Es ist einfach gut für den Zusammenhalt im Föderalismus, dass wir das hinter uns lassen. Denn wir dürfen nicht verges sen, dass der scharfe Gegensatz in der Größenordnung – we nige Geberländer und eine große Mehrheit von Nehmerlän dern – das Klima zwischen den Ländern immer stärker belas tet hat.
Es ist klar, dass man solch einen Erfolg nicht zum Nulltarif erhält. Wir sind daher auf den Bund zugegangen, was seine Forderungen zur Verbesserung der Aufgabenerledigung im Bundesstaat betrifft.
Der Forderungskatalog des Bundes hatte zu Beginn 15 Punk te, die wir in zähen Verhandlungen massiv reduzieren konn ten. Wir haben klargemacht, dass wir nicht bereit sind, als Kopplungsgeschäft zur Neuordnung des Finanzausgleichs quasi im Vorbeigehen zugleich eine Föderalismusreform III durchzuwinken. Damit wären wir dem Föderalismus und un serer Verfassungsordnung nicht gerecht geworden.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind noch wichtige Fragen of fen. Im Einzelnen bedarf es daher noch eines intensiven Dia logs zwischen Bund und Ländern. Im Grundsatz haben wir uns allerdings darauf verständigt, in folgenden Bereichen Än derungen herbeizuführen, wobei wir einige Kröten schlucken mussten:
Zu nennen ist zuvorderst die Schaffung einer unter staatlicher Regelung stehenden privatrechtlich organisierten Verkehrsin frastrukturgesellschaft. Dem haben die Länder im Grundsatz zugestimmt. Der Bund wird also für die Planung, Erhaltung und Unterhaltung sowie den Neubau der Bundesfernstraßen zuständig sein. Mir ist dabei bewusst, dass das Netz der Bun desstraßen unterhalb der Autobahnen von zentraler Bedeutung für die Verkehrserschließung im Land ist. Für die Anbindung des ländlichen Raums an die Oberzentren spielen die Bundes fernstraßen eine entscheidende Rolle. Wir, die Länder, haben deshalb eine Option ausgehandelt, dieses Netz in der Verant wortung der Länder zu behalten.
Wir werden uns mit Nachdruck dafür einsetzen, dass diese Option auch Realität wird und die Länder auch weiterhin die Zuständigkeit für die Bundesfernstraßen behalten. Ziel ist, dass diese dann durch den Bund auch mit ausreichenden Mit teln ausgestattet werden.
Jetzt muss der Bund aber erst einmal seine Hausaufgaben ma chen und ein überzeugendes Konzept vorlegen. Bis dahin ist noch ein weiter Weg. Denn bisher liegt kein Konzept vor.
Auch wenn ich mich konstruktiven Verhandlungen nicht ver schließe, habe ich doch grundsätzliche Bedenken bei dem Be schluss zur Ermöglichung von Finanzhilfen im Bereich kom munaler Bildungsinfrastruktur für finanzschwache Kommu
nen, vor allem wenn dies über eine Änderung des Grundge setzes erfolgt. Das würde einen direkten Zugriff des Bundes auf die Kommunen vorbei an den Ländern bedeuten. Ich ha be diesen Punkt deshalb auch für Baden-Württemberg mit der Protokollerklärung kritisiert. Hier werde ich genau auf die konkrete Ausgestaltung achten.
Ich will an dieser Stelle gleich klarstellen, dass mit Bundesfi nanzhilfen im Bereich kommunaler Infrastruktur – entgegen dem Frohlocken mancher Bundespolitiker – keine Aufhebung des sogenannten Kooperationsverbots im Bildungsbereich verbunden ist: Der Bund wird auch zukünftig keine Einfluss möglichkeiten „über goldene Zügel“ auf die Gestaltung der Bildungspolitik, insbesondere der Schulpolitik, der Länder er halten.
Wir müssen hier aber wachsam bleiben. Denn Bildungspoli tik ist der absolute Kernbereich der Länderhoheit. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Bund den Ländern Almosen zu zustecken versucht, um damit schleichend Einfluss auf die Kernfelder der Landespolitik zu bekommen. Dem werde ich mich, solange ich Regierungschef bleibe, entschieden wider setzen.
(Beifall bei den Grünen und der CDU, Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP sowie des Abg. Dr. Hein rich Kuhn AfD)
Kritisch sehe ich auch die Zustimmung der Länder zu einem stärkeren allgemeinen fachlichen Weisungsrecht des Bundes im Bereich der Steuerverwaltung. Der Bund hat hier schon in der Vergangenheit seine Kompetenzen beim fachlichen Wei sungsrecht gestärkt, zuletzt in der Föderalismuskommission II im Jahr 2009.
Wir halten einen weiteren Kompetenzzuwachs des Bundes im Bereich der Steuerverwaltung schlicht für nicht erforderlich. Denn Bund und Länder arbeiten bei der Steuerverwaltung schon jetzt gut zusammen. Dies haben wir in einer entspre chenden Protokollerklärung nochmals deutlich gemacht.
Positiv sehe ich dagegen die vereinbarte Stärkung der Rech te des Bundes in der Steuerverwaltung. Eine bessere Koordi nierung der IT in der Steuerverwaltung, die Stärkung der Zu sammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Bekämpfung des Steuerbetrugs und bei der Überwachung der Geldwäschevorschriften sind vernünftig.
Von den weiteren Punkten lassen Sie mich auch die vorgese hene Stärkung des Stabilitätsrats positiv hervorheben, der nun auch die Einhaltung der Schuldenbremse durch die Länder überwachen soll. Ich halte dies nicht zuletzt aus Gründen der Glaubwürdigkeit der Schuldenbremse schlicht für geboten, gerade weil es in der letzten Zeit bei einigen Ländern Bestre bungen gibt, im Zeichen der Flüchtlingskrise von den Vorga ben der Schuldenbremse abzuweichen.
Durchweg positiv sehe ich auch die geplanten gemeinsamen Anstrengungen im Bereich der Digitalisierung mit der Ein richtung eines zentralen Bürgerportals und eines gemeinsa men Digitalisierungsbudgets zur Finanzierung einheitlicher IT-Lösungen. Das kann unserer Position als Vorreiterland der Digitalisierung nur guttun.
Abschließend möchte ich insgesamt noch einmal darauf hin weisen, dass eine Verständigung mit dem Bund bei allen ver einbarten Punkten zur Neujustierung der föderalen Ordnung erst über das grundsätzliche Ob erfolgt ist. Die nähere Ausge staltung des Wie soll nun vom Chef des Bundeskanzleramts mit den Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzlei en der Länder erörtert werden. Spätestens bis Sommer 2017 soll die Reform nach Vorstellung des Kanzleramts stehen. Bis Ostern werden bereits substanzielle Fortschritte der Gesprä che erwartet, insbesondere was die notwendigen Änderungen des Grundgesetzes angeht.
Wir werden sicherstellen, dass der Föderalismus in Deutsch land auch in Zukunft stark und handlungsfähig bleibt. Hier liegt aber noch ein hartes Stück Arbeit vor uns. Ich bin froh, dass sich hier Herr Staatsminister Murawski als Chef der Staatskanzlei mit all seiner Erfahrung und Energie zum Woh le des Landes einbringen wird.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ist ein wirklicher Erfolg für unser Land, unsere Kommunen und seine Bürgerinnen und Bürger. Sie ist ein wohlaustarier ter Kompromiss, der das Gesamtwohl sowie die Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten berücksichtigt. Wir haben da mit einmal mehr gezeigt, dass wir in Deutschland große Her ausforderungen über Partei- und Landesgrenzen hinweg meis tern können. Das ist ein hoher Wert, gerade angesichts der zu nehmenden Polarisierung in unserem Land und in Europa, aber auch angesichts der zahlreichen Krisenherde in der Welt.
Wir sind auf dem richtigen Weg, auf der Grundlage einer fai reren Verteilung der Mittel die Handlungsfähigkeit der Län der auch in Zukunft zu sichern. Denn sie ist das Herzstück des Föderalismus: Nur wenn die Länder in der Lage sind, ihre Aufgaben erfolgreich wahrnehmen zu können, funktioniert das föderale System. Dass es funktioniert, ist von sehr, sehr großer Bedeutung.
Für die nun anstehende Diskussion über die punktuelle Neu justierung der föderalen Ordnung müssen sich alle Länder chefs bewusst sein, dass Föderalismus auch große Verantwor tung für die Länder bedeutet. Wenn wir diese Verantwortung wahrnehmen, dann ist Deutschland stark und handlungsfähig. Dieses Erfolgsrezept der letzten fast sieben Jahrzehnte dürfen wir nicht leichtfertig aus kurzfristigen politischen und fiska lischen Erwägungen aus den Augen verlieren. Das ist einer der Gründe, warum Deutschland stark und stabil ist.
(Anhaltender Beifall bei den Grünen und der CDU – Beifall der Abg. Dr. Rainer Balzer und Dr. Heinrich Kuhn AfD sowie Andreas Kenner SPD)
Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungsinformation haben die Fraktionen eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion verein bart.
Ich erteile in der Aussprache nach § 83 a Absatz 3 der Ge schäftsordnung das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke für die Fraktion der FDP/DVP.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben eingangs Ihrer Rede Max Weber zitiert, nicht Hannah Arendt. Sie haben das berühmte Brett von Max Weber, an dem Sie jahrelang gesägt haben, nun als „durch“ bezeichnet.
(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Gebohrt! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Warum gesägt, Herr Kollege? – Zurufe: Gebohrt! – Heiterkeit des Abg. Andreas Stoch SPD)
Herr Ministerpräsident, als mitfühlender Mensch bin ich froh, dass Sie dieses Brett nur als drittgrößte Leistung Ihrer Amts zeit bezeichnen. Denn was für ein Brett ist denn das? Sie sind ja bekennender Heimwerker. Stellen wir uns einmal vor, Sie hätten in Ihrem Hobbykeller dieses Brett gesägt. Dann ist es durch, dann nehmen Sie es, zeigen es Ihrer Frau und sagen: „Guck mal, das Brett!“
Wir, die damalige schwarz-gelbe Koalition, haben ja – Sie ha ben es erwähnt – im Jahr 2010, in unserer Regierungszeit be schlossen, gegen diese Form des Länderfinanzausgleichs zu klagen, und zwar aus gutem Grund: In diesem Länderfinanz ausgleich finden sich nach wie vor eine ganze Reihe von Fak toren, die erkennbar verfassungswidrig sind. Das krumme Brett, das Sie da gesägt haben, schreibt dies fort.
Nein, Herr Ministerpräsident, wir hätten mit einer Klage mehr erreicht als das, was Sie uns heute hier vorlegen.
Sie haben im Jahr 2011 die Klage gestoppt und haben erklärt: Jetzt haben wir, die grün-rote Landesregierung, fünf Jahre Zeit,
und in diesen fünf Jahren werden wir ein Ergebnis erzielen. Sie haben in diesen fünf Jahren dann immer wieder berichtet, haben dann erklärt: „Bald geht es los mit den Verhandlungen“ oder: „Wir treffen uns am Kamin in den Reihen der Minister präsidenten.“ Zwischendurch wurde dann dem Finanzaus schuss berichtet: „Bald geht es los, irgendwann gibt es ein Er gebnis.“ Sie haben – das können wir festhalten – in fünf Jah ren Grün-Rot nichts hinbekommen, Herr Ministerpräsident.
Am Ende des vorigen Jahres – im Dezember 2015 – haben Sie dann erklärt: „Wir haben die Quadratur des Kreises ge schafft.“ Also: Das, was die Länder damals beschlossen ha ben, war die Quadratur des Kreises.
Jetzt schauen wir uns einmal an, inwieweit Sie Ihrem eigenen Anspruch oder vielleicht auch nur dem Anspruch der damali gen Regierung Kretschmann/Schmid gerecht werden. Sie ha ben nämlich im März 2015 vier Ziele zur Reform der BundLänder-Finanzbeziehungen formuliert:
Zweitens: Entlastung von Steuerpflichtigen. Da ist das Gegen teil umgesetzt worden, Herr Ministerpräsident.