Protocol of the Session on November 10, 2016

Man hätte auch schon früher und jetzt auch konsequenter auf die AfD hören sollen. So habe ich bereits im Sommer ange regt, Hilfen auch vonseiten des Bundes anzufordern. Unter dem Eindruck der großen Flut von 2013 hatten sich Bund und Länder ja darauf geeinigt, sich jeweils zur Hälfte an einem Hilfsfonds unter dem Titel „Sondervermögen ‚Aufbauhilfe‘“ zu beteiligen. Dieser Hilfsfonds war ursprünglich mit 8 Mil liarden € ausgestattet. Er enthält gegenwärtig immer noch 4 Milliarden € – eine stattliche Summe, von der nur ein Bruch teil schon viel zur Linderung hätten beitragen können, und dies, ohne unsere gebeutelten Kommunen erneut mit 50 % zu belasten.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Aus diesem Hilfspaket des Bundes könnte man auch sofort zielgerichtet und unbürokratisch den Opfern der Naturkatas trophen finanzielle Hilfen zukommen lassen.

Nach solchen dramatischen Ereignissen wie infolge des Tief druckgebiets „Elvira“ wäre den Bürgern der von der Flut be troffenen Gemeinden in unserem Land auch einmal signali siert worden, dass wir als Baden-Württemberger Solidarität nicht nur gern und vielfältig ausüben, sondern sie auch gern einmal selbst erfahren dürfen, wenn uns das Wasser buchstäb lich bis zum Hals steht.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf der Abg. Beate Böhlen GRÜNE)

Aber dazu hätte es des politischen Willens bedurft, der, um es zurückhaltend zu formulieren, bei unseren verantwortlichen Landespolitikern zumindest ausbaufähig ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hinderer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir erin nern uns an die schrecklichen Bilder der Schäden und daran,

was das Tiefdruckgebiet „Elvira“ insbesondere in Hohenlo he, aber auch in anderen Landesteilen an Schäden angerich tet hat. Es ist gut, dass wir bei dieser Aussprache über den An trag der FDP/DVP auch an die Angehörigen und insbesonde re an die vier Verstorbenen und die zahlreichen Verletzten den ken. Kollege Bullinger hat ja schon auf die einzelnen Schick sale hingewiesen.

Auch unser Dank gilt allen Rettungs- und Einsatzkräften, die unermüdlich im Einsatz waren, um die größte Not zu lindern. Über das große Leid hinaus, das im persönlichen Bereich ent standen ist, hat „Elvira“ Schäden in Millionenhöhe angerich tet, und unter den Folgen dieser Schäden, die ja gerade vom Kollegen von Eyb noch einmal sehr anschaulich beschrieben wurden, haben die Menschen bis heute zu leiden.

Das Land hat reagiert. Es gab Soforthilfen. Das ist bekannt. Auch wir fordern und bitten die Landesregierung, zusätzlich zu den Soforthilfen nun auch weiterhin zu prüfen, welche Mit tel aus den Fachressorts zusätzlich zur Verfügung gestellt wer den können, und diese Hilfen voranzutreiben. Zu nennen sind hier Fördermittel aus dem Städtebau, der Wasserwirtschaft, Mittel im Bereich der Verkehrsinfrastruktur, Hilfen für die Landwirtschaft und das Liquiditätsprogramm der L-Bank. Es bedarf auch steuerlicher Erleichterungen.

Wir wissen um die Sondersituation in Braunsbach. Die Ge meinde wurde von den Unwetterfolgen besonders schwer ge troffen. Wir haben von Anfang an begrüßt, dass Braunsbach für Sofortmaßnahmen zur Behebung der gröbsten Unwetter schäden extra Landesmittel bekommt.

Wir wissen aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Soforthilfen keinen ausreichenden Versicherungsschutz erset zen können. Deshalb ist es gut, dass die Haushalte bei uns in Baden-Württemberg im Vergleich zu denen in anderen Bun desländern bei den Elementarschadenversicherungen eine re lativ hohe Quote haben – allerdings haben immer noch nicht alle eine solche Versicherung. Es wäre vielleicht auch einmal darüber nachzudenken, ob man eine Kampagne macht, damit auch dieser Versicherungsschutz wieder stärker ins Bewusst sein gerufen wird.

Die Landesregierung – darauf wurde bereits hingewiesen; ich gehe davon aus, der Innenminister wird das Thema gleich noch einmal benennen; in der Regierungspressekonferenz war es ja schon Gegenstand der Berichterstattung – hat einen Un wetterfonds mit 30 Millionen € eingerichtet, wobei die Hälf te vonseiten der Kommunen beizusteuern ist. Wir sind mit der Einrichtung dieses Fonds durchaus einverstanden. Da spricht nichts dagegen, auch nicht gegen die Vorgaben, wie Sie den Großteil der Mittel an die Kommunen und die 5 Millionen € Soforthilfe an die Bürgerinnen und Bürger vergeben wollen.

Allerdings sind wir schon gespannt, welche konkreten Ver besserungen dann eintreten. Sie sagen, Sie könnten schneller entscheiden, wenn Sie das nur im Einvernehmen mit dem Mi nisterpräsidenten tun müssten. Ihr Vorgänger im Amt, der ehe malige Innenminister Gall, hat berichtet, zumindest in der Vor gängerregierung wäre es auch binnen eines Tages möglich ge wesen, eine solche Entscheidung im Ministerrat herbeizufüh ren. Ich weiß nicht, wie das jetzt in der grün-schwarzen Re gierungskoalition funktioniert. Vorher wäre es aber möglich gewesen.

(Minister Thomas Strobl: In einem Tag geht das schon! Man muss nur einberufen!)

Wir sind also gespannt, ob es tatsächlich besser wird. Wir sa gen aber auch: Diese Spannung kann aus unserer Sicht sehr lange anhalten. Denn wir hoffen, dass dieser Fonds nicht so schnell gebraucht wird, dass die Mittel möglichst lange im Fonds liegen und keine Unwetterschäden auftreten, zu deren Behebung sie ausgezahlt werden müssen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Innenminister Strobl.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Dieser Antrag aus den Reihen der Opposition gibt uns Gelegenheit, die schweren Unwetter im Mai und Juni dieses Jahres noch einmal Revue passieren zu lassen und gemein sam darüber zu sprechen, was wir noch besser machen kön nen.

Die Schäden infolge tagelangen Starkregens waren in weiten Teilen des Landes und insbesondere in der Gemeinde Brauns bach im Landkreis Schwäbisch Hall immens. Nahezu ganz Braunsbach ist in der insbesondere vom Kollegen Dr. Bullin ger eindrucksvoll beschriebenen Art und Weise heimgesucht worden und in Mitleidenschaft gezogen worden. Ich habe mir selbst gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten ein Bild von dem Ausmaß der Schäden in Braunsbach gemacht, nachdem mich der Kollege von Eyb sehr schnell informiert hat. Auch andernorts hat es gewaltige Schäden gegeben.

Eines will ich jedoch ganz an den Anfang dieser Debatte stel len – das ist das, was wir positiv vermerken dürfen –: Die Zu sammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Landes polizei, zwischen der Gemeinde, dem Landkreis, dem Regie rungspräsidium und dem Land, zwischen dem Deutschen Ro ten Kreuz, dem Technischen Hilfswerk, unseren Feuerwehren hat funktioniert. Alles greift ineinander, und wir dürfen sagen: Ja, in einer solchen Krisenlage, nach einem solchen katastro phalen Unwetter, funktionieren bei uns Krisenmanagement und Katastrophenschutz. Das ist gut so, weil die Menschen einen Anspruch darauf haben, dass der Staat in einer solchen Krisensituation funktioniert.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD)

Allerdings hat es – das wollen wir auch nicht vergessen – ne ben den materiellen Schäden Tote gegeben. Der Einsatz ist für Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungsdienst, Technisches Hilfs werk gefährlich. Das hat uns vor allem Schwäbisch Gmünd vor Augen geführt, wo ein Feuerwehrmann beim Versuch, ei nen Ertrinkenden zu retten, selbst ertrunken ist.

Ich bin gleich am nächsten Tag nach Schwäbisch Gmünd ge fahren. Die Gesichter der Kameraden, die den Feuerwehrmann am Seil hatten – er war angeseilt – und ihn nicht halten konn ten, als er in den Gully verschwunden ist, werde ich mein Le ben lang nicht vergessen. Herr Abg. Dr. Bullinger, diese ver

weinten Augen von gestandenen Feuerwehrleuten werden mir leider auch erinnerlicher sein als die gewaltigen Schäden in Braunsbach.

Wir wollen in einer solchen Debatte nicht ganz vergessen, dass Menschen ihr Leben gelassen haben und dass ein Feuer wehrmann, ein Familienvater in Ausübung seiner Rettungstä tigkeit zu Tode gekommen ist. So etwas darf und soll uns ne ben den materiellen Schäden auch nahegehen. Wir sollten nicht nur das Materielle, das Geld, sehen, sondern auch das, was uns Naturgewalten bereiten, wenn es um die körperliche Unversehrtheit und um Menschenleben geht. Bei einem Feu erwehrmann ist die Angelegenheit noch einmal besonders tra gisch.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will die Gele genheit auch nutzen, zu dem Thema Soforthilfe noch einmal etwas Grundsätzliches zu sagen. Die Soforthilfe ist dafür da, dass sich Menschen, die im Grunde genommen obdachlos ge worden sind, weil ihr Haus zerstört worden ist und sie von ei ner Minute auf die andere im Schlafanzug auf der Straße ste hen, für die nächsten Tage die Dinge des täglichen Bedarfs leisten können.

Klar hilft vielleicht auch der Nachbar am ersten Tag. Wenn man eine Familie hat, hilft vielleicht auch diese, oder die Freunde helfen. Irgendwann, nach zwei, drei Tagen, helfen sie vielleicht nicht mehr. Dann muss man sich irgendetwas zum Essen, zum Anziehen oder sonst etwas, was man halt braucht, kaufen. Dafür ist die Soforthilfe vorgesehen.

Die Soforthilfe ist insbesondere eines nicht: Schadensersatz. Das bitte ich auch immer so zu kommunizieren, weil wir an sonsten bei den Menschen, bei den Kommunen eine Erwar tungshaltung aufbauen, so eine Art Vollkaskomentalität nach dem Motto: Es kommt ein Unwetter, es geht etwas kaputt, und dann geht man zum Land und bekommt es ersetzt. Dem ist ausdrücklich nicht so.

Herr Abg. Baron, ich mache noch einen letzten Versuch, Ih nen das System der Soforthilfen einfach einmal sozusagen in der Vertikalen nahezubringen. Wenn Sie es nicht verstehen wollen, dann kann ich halt auch nichts machen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Dann schrift lich nachreichen! – Vereinzelt Heiterkeit)

Wir haben auch hier eine Subsidiarität. Das Land hilft nicht bei einem Unwetter, das in einer Kommune stattfindet, auch wenn die Schäden schlimm sind. Dann muss die Kommune das Problem mit dem Landkreis regeln. Wenn das Unwetter über mehrere Landkreise geht, sozusagen ein landesweites Er eignis ist – wir definieren das mit einer Gesamtschadenshöhe ab 100 Millionen €; dazu sage ich gleich noch etwas –, dann kommt das Land. Wenn es ein Unwetter von einer nationalen Dimension ist,

(Abg. Anton Baron AfD: Was versteht man unter na tional?)

dann kommt der Bund.

So schlimm wie die Unwetter im Mai und im Juni bei uns auch waren, sind sie weit von dem entfernt, was die Definition ei ner nationalen Katastrophe bedeutet. Natürlich habe ich mit

dem Bund gesprochen. Da bin ich immer der Erste. Wenn es nur die kleinste Chance gegeben hätte, an Bundesmittel her anzukommen – glauben Sie mir, ich kenne mich bei dem Ge schäft ein bisschen aus –, dann hätten wir das selbstverständ lich gemacht. So schlimm die Unwetter für Baden-Württem berg gewesen sind, eine nationale Dimension hatten sie nicht. Sie haben Baden-Württemberg schlimm getroffen, sie haben aber nicht die Bundesrepublik Deutschland im Sinne einer na tionalen Katastrophenlage getroffen.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Dann ha ben aber Bundestagsabgeordnete falsche Hoffnungen gemacht!)

Entschuldigung, Herr Kollege Dr. Bullinger, ich habe nie solche Hoffnungen erweckt. Vielmehr habe ich mich in die sem Punkt von Anfang an gegenüber jedem, der es hören woll te, klar geäußert. Natürlich habe ich im Grunde genommen unmittelbar nach Eintritt der Schadenslage mehrfach mit dem Bundesinnenminister gesprochen. Ich habe jedoch ganz sicher niemandem Hoffnung gemacht, der mich auf dieses Thema angesprochen hat.

(Abg. Anton Baron AfD: Wenn ich so sehe, wie sich das Land für die blaue Plakette einsetzt!)

Wir haben dann Soforthilfe geleistet – im Übrigen außeror dentlich unbürokratisch und schnell. Dass Landratsämter auf ihrer Homepage veröffentlichen, dass das Land das unbüro kratisch und gut gemacht hat, kommt auch nicht jeden Tag vor. Wir haben auch aus den Rathäusern sehr viele positive Rückmeldungen erhalten.

5,5 Millionen € an Soforthilfe wurden ausgezahlt. Da das über 5 Millionen € waren, mussten wir den Landtag von BadenWürttemberg um Zustimmung bitten. Ich möchte mich auch bei allen Fraktionen bedanken, dass sie schnell die Vorausset zung dafür geschaffen haben, dass die Mittel unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden konnten.

Auch der besonders betroffenen Gemeinde Braunsbach konn ten wir helfen. Das Kabinett hat am 28. Juni beschlossen, der Gemeinde im Rahmen eines Sonderprogramms 10,65 Milli onen € für Sofortmaßnahmen zur Gefahrenabwehr und Scha densbeseitigung zur Verfügung zu stellen. Für den Wiederauf bau der Gemeinde Braunsbach ist von einer geschätzten Ge samtsumme in Höhe von 104 Millionen € auszugehen. Aus dem Sonderförderungsprogramm sind Maßnahmen in Höhe von rund 2,7 Millionen € für Sofortmaßnahmen im Rahmen der Schadensbeseitigung bereits abgerechnet.

Die Benennung einer Gesamtschadenssumme über alle Be reiche wird wohl am Ende nur über die Versicherungswirt schaft möglich sein. Insbesondere die Schäden im privaten Bereich sind den Behörden vor Ort nicht bekannt, da die Scha densregulierung mit den Versicherungen direkt abgewickelt wird. Geschätzt und bei aller Vorsicht grob gerundet dürfte die Gesamtschadenssumme ungefähr bei 400 Millionen € lie gen.

Noch einmal: Die Soforthilfe reguliert nicht den Schaden, son dern ist eine erste Hilfe. Für die Schadensregulierung sind ins besondere Versicherungen zuständig, also beispielsweise die Gebäudeelementarschadenversicherung oder eine Hausratver

sicherung. Gott sei Dank haben wir in Baden-Württemberg bei den Elementarschadenversicherungen eine überdurch schnittlich hohe Quote; sie liegt bei über 90 %. Das ist unge fähr doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt, wo die Quo te bei unter 50 % liegt. In keinem anderen Bundesland haben über 90 % eine Elementarschadenversicherung. Das ist gut so und soll auch in Zukunft so bleiben.

Herr Kollege Dr. Bullinger hat zu Recht angesprochen, dass nicht nur beeindruckend war, wie die Sicherheitsbehörden und die Rettungsdienste gut miteinander gearbeitet haben, sondern auch, wie auch die Bürgerinnen und Bürger die Ärmel hoch gekrempelt haben, den Nachbarn geholfen haben, manche ta gelang ehrenamtlich einfach mit angepackt haben. Das ist ein gutes Zeichen für unser Land.

Die Baden-Württemberger haben wieder einmal eindrucks voll unter Beweis gestellt: Wenn es gilt, dann stehen wir zu einander, dann helfen wir einander. Der Gedanke der Nach barschaftshilfe funktioniert dann auch.