Protocol of the Session on November 4, 2020

(Zuruf)

Deswegen muss man in der Politik den Mut haben, sich hin zustellen, es den Leuten zu erklären und diese Maßnahmen auch zu machen und zu ihnen zu stehen – und sich nicht mit Katalogen über mittelfristige Maßnahmen ein Stück weit vom Acker zu machen, Herr Rülke. Diesen Gesichtspunkt vermis se ich bei Ihnen.

(Beifall)

Deshalb ist es auch sehr notwendig, dass wir diese Hilfspro gramme in der ganzen Breite ausbauen. Wir setzen darauf, dass der Bund jetzt in den nächsten Tagen die Maßnahmen konkretisiert. Erste Konkretisierungen gibt es schon. Wir ver trauen darauf, dass alle, von den Soloselbstständigen bis hin zu dem gesamten Mittelstand, dem Handwerk – sozusagen das Herz der Industrie und des Wirtschaftens in Baden-Würt temberg –, schnell und unbürokratisch an diese Programme herankommen und dass die Zusagen der Erstattung von bis zu 75 % des Umsatzes vom November 2019 eingelöst werden.

Wir haben in der letzten Entschließung gesagt – und tun es in unserem heutigen Entschließungsantrag wieder –, dass wir uns ergänzend insbesondere für Kunst und Kultur, für die Ho tellerie, für die Gastronomie – wenn sich dort Bedarf zeigt – oder auch für die Vereine in Baden-Württemberg engagieren werden. Wir stellen auch über die Wirtschaftshilfen bereits bewährte Instrumente weiterhin zur Verfügung.

Ich glaube, das ist unter dem Strich ein Bündel von Maßnah men, das wirklich geeignet ist, die Infektionszahlen jetzt he runterzufahren und in den nächsten Wochen Industrie, Hand werk, Gewerbe, Sport, Kulturtreibende in eine Situation zu bringen, in der sie an dieser Pandemie nicht scheitern, son dern eine gute Zukunftsperspektive bekommen. Das ist unser Ziel, meine Damen und Herren.

(Beifall – Zuruf)

Herr Rülke, das Parlament wird in Baden-Württemberg auf Augenhöhe beteiligt. Das haben Sie eingeräumt. Innerhalb von fünf Tagen ist dies die zweite Debatte mit Entschließun gen. Das Parlament hat also massiven Einfluss auf die Maß nahmen im Rahmen des Pandemiegeschehens.

Ein Blick auf die Nachbarländer zeigt uns, was auch möglich wäre: Ausgangssperren, Schließungen, viel drastischere Ein schränkungen der Grundrechte als bei uns. Das heißt, wir sind so aufgestellt, weil wir genau das vermeiden wollen.

Mit der Corona-Verordnung setzt die Landesregierung die Empfehlungen der Ministerpräsidentenkonferenz schnell und richtig um. Wir vertrauen darauf, dass der Vollzug der Maß nahmen jederzeit sichergestellt und die Wirksamkeit überprüft wird. Wir setzen darauf, dass zum frühestmöglichen Zeitpunkt wieder zu der Politik zurückgekehrt werden kann, die auf dif ferenzierte Maßnahmen in Teilbereichen setzt, wenn es geht – das wünschen wir uns – schon ab dem 1. Dezember.

Wie gesagt, noch einmal unser Angebot: Lassen Sie uns über all Ihre Vorschläge – die per se nicht falsch sind – in diesem Landtag konstruktiv diskutieren. Die Überwindung der Pan demie ist eine gemeinsame Aufgabe der Demokratie und kei ne parteipolitische.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Teufel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere zur aktuellen Kri se den deutschen Philosophen Rudolf Seiß:

Freiheit ist die Möglichkeit, auf die Möglichkeit zu ver zichten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Pandemie ist mit bisher nicht bekannter Wucht zurück. Jeder, der das In fektionsgeschehen in den vergangenen Tagen und Wochen be obachtet hat, muss zu der Erkenntnis kommen, dass die Co ronapandemie nach einer kurzen Sommerpause zurück ist. Was wir zunächst mit einigem Abstand näher und ferner im Ausland – beispielsweise in Israel – beobachten konnten, ist mittlerweile auch in Baden-Württemberg und Deutschland Realität.

Im Landesdurchschnitt lag die Sieben-Tage-Inzidenz gestern bei 119,6. In den letzten sieben Tagen verzeichneten wir al lein in Baden-Württemberg 15 163 Neuinfektionen. Mittler weile kann bei der deutlichen Mehrzahl der Neuinfektionen nicht mehr nachvollzogen werden, wie die Ansteckung im Einzelnen erfolgt ist. Aus dem Frühjahr wissen wir, dass von den Infizierten etwa 5 % im Krankenhaus behandelt werden müssen, 2 % auf der Intensivstation. Aktuell werden in den Krankenhäusern im Land Baden-Württemberg bereits etwa 1 100 Coronapatienten behandelt.

Das alles zusammen macht deutlich, dass ein schnelles und konsequentes Handeln unausweichlich ist.

(Beifall – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Die Intensivstationen sind leer!)

Vorsicht und Umsicht sind auf allen Ebenen geboten – nicht erst, wenn es um Beatmungsplätze geht.

Gleichzeitig benötigen wir auch Perspektiven für die nächs ten Monate. Viele medizinische Experten unterstützen das jet zige Vorgehen ausdrücklich, so z. B. der Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery, die Bundesärztekammer,

(Zuruf)

die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg und auch Uwe Janssens, der Präsident der Deutschen Interdiszip linären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Was ist mit John Ioannidis?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Maßnahmen der Corona-Verordnung sind richtig und vertretbar.

Herr Abg. Teufel, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Fiechtner zu?

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sie hät ten auch keine Antwort gehabt!)

Angestrebt ist eine aktuelle Kontaktreduzierung um ca. 75 %. Gleichzeitig gibt es im Lichte der Erfahrungen des vergange nen Frühjahrs viele Prämissen zu beachten: Schulen und Kin dergärten sollen geöffnet bleiben;

(Beifall)

Gleiches gilt auch für den Groß- und Einzelhandel. Menschen sollen nicht auf notwendige Arzt- und Therapeutenbesuche verzichten. Zudem sollen die Einschnitte für die Wirtschaft so gering wie möglich gehalten werden.

(Zuruf)

Um angesichts dessen dennoch die gewünschte und dringend notwendige Kontaktreduzierung zu erreichen, haben wir Ein schnitte vor allem bei den Gaststätten, Hotels, Vereinen, Fitness studios sowie Kunst- und Kultureinrichtungen vollzogen. Die se Einschnitte sind schmerzhaft. Wenn wir aber nicht schnell, entschlossen und konsequent handeln, wird es uns nicht ge lingen, diese Welle zu brechen.

(Beifall)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Deutschland ge hören 30 bis 40 % der Bevölkerung zu einer Risikogruppe. Im Kern geht es um den Schutz dieser Gruppen. Aus unserer Sicht gehören hierzu am Ende viele Gebote statt Verbote.

Uns geht es um Folgendes. Erstens: Wir wollen und müssen den Menschen Mut machen. Alle gemeinsam können wir die Welle brechen. Zweitens: Wir müssen darüber sprechen, wie wir das Zusammenleben mit dem Virus in größtmöglicher Freiheit organisieren können – Stichwort: Antigentest. Drit tens: Zusätzlich zur Corona-Warn-App müssen wir die Men schen auch motivieren, bei der Kontaktnachverfolgung mit zuhelfen. Im Bereich der Corona-Warn-App sehen wir noch große Chancen bei der Nachverfolgung von Kontakten.

(Beifall)

Dies war auch unserem Fraktionsvorsitzenden sehr wichtig, ebenso wie dem Kollegen Haser.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen, dass wir die Oppositionsanträge heute ablehnen und unserem eigenen Antrag zustimmen werden. Gern erläu tere ich Ihnen auch, warum. Der SPD-Antrag umfasst in wei ten Teilen Selbstverständlichkeiten, zu denen sich die Regie rung bereit erklärt hat.

(Lachen bei der SPD – Zurufe von der SPD, u. a.: Schön wär’s!)

Der FDP/DVP-Antrag knüpft unmittelbar an das an, was wir am vergangenen Freitag hier intensiv diskutiert haben.

(Beifall – Zurufe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich zitiere noch ein mal Rudolf Seiß:

Freiheit ist die Möglichkeit, auf die Möglichkeit zu ver zichten.

Danke schön.

(Beifall – Zurufe, u. a. des Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner [fraktionslos])

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Wir hatten bereits am vergangenen Frei tag an dieser Stelle Gelegenheit, über die Entscheidungen der Ministerpräsidenten und der Bundesregierung vom vergange nen Mittwoch zu debattieren. Heute stehen wir nun hier, um über die Umsetzung der Maßnahmen durch die Landesregie rung zu diskutieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es schon am vergangenen Freitag gesagt: Dass wir aufgrund der verän derten Infektionszahlen handeln müssen, ist aus meiner Sicht unbestritten. Auch über die Grundlinie, nämlich eine Ein schränkung der Kontakte, sind wir uns in weiten Teilen die ses Hauses einig.

(Zuruf)