Protocol of the Session on December 2, 2020

Aber von einheitlichen, guten fachlichen und personellen Standards in der Jugendhilfe sind wir noch weit entfernt.

Ein Problemfeld, bei dem bundesweit noch sehr viel zu tun ist, ist die sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendli che. Sie unterscheidet sich dadurch, dass sie nicht einfach auf einer Überforderung von Familien beruht, sondern planvolles Verhalten, gezielte Einschüchterung und Vertuschen beinhal tet, im privaten Umfeld ebenso wie in Vereinen und im Inter net. Wir wissen: In jeder Schulklasse sitzen im Schnitt zwei Kinder, die Opfer sexualisierter Gewalt sind oder waren.

Eine Antwort des Landes war nach dem schrecklichen Fall in Staufen die Kommission Kinderschutz, die im September 2018 unter dem Vorsitz von Sozialminister Manne Lucha ein gesetzt und mit gut 100 guten Einzelempfehlungen zu Ende gebracht wurde. Dies haben wir in der grünen Landtagsfrak tion parlamentarisch begleitet, in einer engen Kooperation zwischen Sozial- und Rechtspolitikern. Wir haben dazu zwei aufwendige Fachgespräche veranstaltet. Aus dem ersten Fach gespräch entstand ein Positionspapier der grünen Landtags fraktion mit dem Titel: „Sexualisierte Gewalt gegen Kinder bekämpfen“.

Das zweite Fachgespräch haben wir vor genau zwei Wochen durchgeführt. Dabei haben wir uns mit Akteuren aus der öf fentlichen und privaten Jugendhilfe, aus der Justiz, der sozi alen Arbeit, der Psychologie sowie mit zivilgesellschaftlichen Organisationen beraten. Das Ergebnis sind landespolitische Handlungsaufträge für die nächsten Jahre bei der Prävention, der Erkennung von Notlagen, der Beratung, der Therapie und der Strafverfolgung. In den Städten, Gemeinden und Land kreisen sollen landesweit verlässliche Netzwerke für Kinder schutz entstehen – von den Bildungseinrichtungen über freie Träger bis hin zu den Jugendämtern. Dafür wollen wir einen Masterplan Kinderschutz vereinbaren.

Herr Abg. Poreski, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Fiechtner zu?

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Schade!)

Als ersten Schritt finanzieren wir eine Landeskoordinierung für die unabhängigen Fachberatungsstellen gegen sexualisier te Gewalt. Ein weiteres Stichwort ist die Funktion eines oder einer Landesbeauftragten gegen sexuelle Gewalt gegen Kin der. In der Familiengerichtsbarkeit wollen wir Fortbildung verbindlich machen und fordern eine angemessene Personal ausstattung. Die Strafverfolgung von sexueller Gewalt wol len wir personell und fachlich stärken. Wir fordern und för dern neue Instrumente, die eine effektive Strafverfolgung ebenso ermöglichen wie den Datenschutz. Die Beweissiche rung durch Opferschutzambulanzen wollen wir nach dem Vor bild der Gewaltambulanz Heidelberg landesweit ermöglichen und Kinder in Gerichtsverfahren vor einer Retraumatisierung schützen.

(Beifall)

Prävention und Schutz sind davon abhängig, dass Kinder und Jugendliche konsequent beteiligt werden, dass ihr Wille zählt, dass sie ihre Rechte kennen und wahrnehmen. Deshalb sind Demokratiebildung und -beteiligung präventiver Kinderschutz. Wir wissen, Demokratie wird am besten erlernt, wenn sie re al erlebt wird. Mit dem „Masterplan Jugend“ stärken wir da her gezielt die Strukturen der offenen Jugendarbeit. Gegen über 2016 stehen dafür jährlich dauerhaft 10 Millionen € mehr zur Verfügung.

Mit der Reform der Gemeindeordnung haben wir erreicht, dass sich Kinder und Jugendliche in den Kommunen deutlich mehr einmischen können, etwa in Jugendgemeinderäten und Jugendforen. Das wollen wir ausbauen, und wir, die Grünen, wollen das Wahlalter auf allen Ebenen auf 16 Jahre senken.

(Beifall)

Denn es ist die junge Generation, die von den heutigen Ent scheidungen am längsten betroffen sein wird, beispielsweise von den Lasten der Pandemiebekämpfung und vom Klima wandel.

(Abg. Emil Sänze AfD: So ein Geschwätz!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor 30 Jahren wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Es ist höchste Zeit, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sind Kin der keine Menschen?)

Ich danke unserem Sozialminister Manne Lucha dafür, dass er dies in der Landesjugendministerkonferenz klar vertritt. Starke Kinderrechte im Grundgesetz würden den Staat dazu verpflichten,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sind Kin der keine Menschen?)

auf allen Ebenen konsequent

(Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD)

gegen Gewalt und gegen Kinderarmut vorzugehen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sind Kin der keine Menschen?)

Denn wir haben zwar schon vieles auf den Weg gebracht, aber noch sehr viel mehr vor uns.

(Zuruf)

Machen wir Kinder und Jugendliche gemeinsam stark.

Und übrigens, Herr Kollege Fiechtner, vielleicht zum Ab schluss, weil Sie jetzt drei Mal die gleiche Frage gestellt ha ben: Ja, Kinder sind Menschen. Frauen sind auch Menschen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Männer nicht?)

Aber das ist eine Konsequenz aus der Menschenrechtskon vention der Vereinten Nationen,

(Zuruf)

dass man gemerkt hat, man muss es für bestimmte Personen gruppen noch einmal genauer definieren.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Reicht das Grundgesetz nicht aus?)

Es ist eine Ausdifferenzierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die weltweit Konsens gefunden hat.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos] – Unruhe)

Das ist eine zivilisatorische Errungenschaft.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Herr Abg. Dr. Fiechtner, darf ich Sie – – Herr Abg. Dr. Fiechtner, würden Sie – –

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Wenn Sie, Herr Fiechtner, diese zivilisatorischen Errungenschaften negieren, nehmen wir das zur Kenntnis.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Vielen Dank.

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Burger das Wort.

Sehr verehrte Frau Landtagsprä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute da rüber nachdenken, was Kinder und Jugendliche brauchen, was sie fürs Leben stark macht, dann tun wir das aus einer ganz

anderen Perspektive heraus als noch vor einem Jahr. Denn vor einem Jahr hatten wir Corona noch nicht. Corona hat alles durcheinandergewirbelt.

(Zurufe)

Unser Blick auf die bewährten Strukturen hat sich verändert. Denken wir nur an die wochenlang geschlossenen Schulen und Kitas. Doch wenn sich Gewohntes auflöst, dann bietet sich auch die Chance, neu zu erkennen, was die eigentliche Basis unserer Gesellschaft ist.

2020 haben wir gesehen, dass Kitas und Schulen zwar wich tige, aber nicht die einzigen tragenden Pfeiler unserer Gesell schaft sind. Doch in der Pandemie sind neben Ärzten, Pflege personal, Arzthelferinnen und vielen anderen mehr – z. B. eh renamtlich Tätigen – Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerin nen und Lehrer die Helfer, die Helden unseres Alltags gewor den. Dafür zolle ich ihnen Hochachtung und danke ihnen im Namen der CDU-Landtagsfraktion.

(Beifall)

Doch nach wie vor, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Familie die kleinste und wichtigste Einheit in unserer Gesellschaft.

(Vereinzelt Beifall – Zuruf: Bravo! Sehr gut! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das ist ja mal was!)

Die Kinder und Jugendlichen werden dann stark fürs Leben, wenn sie in ihren Familien Rückhalt und Annahme finden.