Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es hier und heute, wenn wir über Verordnungen reden, um das Wie: Wie schaffen wir es, diese Pandemie erfolgreich einzu dämmen und gleichzeitig das gesellschaftliche und wirtschaft liche Leben in Deutschland, in Baden-Württemberg aufrecht zuerhalten? Das ist die Frage, und darauf müssen wir Antwor ten geben, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.
Corona macht es uns ganz sicher nicht leicht. Die Situation im Land ist angespannt. Die Einschränkungen durch die Ver ordnungen sind nun geringer als im Frühjahr; aber damals be stand ja konkret die Hoffnung, es könne bald vorbei sein. Das war eine sehr trügerische Hoffnung. Und doch hat diese trü gerische Hoffnung damals Kraft gegeben, diese Einschrän kungen zu ertragen.
Heute stehen wir, auch psychologisch, in einer anderen Situ ation. Die Landesregierung hofft offensichtlich auf den Erfolg der nun beschlossenen Maßnahmen, hofft auf den Dezember, redet von einem Weihnachtsfest, das man möglichst ungestört feiern will, wenn auch unter Coronabedingungen. Aber ich glaube, viele Menschen im Land hoffen gar nichts mehr. Sie fürchten nur noch, dass alles schlimmer wird.
Ich sage es jetzt zum zweiten Mal, weil man es offenbar im mer wieder sagen muss: Es gibt keine leichten Lösungen. Da rum müssen wir diese Schwierigkeit im politischen Handeln auch deutlich machen. Die Maßnahmen, die jetzt ergriffen werden, müssen geeignet sein, das Infektionsgeschehen zu stoppen.
Sind Pauschalierungen der richtige Weg, mit denen immer da rauf gesetzt wird, dass die Menschen den Handlungsdruck – den wir unbestritten haben – auch besser wahrnehmen? Oder muss nicht stärker auf die Frage geblickt werden, ob und in welchem Umfang jede einzelne Maßnahme konkret dazu bei trägt, das Infektionsgeschehen zu bremsen?
In genau diesem Dilemma befindet sich die Landesregierung. In einzelnen Teilen der Verordnung wie z. B. beim Individu alsport im Freien wird eine solche Differenzierung vorgenom men. In anderen Bereichen, z. B. in der Gastronomie oder bei Kunst und Kultur, geschieht dies eben nicht. Gerade hier – das habe ich am Freitag bereits ausführlich dargelegt – sehen wir ein Problem, ein politisches Problem, was die Akzeptanz der Maßnahmen in weiten Teilen der Bevölkerung angeht, aber auch ein juristisches Problem, nämlich dann, wenn Gerichte diese Regelungen – wie beim Beherbergungsverbot gesche hen – wieder aufheben.
Herr Ministerpräsident, Sie haben am vergangenen Freitag hier gesagt, die Landesregierung habe den Blick auf das Gan ze, während die Gerichte den Blick sehr oft auf die individu elle Situation der Betroffenen richteten. Ich sage Ihnen: Sie müssen bei Ihren politischen Entscheidungen bereits die Fra ge mitdenken, ob diese Entscheidungen auch gerichtsfest sind. Denn sonst haben wir nicht nur ein eklatantes juristisches Pro blem, sondern auch ein Akzeptanzproblem in weiten Teilen der Bevölkerung. Dann macht es sich Politik zu leicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Aber noch einmal, und ganz deutlich: Einfach nichts zu tun, geht nicht. Es muss gehandelt werden, und gerade deswegen müssen wir auch darüber reden, was neben den in den Verord nungen geregelten Maßnahmen noch getan werden muss. Vor allem müssen wir darüber sprechen, was nach Ablauf des Mo nats November passieren soll.
Ich habe bereits am vergangenen Freitag gesagt, dass wir uns alle nicht einbilden sollten, dass wir mit den nun beschlosse
nen Maßnahmen Ende November in irgendeiner Weise eine Lösung des Problems gefunden hätten. Deswegen ist jetzt die Zeit, um in den nächsten drei bis vier Wochen klar zu definie ren, was die weiteren Maßnahmen sind.
Ich sage es noch einmal: Corona macht es uns nicht leicht. Genau darum aber können auch wir es uns nicht leicht ma chen. Das gilt für die, die Verantwortung für dieses Land tra gen, und es gilt für alle, die in diesem Land leben; es gilt für jeden Einzelnen. Es gilt aber auch für die Landesregierung. Auch Sie können es sich nicht leicht machen.
Wir tragen die Maßnahmen gegen die Pandemie – das habe ich am Freitag bereits dargelegt – grundsätzlich mit. Aber wir müssen über die Punkte reden, die in der Kritik stehen. Wir reden hier über das Land. Hier müssen wir sagen: Man kann vieles besser machen – wenn man sich die Regierungsarbeit endlich einmal ein wenig schwerer machen würde. Das soll ten Sie ganz dringend tun; aus meiner Sicht müssen Sie das dringend tun. Den ganzen Frühling, den ganzen Sommer über ist Baden-Württemberg bei vielen Maßnahmen anderen Län dern hinterhergebummelt. All die Zeit, die man dabei verplem pert hat, mussten dann immer andere Ebenen ausgleichen – immer kurz vor knapp, immer auf den allerletzten Drücker ka men die Verordnungen. Draußen im Land jedoch sollte dann alles innerhalb weniger Stunden umgesetzt werden – nach ei ner schlaflosen Nacht. Am vergangenen Sonntag war es wie der einmal so weit: Andere Länder hatten ihre Verordnungen teils schon am Freitag fertig; in Baden-Württemberg wurde es Sonntagmittag. „So, lieber Bürgermeister: Bitte bis mor gen die Stadt auf den Kopf stellen und die Regeln umsetzen!“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe am Freitag gesagt: Die Menschen in diesem Land erwarten von dieser Regierung ein ordnungsgemäßes Krisenmanagement. Das heißt, dass es nicht angeht, erst wenige Stunden vor dem Mon tag diese Verordnungen auf den Tisch zu legen.
Die Landesregierung darf es sich eben auch nicht zu leicht machen und sagen: „Das sind jetzt unsere Maßnahmen“ – und darüber hinaus ist offenbar nichts notwendig. Der Anspruch, Bildungseinrichtungen offen zu lassen, ist richtig. Der An spruch, die Wirtschaft weiterlaufen zu lassen, ist richtig. Aber wenn Sie sich im Moment Orte des Infektionsausbruchs an schauen, dann stellen Sie fest, dass in manchen Betrieben – zuletzt war das eine Baustelle in Singen mit 80 Infizierten – die Lage äußerst problematisch ist.
Wir müssen doch klar konstatieren: Nicht nur in den Berei chen, die jetzt in der Verordnung geregelt sind, besteht Hand lungsbedarf, sondern auch in weiteren Bereichen, z. B. beim Thema Arbeitsschutz, z. B. beim Thema „Ausbau der Gesund heitsämter“, wofür ja die notwendigen Mittel vorhanden sind, z. B. bei der Stärkung unserer Kliniken, damit diese die schwie rige Situation überstehen können, z. B. beim Thema Bildung, bei dem wir dringend bessere Lösungen brauchen, als nur zu sagen: „Wir reißen die Fenster auf, setzen den Kindern eine Maske auf, und dann kann Bildung funktionieren.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie machen es sich zu leicht. Sie müssen Antworten auf die Fragen in den Berei
Und wir brauchen eine Strategie, die über den November hi nausgeht. Am Freitag habe ich dargelegt, dass es nicht sein darf, dass man immer wieder in den nächsten Lockdown hi neinläuft. Das, was Sie im Moment tun, ist aber von der Struk tur her genau das: Sie hoffen jetzt, dass das funktioniert, was für den November geregelt ist, damit im Dezember wieder „Normalität“ eintreten kann –
Deswegen reicht es nicht, einfach wieder abzuwarten. So leicht darf es sich die Landesregierung nicht machen.
Zu einer guten Regierungsarbeit gehört nicht nur das Anord nen, sondern auch das Umsetzen. Es schadet der Akzeptanz all der beschlossenen Maßnahmen erheblich, wenn man den Eindruck gewinnt, dass die Regeln nur für die gelten, die sich daran halten, und dann, wenn genügend Unvernünftige sich nicht darum scheren, die Regeln für die Vernünftigen halt noch etwas strenger gemacht werden. Das hilft dem Durchschnitt, aber es ist Gift für jedes Gerechtigkeitsempfinden.
Das gefährdet die Akzeptanz der Regeln, und es ist schlech tes Regieren. Gegen Schwarzfahrer in der Bahn müssen wir ja auch mehr tun, als im Fernsehen an die Bürger zu appellie ren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Aufgabe ist derzeit nicht das Wahlkämpfen, sondern das Wellenbrechen. Deswe gen haben wir, die SPD-Fraktion, einen Antrag eingebracht, der viele Punkte anspricht, die man jetzt angehen muss.
Herr Kollege Teufel, Sie behaupten, dass es sich hier um Selbstverständlichkeiten handle. Da würde ich sagen: Neh men Sie nachher die Gelegenheit wahr, heben Ihre Hände, stimmen zu und setzen das um. Das sind nämlich Fragen, die die Menschen an die Politik stellen, und heute und hier kön nen Sie eine Antwort geben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es geht nicht darum, dass diese Maßnahmen der Politik der Landesregierung widersprechen würden – Sie können diesen Maßnahmen auch entnehmen, dass dies nicht so ist –, es geht um mehr: Es geht um mehr Genauigkeit, es geht um mehr Ef fektivität, und es geht um mehr Klarheit.
Wem es wirklich um das Wellenbrechen geht, um die Gesund heit der Menschen in diesem Land, aber auch um die Wirt schaft und die Gesellschaft in unserem Land, der kann diesem Antrag nur zustimmen, der muss ihm eigentlich zustimmen.
Wer ihn ablehnt, der macht es sich zu leicht – zu leicht, weil er Pandemie mit Parteiprogramm verwechselt, zu leicht, weil er meint, dass gute Worte gutes Handeln ersetzen –, der macht es sich zu leicht mit Corona, zu leicht mit diesem Land, und, meine sehr geehrten Damen und Herren, er macht es sich viel leicht zu leicht, um dieses Land während Corona zu regieren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gegenstand der von der FDP/DVP beantragten Ak tuellen Debatte ist die Frage, ob die Coronaverordnungen der Landesregierung richtig seien. Hier könnte ich es kurz ma chen und sagen: Aus Sicht der AfD sind sie völlig falsch.
Denn diese Verordnungen sind wie alles, was Sie bisher in dieser Krise getan haben, viel zu kurz gesprungen. Sie haben keine langfristige Strategie, und mit Ihren kurzen Sprüngen, die Sie hier vierwöchentlich vollziehen, werden Sie am Ende des Tages die Zustimmung der Menschen zu Ihren Aktionen vollends verlieren.