Protocol of the Session on November 26, 2020

den im Laden oder auf die Gesamtzahl der Personen, die sich dort aufhalten, also einschließlich der Beschäftigten?

So detailliert haben wir uns damit, ehrlich gesagt, nicht beschäftigt.

(Zurufe, u. a.: Geldverschwendung ist diese App!)

Das muss man klären. Ich nehme aber mal an, dass es sich um die Zahl der Kunden handeln wird und nicht um die Gesamt personenzahl. Bei den kleineren Geschäften bleibt es ja bei der jetzigen Regelung; das ist klar; denn sonst hätte ja gar nie mand Weiteres in das Geschäft eintreten können.

Aber ich nehme an, dass wir das bei den großen Einkaufszen tren so machen werden, dass dabei die Kunden zählen und nicht das Personal.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Zur Warn-App: Es ist eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden, in der die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen vertreten sind, die sich noch einmal zu sammen mit dem Bundeskanzleramt der Frage der Verbesse rung der Warn-App widmen wird. Denn wir haben das schon diskutiert; aber das sind komplizierte Fragen. Zum einen gibt es technische Hindernisse, wenn es darum geht, weitere Din ge einzuführen, zum anderen sind es datenschutzrechtliche Hindernisse. Das müssen wir erst mal klar sortieren.

Aber der Wille, diese Warn-App wirklich entscheidend wei ter zu verbessern, ist deutlich vorhanden. Auch FDP und Grü ne, für die der Datenschutz ja, wie wir alle wissen, ein beson ders wichtiges Thema ist, halten dies beide für richtig.

(Zuruf)

Insofern ist die Chance gegeben, dass wir über einen großen parteiübergreifenden Konsens verfügen, um hier zu Verbes serungen zu gelangen. Wir werden uns dieser Frage also in tensiv und schnell widmen.

(Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle müssen weiterhin Verantwortung übernehmen. Ich bitte Sie in diesem Sinn auch, dafür bei der Bevölkerung zu werben. Erklären Sie den Men schen aber auch noch einmal die Brisanz der aktuellen Situa tion. Wir müssen sehen: Das Infektionsschutzgesetz des Bun des sieht eigentlich nur folgende Stufen vor: Inzidenzen un ter 35, Inzidenzen von 35 bis 50 –

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

und nicht weiter. Die Alarmstufe Rot ist bei 50 gegeben; das sollten wir nicht vergessen. Wir liegen da weit drüber, und da ran dürfen wir uns nicht gewöhnen.

Die Frage, ob wir überhaupt einen neuen Wert mit 200 ein führen wollen, ist sehr heftig diskutiert worden. Wir haben das aus bestimmten Erwägungen dann gemacht.

Ich will damit noch einmal sagen: Wir sind in Baden-Würt temberg bei Alarmstufe Rot, und zwar praktisch flächende ckend.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das stimmt nicht!)

Bitte machen Sie das der Bevölkerung auch klar, und werben Sie weiter dafür, dass die Menschen ihre Kontakte auf das Al lernötigste beschränken.

Herzlichen Dank, und bleiben Sie gesund.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, für die Aussprache über die Regierungsinformation haben die Fraktionen freie Redezeit vereinbart.

Für die FDP/DVP-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Frakti onsvorsitzenden Dr. Rülke.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Herr Ministerprä sident, herzlichen Dank für Ihre Regierungsinformation. Ich denke, die Situation, in der sich das Land in dieser Pandemie befindet, rechtfertigt diese Sondersitzung durchaus. Es ist auch gut, dass das Parlament nach dieser Runde der Ministerpräsi denten mit der Kanzlerin informiert wird.

Aber ich denke, es kann nicht nur darum gehen, das Parlament zu informieren, sondern das Parlament muss auch in die Ent scheidungsfindung einbezogen werden.

(Beifall)

Es geht ja um erhebliche Eingriffe in die Grundrechte. Es geht um Eingriffe in die wirtschaftlichen Verhältnisse von Men schen, es geht um Eingriffe in individuelle Biografien. Des halb ist es der falsche Weg, solche Entscheidungen nur auf ei ner Art orientalischem Basar der Ministerpräsidenten zu tref fen.

Es gingen ja in den zurückliegenden Tagen alle möglichen Pa piere und alle möglichen Aussagen durch die Medien, bis man sich dann gestern zusammengesetzt hat, offensichtlich sieben oder acht Stunden konferiert hat, und am Schluss kam dann das heraus, was die Öffentlichkeit schon vorher wusste. Das ist zwar ein – na ja – etwas bemerkenswertes Verfahren, aber es liegen im Grunde von allen Fraktionen Entschließungsanträ ge vor – ich nehme an, über die wird dann auch abgestimmt –, und insofern ist es ein demokratisch durchaus akzeptables Ver fahren.

(Zuruf: Sehr gut!)

Die Lage ist nach wie vor ernst, keine Frage. Sie haben, Herr Ministerpräsident, behauptet, die Politik des Novembers sei erfolgreich gewesen. Da habe ich schon meine Zweifel; denn mit den Beschlüssen, die Anfang November in Kraft traten, wurde der Bevölkerung signalisiert, das sei ein Teil-Lockdown für den November, und die notwendigen finanziellen Über brückungsmittel hießen ja dann auch Novemberhilfen.

Sie haben allerdings in zweifacher Weise recht: Diese Novem berhilfen sind keine Novemberhilfen, weil sie erstens frühes tens im Dezember fließen, und das Zweite ist, dass sie verlän gert werden müssen. Das, was der Bevölkerung, aber auch dem Hotel- und Gaststättengewerbe, dem Sport und der Kul

tur in Aussicht gestellt wurde – im Dezember gehe es viel leicht wieder weiter, da dürfe vielleicht wieder geöffnet wer den –, das haben Sie nicht erreicht. Deshalb kann man nicht so einfach behaupten, diese Politik sei erfolgreich gewesen, sondern man könnte durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass dieser Teil-Lockdown vom November 2020 ein Rohrkrepie rer gewesen ist, meine Damen und Herren.

(Beifall – Zurufe)

Die Maßnahmen waren nicht zielgerichtet. Sie haben im Grunde – wie ich es schon bei der Debatte zu diesen Novem bermaßnahmen ausgeführt habe – mit der Schrotflinte ge schossen in der Hoffnung, vielleicht irgendwo Infektionsge schehen zu erwischen. Das ist durchaus umstritten, und zwar von allen Seiten. Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit etwa sagt: Pauschale Maßnahmen zur Kontaktreduktion sind nicht angemessen, sondern man muss sich anschauen, wie die Hy gienekonzepte aussehen, und man muss sich anschauen, ob Infektionsherde tatsächlich nachgewiesen sind.

Deshalb ist es eben nach wie vor falsch, wenn sich die Minis terpräsidenten sozusagen ihre Lieblingsgegner vorknöpfen – das Hotel- und Gaststättengewerbe, den Sport und die Kultur – und sagen: Auf die schießen wir mal mit der Schrotflinte, und damit werden wir schon den Wellenbrecher-Lockdown erreichen. Das ist Ihnen offensichtlich nicht gelungen, meine Damen und Herren. Das ist nicht gelungen.

(Zurufe, u. a.: Das ist so falsch!)

Dasselbe sagen auch Verfassungsrechtler. Ich zitiere Profes sor Ferdinand Kirchhof, wirklich keine umstrittene Gestalt,

(Zuruf: Doch!)

sondern ein unumstrittener Verfassungsrechtler. – Da ruft ei ner von den Grünen: „Doch!“

(Lachen)

Wenn irgendein Verfassungsrechtler etwas sagt, was Ihnen nicht passt, dann ist er schon deshalb umstritten.

(Vereinzelt Heiterkeit – Zurufe)

Er sagt, auf keinen Fall dürften Regeln lediglich ein erziehe risches Ziel verfolgen. Ich zitiere:

Letztlich ist vom Staat zu verlangen, dass er sich auf kon krete Risiken... bezieht... und nachweist, dass seine Maß nahmen nicht nur am Rande zur Eindämmung beitragen.

Genau diesen Nachweis haben Sie nicht erbracht,

(Zuruf: Doch!)

sondern Sie geben sich damit zufrieden, am Rande zur Ein dämmung beizutragen. Das ist Ihre Politik, und die ist nicht hinreichend begründet.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sehr gut!)

Das, was Sie tun, ist virologisch fragwürdig und verfassungs rechtlich bedenklich, meine Damen und Herren.

(Beifall – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Neh men wir mal die Regierung in Rheinland-Pfalz: Wi dersprüche finden sich da, wo die FDP regiert!)

Ach, Herr Kollege Sckerl, ich komme schon noch auf die Widersprüche in Ihrer eigenen Regierung,

(Vereinzelt Lachen – Zuruf)