(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Nicole Ra zavi CDU: Bravo!)
Sie haben bitte ei nen anderen Ton. Das ist Ihre schulmeisterliche Art. Die geht nicht, Frau Aras. Die geht wirklich nicht.
Ich darf um Ruhe bitten. – Meine Damen und Herren, in der zweiten Runde hat Herr Mi nister Wolf das Wort.
Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, eine De batte, in der wir uns fraktionsübergreifend mit großer Sorg falt darüber Gedanken machen, wie wir unsere Beziehungen zu der Türkei gestalten und pflegen, wie wir in der Situation auch einen Weg finden, eine Debatte, die in weiten Teilen auch fraktionsübergreifend gemeinsame Sorgen zum Ausdruck ge bracht hat und insoweit auch sinnvoll war, eine solche Debat te darf nicht durch den Beitrag des Kollegen Dr. Gedeon in dieser Form abgeschlossen werden. Deshalb will ich für die Landesregierung hier doch noch einmal zum Schluss Stellung beziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gab vorhin differenzier te Anmerkungen dazu, ob dieser Debattentitel richtig und klug gewählt war. Jetzt will ich ganz ehrlich einräumen: Ich habe schon bessere erlebt, ich habe aber auch schon schlechtere er lebt.
Es heute hier in diesem Haus zu schaffen, uns fraktionsüber greifend zu positionieren in einer Zeit, in der wir uns über die rechtsstaatliche Entwicklung in der Türkei Sorgen machen, das steht diesem Hohen Haus gut an, und für diese Debatte bin ich dankbar, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es erfüllt uns mit Sorge, was sich in der Türkei abgespielt hat und unverändert abspielt. Denn die Türkei ist ein wichtiger Partner für Deutschland und für Europa ebenso wie für die NATO. Was dort geschieht, kann uns nicht kaltlassen.
Wir haben uns in Baden-Württemberg bewusst dafür entschie den, die Zuständigkeit für Justiz und Europa zusammenzufüh ren, weil wir unterstellen, dass die Einhaltung von rechtsstaat lichen Grundsätzen für ein gelingendes Europa zwingend ist.
Wie richtig und wie klug diese Zusammenführung war, zeigt sich jetzt mit Blick auf die Entwicklung in der Türkei. Wenn Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dort in eine ernste Krise rutschen, müssen wir als Partner und Freunde Stellung bezie hen.
Übrigens, finde ich, muss man in dieser Debatte auch die Ge legenheit nutzen, sich mit den Mitbürgerinnen und Mitbür gern in der türkischen Community in Baden-Württemberg, die sich in gleicher Weise Sorgen über die Entwicklung in ihrer Heimat, in der Türkei, machen, in einer solchen Diskussion zu solidarisieren. Das wollen wir auch tun. Auch ihnen gehört unsere Solidarität.
Es ist vielfach angeklungen, Kollege Binder, dass türkische Konflikte nicht auf unseren Straßen ausgetragen werden dür fen. Auch hat der Ministerpräsident frühzeitig erklärt: „Wir sind nicht Instrument und verlängerter Arm der türkischen Re gierung.“ Da sind wir uns fraktionsübergreifend einig.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, fand ich die Erklä rungen des türkischen Staatspräsidenten in den letzten Tagen unerträglich. Wenn er sagt: „Deutschland ist ein wichtiger Ha fen für Terroristen geworden“, wenn er sagt: „Deutschland öffnet den Schoß für Terroristen“, wenn er sagt: „Deutschland ist der Hinterhof der Gülen-Bewegung“, dann müssen wir klar und deutlich zu erkennen geben, dass wir uns solche Einmi schungen, solche Einlassungen verbitten, verehrte Kollegin nen und Kollegen.
Wir wollen nicht, dass diese Zwistigkeiten, diese Konflikte, diese Auseinandersetzungen aus der Türkei in unser Land ge tragen werden.
Nach dem Putschversuch ist es zu erheblichen Verwerfungen im Justizapparat der Türkei gekommen. Ich habe mich am 26. August mit dem türkischen Generalkonsul in einem aus
führlichen Gespräch darüber unterhalten. Wenn Tausende Richter und Staatsanwälte aufgrund angeblicher Verwicklun gen entlassen werden, und das anhand einer Liste, die nach dem Putsch von heute auf morgen auf dem Tisch lag, dann stimmt mich das nachdenklich, und dann sehe ich hier mit Misstrauen all das, was sich rings um diesen Putsch ereignet hat. Dann ist das nicht nur für die Türkei ein besorgniserre gender Zustand, sondern dann ist das ein Problem für ganz Baden-Württemberg, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU und der AfD sowie Abgeordne ten der Grünen und der FDP/DVP – Zuruf von der AfD: Bravo!)
Eine unabhängige Justiz, die eben nicht politischen Richtun gen oder Parteien verpflichtet ist, gehört zum Kernbestand der europäischen Wertekultur. Da kann es keine Kompromisse ge ben, und da darf es kein Wegschauen geben. Ein Putschver such ist eine einschneidende Erfahrung für einen demokrati schen Staat, besonders wenn dieser Staat schon viele negati ve Erfahrungen dieser Art gemacht hat.
Es gibt aber keine Alternative zu einer rechtsstaatlichen Auf arbeitung solcher Ereignisse. Der abgewendete Putschversuch darf nicht der Vorwand sein, um die Unabhängigkeit der Jus tiz einzuschränken. Mit Verlaub, diesen Eindruck konnte man in der Aufarbeitung der Folgen des Putsches durchaus gewin nen.
Ganz im Gegenteil: Gerade in der Reaktion auf solche Um sturzversuche muss sich die Stabilität und Reife eines Rechts staats beweisen. Die Reaktionen müssen rechtsstaatlichen An sprüchen genügen. Sie müssen verhältnismäßig sein und dür fen nicht in Willkür ausarten.
Deswegen muss Europa in der Sache ein Auge auf unsere Part ner in der Türkei haben. Wir müssen unmissverständlich die Einhaltung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fordern. Denn ohne Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gibt es keinen Platz in Europa.
(Beifall bei der CDU und der AfD sowie Abgeordne ten der Grünen und der SPD – Zuruf von der AfD: Bravo!)
Sollte die Entlassungswelle in der türkischen Justiz nicht grundsätzlich überdacht, nach rechtsstaatlichen Maßstäben überprüft und dann wohl in weiten Teilen zurückgenommen werden, dürfte dieses Kernstück des Prozesses der Annähe rung an die EU deutlich infrage gestellt sein. Zu diesem Er gebnis kommt auch der – man lasse es sich auf der Zunge zer gehen – aktuelle Fortschrittsbericht 2016 der EU zur Türkei. Er verzeichnet erhebliche Rückschritte in Sachen Rechtsstaat lichkeit. Man könnte fast sagen, dass es eher ein Rückschritts bericht ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte die Türkei – das ist heute mehrfach angeklungen – wirklich die Todesstrafe wie der einführen, dann ist der Prozess des Beitritts zur Europäi schen Union aus meiner Sicht – viele hier haben es in gleicher Weise betont – nicht mehr zu retten. Dann müssen wir Kon sequenzen ziehen.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal sagen: Es geht, auch in unserem eigenen Interesse, nicht darum, Beziehungen und Verbindungen zur Türkei zu kappen, abzuschneiden, sich ohne Not zu entfremden. Aber es gibt rote Linien innerhalb eines gemeinsamen Europas, die nicht überschritten werden dürfen. Darauf hinzuweisen entspricht unserer Verantwortung als überzeugte Europäer.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Ak tuelle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erle digt.
Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migra tion – Haltung der Landesregierung in Fragen der Refor mierung des Glücksspiels – Drucksache 16/40
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.