Ich bitte die Kollegen auch für die nachfolgenden Beiträge, auf die Uhr zu schauen, da die Anzeige „Sprechzeit beendet“ leider nicht funktioniert. Dann erspare ich mir den Gong.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Heute ha ben wir ein etwas diffiziles Thema. Spielen ist einfach, aber das Thema und der Vertrag sind schwierig. Deshalb sage ich Ihnen, Glücksspiel ist kein Gut wie jedes andere. Es ist kein gewöhnliches Wirtschaftsgut, sondern ein Gut, das – das ist angesprochen worden – mit speziellen Gefahren verbunden ist.
Die Vorschläge aus Hessen, besser gesagt, Herr Kollege Goll, die „Leitlinien für eine zeitgemäße Glücksspielregulierung in Deutschland“ – das ist der genaue Wortlaut der Hessischen Landesregierung –, sind aus heutiger Sicht nur ein Anfang. Das haben Sie auch so betont. Aber ich muss Ihnen sagen: Es ist kein guter Anfang. Eine Öffnung des Glücksspielmarkts in Deutschland ist unter den Bedingungen, die uns aus Hessen vorgelegt wurden, sehr zu hinterfragen und ganz genau zu prü fen. Dieser hessische Vorschlag sieht eine Liberalisierung vor, der Sie als Vertreter der FDP sicherlich sehr nahestehen, aber er verhindert sicherlich nicht die Sucht, sondern gefährdet aus meiner und aus unserer Sicht entsprechende suchtverhindern de Maßnahmen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die ille galen Anbieter – um deren Verhinderung geht es ja – aus den sogenannten Drittstaaten – da möchte ich jetzt ein paar nen nen, auch wenn sie aus Europa sind: Malta, Gibraltar, aber auch Österreich, England, Isle of Man oder andere Steueroa sen – nach Öffnung des Marktes ihre Verbraucherschutzmaß nahmen wesentlich ändern. Glauben Sie wirklich daran?
Ich schweife jetzt etwas ab. Seit Jahrzehnten und aus der Er fahrung meines früheren Berufs habe ich immer wieder pro pagiert: Wir haben Steueroasen in Europa, werte Kollegen,
diese Steueroasen auszutrocknen bzw. stillzulegen oder anzu passen. Jetzt geht man davon aus, dass wir es im Bereich des Glücksspiels schaffen. Wenn es uns gelingt, dann hoffen wir, dass wir dieses Vollzugsdefizit, gegen illegale Anbieter vor zugehen, damit beenden können. Da bin ich aber sehr skep tisch. Ich sage Ihnen, eine Marktöffnung bedeutet per se, au tomatisch zumindest eine Marktausweitung. Dies kann gera de im Bereich des Glücksspiels nicht im Sinne von Jugend schutz, Verbraucherschutz oder Spielerschutz sein. Gleichzei tig führt das aus meiner und aus unserer Sicht eher zu einer Erhöhung der Zahl der Anbieter, die wiederum tatkräftig die Werbetrommel rühren. Somit steigt auch die Gefahr der Ani mation, hier auch einsteigen zu wollen, und es steigt die Ge fahr der Sucht.
Das alles, denke ich, widerspricht diesem Glücksspielstaats vertrag. Man erlaube es mir: Wie die Hessen aktuell solch ei nen Vorschlag auch mit den Grünen machen können – wo ist Herr Kollege Frey? –, erschließt sich mir nicht. Ich habe ak tuell nichts von den Grünen gehört, dass sie die Sache jetzt bremsen wollen – weil Sie gesagt haben, es sei unter schwarzgelber Ägide gemacht worden.
Ich denke, deshalb sollten wir uns in der kommenden Zeit de taillierten Beratungen widmen, um eine Lösung zu finden.
Was die Lotterien anbelangt, so ist davon im hessischen Vor schlag nichts zu sehen. Natürlich sagen Sie: Das hat ja gar nichts mit dem staatlichen Lotteriemonopol zu tun. Aber, wer te Kollegen, wer glaubt denn so etwas? Wenn Sie dies aus dehnen, dann greift es automatisch – wie jetzt z. B. staatliches Toto-Lotto, 6 aus 49 usw. – in den Spielbereich ein. Es ist mir ein Anliegen, dass das Lotteriemonopol der Länder erhalten bleibt. Wer hin und wieder Radio hört, weiß: Keine Werbung ohne Warnhinweis.
Aber – das möchte ich auch nicht unerwähnt lassen –: TotoLotto ist für das Allgemeinwohl in unserer Gesellschaft, für Sport, Kultur und für alle sozialen und rechtsstaatlichen Ein richtungen nicht wegzudenken. Jeden Tag, Montag bis Sonn tag, führt unser staatliches Toto-Lotto 1 Million € an den Lan deshaushalt ab. Glauben Sie tatsächlich, wenn Sie die Priva ten ausweiten, dass die das dann genauso tun?
Ich möchte abschließend sagen: Den Glücksspielstaatsvertrag von 2011 hat auch Schleswig-Holstein inzwischen unterzeich net. Wir sind für eine Änderung der Glücksspielregelung of fen. Deshalb sollten wir – was Sie angesprochen haben, Herr Kollege Dr. Goll – den Beschluss der Ministerpräsidenten konferenz in der letzten Sitzung vom 28. Oktober 2016 näher prüfen, auch Ihren Antrag näher prüfen und in die Beratungen mit einbeziehen. Nichts anderes war Ihr Antrag auch heute. Es liegt kein Beschlussantrag vor. Ihr Antrag wird zu den Un terlagen genommen, und wir prüfen ihn. Wir haben ja noch etwas Zeit.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Damen und Herren! Rien ne va plus. Wer hört bei diesem Satz nicht das atemberaubende, langsamer werdende Klicken der Kugel, die über den Roulettetisch rollt? Wer sieht nicht vor dem in neren Auge die Kasinos in Monte Carlo, Las Vegas oder Ba den-Baden?
Und wer denkt nicht an das ganz große Los, die Kugel, die von einer Sekunde auf die andere in ein sorgenloses Leben katapultiert, ein Leben, in dem Geld keine Rolle mehr spielt? Die einzige Voraussetzung: Sie muss nur die richtige Zahl tref fen.
Je höher der Einsatz, desto höher das Risiko? Nein! Je höher der Einsatz, desto höher die Gewinnchance, desto mutiger, be eindruckender, begehrenswerter und männlicher ist man. Die Hoffnung ist doch, dass alles geht. Und dann heißt es doch oft wieder: Rien ne va plus, nichts geht mehr. Denn niemand denkt zuerst an die äußerst geringen Gewinnchancen, niemand denkt an Verantwortung, und niemand denkt daran, dass auch er alles verlieren könnte.
Diejenigen von Ihnen, die schon einmal durch die Paulinen straße hier in Stuttgart gegangen sind, kennen vielleicht auch das dort ehemals ansässige Merkur-Kasino und das verlocken de Klimpern der Münzen, das beim Vorbeilaufen die Luft er füllte. Ich nehme ja stark an, dass die wenigsten von Ihnen dort schon einmal ihr Glück versucht haben.
Wir alle haben eine natürliche Hemmschwelle, ein Kasino zu betreten. Niemand möchte den Ruf eines Spielers haben. Oder diskutieren Sie gerade darüber, welche Einsätze Sie beim nächsten Mal machen, Herr Binder?
Beim Onlineglücksspiel entfällt diese Hemmschwelle voll kommen. Onlineglücksspiel findet anonym in den eigenen vier Wänden statt, und die geringen Einsätze dabei verschärfen das Problem zusätzlich.
Diese geringen Einsätze machen auch für Normalverdiener das Spielen erschwinglich. Das klingt doch auch für Sie, mei ne Damen und Herren von der FDP/DVP, ganz interessant, oder? Ich finde, nicht.
In meinem engsten Bekanntenkreis gibt es eine Familie, die an einer Sucht nach Onlinepoker zerbrochen ist. Es war nicht nur das verlorene Geld, das die Familie in Schwierigkeiten stürzte, sondern es waren in erster Linie die Wesensverände rungen, die mit der Sucht einhergehen, die Abwesenheit – al les drehte sich nur noch um den PC –, die Aggressivität, her vorgerufen durch die Niederlagen beim Spiel, und die Gewalt tätigkeit – der Mann wurde seiner Ehefrau gegenüber hand greiflich, so lange, bis diese sagen musste: „Rien ne va plus, nichts geht mehr“, und mit dem gemeinsamen Baby ausgezo gen und ins Frauenhaus gegangen ist.
Vielleicht sagen einige: Das ist ein Einzelfall. Sicherlich nicht! Herr Zimmermann hat es schon gesagt: 1 Million € werden pro Tag an Erträgen an den Landeshaushalt überführt. 22 Mil liarden € im Jahr beträgt der Umsatz mit Onlineglücksspiel in Deutschland.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Nein! Die 1 Milli on € sind nicht aus dem Onlineglücksspiel! – Glocke des Präsidenten)
Liebe Kollegen, es ist ein guter Brauch des Hohen Hauses, bei ersten Reden keine Zwi schenrufe zu machen und auch keine Zwischenfragen zu stel len. Ich bitte darum, dass sich alle daran halten.
1 Million € pro Tag betragen also die Einnahmen insgesamt. Ich danke für die Korrektur. Ich möchte da genau bleiben.
22 Milliarden € Umsatz pro Jahr werden in Deutschland mit Onlineglücksspiel eingefahren. Bei der klammen Haushalts lage könnte man ja sagen: Was für einen Segen bietet diese Legalisierung. Ich glaube, genau darum geht es der Partei der Besserverdienenden, der FDP. Es ist auffällig, dass Herr Dr. Rülke heute fast den ganzen Tag durch Abwesenheit glänzt.
Die Zerstörung von Existenzen wird billigend in Kauf genom men. Ich frage Sie von der FDP/DVP, die Sie den Antrag ge stellt haben: Wie rechtfertigen Sie, dass Menschen in den Ru in getrieben werden? Wie rechtfertigen Sie, dass sozialer Nie dergang von Bürgern billigend in Kauf genommen wird? Ist es das, wofür die Freien Demokraten mit ihrem Ansatz wirk lich stehen: „Freie Sucht für alle, egal, zu welchem Preis“?
Wir haben eine Verantwortung für die Menschen in unserem Land. Das gilt auch für die FDP. Zu dieser Verantwortung ge hört, das Suchtpotenzial von Onlineglücksspielen immer wie der zu betonen. Dieser Verantwortung müssen wir nachkom men, indem wir durch eine klare Gesetzgebung immer wie der Zeichen gegen Onlineglücksspiel setzen.