der Zivilgesellschaft darum gehen, den neu zugewanderten Menschen Lebensperspektiven zu eröff nen, damit sie zu einem guten Bestandteil unserer Gesellschaft werden – in der Arbeitswelt, als Teil des sozialen und kultu rellen Lebens und nicht zuletzt als Teil einer verbindlichen Wertegemeinschaft auf der Grundlage unserer Verfassung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wie gesagt, das alles können und schaffen die staatlichen Ebe nen nicht allein. Wir sind angewiesen auf das gute Miteinan der in unserer Bürgerschaft, auf bürgerschaftliches Engage ment und Ehrenamt. Unsere Zivilgesellschaft in Baden-Würt temberg, für die wir sehr dankbar sind, ist ein einzigartiger Reichtum. Wir fördern sie auch mit den Mitteln dieses Haus halts und pflegen sie, vom Rettungswesen über die Vereine bis hin zur Flüchtlingsarbeit. Dabei leiten uns das sozialstaat liche Subsidiaritätsprinzip und das Miteinander mit der frei en Wohlfahrtspflege. Auch diese gewachsene Partnerschaft tut unserem Land gut.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Sie wirkt zusammen mit der von uns konsequent betriebenen Förderung der Zivilgesellschaft, dem Ausbau der Beteili gungsrechte in der Kommunalordnung, der unabhängigen Be ratung und den Ombudschaften der Jugendhilfe, für psychisch Kranke, für Erwerbslose und in der Flüchtlingshilfe ebenso wie mit unserem Bürgerbeauftragten, unseren Behindertenbe

auftragten im Land sowie in den Stadt- und Landkreisen, den Strukturen der Beteiligung von Menschen mit Behinderung und den Jugendgemeinderäten.

Sie alle dienen dazu, dass ganz unterschiedliche Menschen tatsächlich teilhaben, dass sie real erfahren, dass sie wahrge nommen werden, dass ihre Bedürfnisse und ihr Engagement zählen. Der Sozial- und Integrationshaushalt ist daher kein Konsumhaushalt, sondern ein Investitionshaushalt. Er fördert den sozialen Zusammenhalt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Er trägt dazu bei, dass Menschen ihre Zugehörigkeit nicht ne gativ und demokratieverachtend durch Hass und Abgrenzung definieren, sondern durch demokratische Werte und die Er fahrung echter Teilhabe. Denn wir stehen und wir arbeiten da für, dass sich Menschen in einer offenen Gesellschaft zu Hau se fühlen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die CDU-Fraktion er teile ich das Wort dem Kollegen Teufel.

Sehr geehrter Herr Präsident, ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute den Haushalt des Ministeriums für Soziales und Integration. Wie Sie alle wissen, steht auch dieser Haushalt unter der strikten Vorgabe, soweit möglich Einsparungen vorzunehmen. Denn unser gemeinsames Ziel ist es, keine neuen Schulden zu ma chen.

Unser Ziel ist es, gesellschaftliches Leben so eigenverantwort lich wie möglich zu gestalten. Fördern und Fordern ist unse re Richtschnur für eine gute Sozialpolitik im Land BadenWürttemberg. Zentrales Anliegen muss für uns dabei sein, die zur Verfügung stehenden Mittel zielführend und effizient ein zusetzen. Die Unterstützung muss die Menschen, die sie be nötigen, auch erreichen. Die Entwicklungen in den vergange nen Monaten machen deutlich, dass darauf geachtet werden muss, dass niemand in unserer Gesellschaft alleingelassen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Wir wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass je der die erforderliche Unterstützung erhält und der Zusammen halt in der Gesellschaft gestärkt wird. Ein wesentlicher As pekt ist hierbei der schon im Koalitionsvertrag verankerte Pakt für Integration mit den Kommunen. Die große Zahl von Flücht lingen hat das Land und die Kommunen vor große Herausfor derungen gestellt. Gerade die Kommunen sind bei der Integ ration der Flüchtlinge besonders gefordert; denn die Anschluss unterbringung und Betreuung ist und bleibt eine kommunale Aufgabe. Wir wollen die Kommunen bei dieser Aufgabe nicht alleinlassen und haben deshalb 70 Millionen € für den Pakt für Integration im Haushalt des Ministeriums zur Verfügung gestellt. Es gilt nun, die notwendigen Maßnahmen und Pro gramme zeitnah zum Laufen zu bringen.

Einen wesentlichen Schlüssel für die erfolgreiche Integration stellt die Sprachförderung dar. Sprache ist der Schlüssel zur Integration.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, des Weiteren haben wir Mittel zur Sicherstellung einer guten und flächendecken den medizinischen Versorgung zur Verfügung gestellt. Die Menschen in Baden-Württemberg sind momentan noch gut versorgt, aber schon jetzt gibt es Bereiche, in denen die ärzt liche Versorgung mehr als schwierig ist. Altersbedingt aufge gebene Praxen können nicht nachbesetzt werden.

Hier muss aus unserer Sicht aktiv gegengesteuert werden. Schon im Jahr 2010 hat die CDU-geführte Regierung das Ak tionsprogramm „Landärzte“ ins Leben gerufen. Es wurden verschiedene Bausteine zur Sicherstellung der flächendecken den ambulanten medizinischen Versorgung entwickelt. Auch wenn das Programm zwischenzeitlich Änderungen erfahren hat, ist es seither ein fester Bestandteil in Baden-Württem berg. Es hat insbesondere dazu beigetragen, Ärzte zur Nieder lassung in unterversorgten Gebieten zu gewinnen. Die CDUFraktion hat sich daher aktiv dafür eingesetzt,