Protocol of the Session on October 30, 2020

(Abg. Anton Baron AfD: Das wird alles kassiert, kann ich Ihnen jetzt schon garantieren!)

Aber ich will schon hinzufügen: Wir haben hier eine klare Rechtslage. Eine Generalermächtigung in § 32 des Infektions schutzgesetzes des Bundes gibt die Befugnis – nicht dem Lan desgesetzgeber, sondern den Landesregierungen –, auf dieser Ermächtigungsgrundlage rasch handeln zu können.

(Abg. Anton Baron AfD: Aber keine Zwangsschlie ßungen!)

Das ist auch richtig, weil für diese Schnelligkeit die Exekuti ve gefragt und auch gefordert ist. Wir haben ein Pandemiege setz erlassen, das nach Zeitablauf – spätestens nach zwei Mo naten – hervorruft, ob wir diese Verordnung dann aufheben oder ob sie noch verlängert werden kann oder neu bestätigt wird. Das ist eine klare Regelung.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD – Abg. Anton Baron AfD: Zwangs schließungen gehen gar nicht, Herr Reinhart!)

Es geht übrigens auch nicht, wenn Hochwasser herrscht oder eine Brandsituation herrscht, dass man sich erst in Ausschüs sen trifft und wochenlang diskutiert, sondern da muss zunächst mal rasch gehandelt werden,

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Abg. Nicole Razavi CDU: So ist es!)

und danach muss man sich auch mit der Frage der Legitima tion befassen.

(Abg. Anton Baron AfD: Wir können im Parlament immer Beschlüsse fassen!)

Insoweit halte ich fest: Wir kennen Ihre Haltung. Wir erken nen auch, dass Sie einerseits sagen, jedes Todesopfer sei ei nes zu viel.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Das ist im Autoverkehr auch so!)

Das sagen Sie hier, ja. – Aber im völligen Widerspruch da zu steht doch, dass Sie andererseits sagen: „Völliger Exit von den Coronamaßnahmen; alles soll gerade so laufen, wie man es machen kann; wir wollen überhaupt keine Regeln, keine Beschränkungen und keine Maßnahmen.“ Das ist unlogisch, widersprüchlich, ja zynisch.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD – Abg. Bernd Gögel AfD: Gebote, Herr Reinhart! Gebote statt Verbote! – Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Ich möchte an dieser Stelle – –

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD – Lebhafte Gegen rufe, u. a.: So ein blödes Geschwätz!)

Ich möchte an dieser Stelle der Landesregierung und dem Mi nisterpräsidenten danken, dass er dem Haus die Beschlüsse von Bund und Ländern erläutert hat.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, Herr Abg. Dr. Reinhart hat das Wort.

(Abg. Raimund Haser CDU: Wir kriegen das hin!)

Ja, aber der Dialog sollte beendet werden.

Herr Abg. Dr. Reinhart hat das Wort. Danke.

Vielen Dank. – Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er die Beschlüsse von Bund und Ländern hier erläutert und begründet hat. In der Tat, es sind harte, es sind auch schmerzhafte Entscheidungen der Regierungen, die erneut viele Menschen schwer treffen und die uns einmal mehr sehr viel abverlangen. Ich glaube allen Beteiligten, dass diese Entscheidungen niemandem leichtge fallen sind. Denn diese Situation ist bedrückend, und der Kampf vieler Unternehmer und Selbstständiger, die jetzt aufs Neue am Abgrund stehen, berührt uns alle sehr. Es schmerzt, wie die Pandemie großem unternehmerischen Engagement in unserem Land teilweise den Boden wegzieht, wie das Virus Lebenswerke und auch Lebensentwürfe bedroht.

Ich gebe gern zu: Wie so viele hatte auch ich darauf gehofft, dass uns eine so massive zweite Welle erspart bleibt und dass wir erneute Einschnitte vermeiden können, dass wir andere und bessere Strategien der Eindämmung finden.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Ich habe auch alles Verständnis für jeden, der mit den Be schränkungen hadert, der sie vielleicht als zu weitgehend, als widersinnig, als ungerecht empfindet. Deshalb muss die Zu sage, dass 75 % der Umsatzausfälle erstattet werden, schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. Das ist wichtig, auch für die Akzeptanz.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Die Frage des Kollegen Schweickert kann hier im Moment wahrscheinlich niemand abschließend beantworten; denn heu te hat der Bundeswirtschaftsminister an den Bundesfinanzmi nister und die Fraktionen im Bundestag geschrieben, dass man natürlich dazu steht, für 75 % der Umsatzausfälle von Betrie ben mit weniger als 50 Mitarbeitern aufzukommen und dass darüber hinaus noch die beihilferechtliche Genehmigung der EU eingeholt werden muss. Ich bin sicher, dass der Norm zweck, der Wille, dass geholfen werden soll, damit deutlich zum Ausdruck kommt.

Viele aus dem Bereich der Gastronomie haben mir und mei nen Kolleginnen und Kollegen heute gesagt – – Natürlich gibt es auch Stimmen, die fragen: „Wie wäre für die Gastronomie der November geworden? Hätte man in dieser Coronasituati on – mit Abständen etc. – denn einen Umsatz wie im Novem ber 2019 erzielt?“ Immerhin bezieht sich die Erstattung ja nicht auf den Gewinnausfall, sondern auf den Umsatz. Inso weit, glaube ich, ist es wichtig, dass man die Antwort fair und konstruktiv gibt, damit in diesem Bereich Ängste genommen werden können.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Jeder von uns kennt doch Gastronomen aus seinem Wahlkreis, die viel Geld und Energie in Hygienekonzepte investiert ha ben und die jetzt wieder schließen müssen.

(Abg. Anton Baron AfD: Ja, genau!)

Herr Kollege Schwarz hat es bereits angesprochen.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die Heiz pilze waren eine besondere Umweltinvestition!)

Herr Kollege Rülke, es geht darum, dass wir die Zahl der Kontakte beschränken müssen. Natürlich haben viele gute Hy gienekonzepte. Die Wissenschaftler sagen: Eine Einschrän kung der Kontakte um 75 % ist nötig. Wir wollen ja im De zember sowohl die Wirtschaft als auch die Weihnachtszeit un ter anderen Bedingungen erleben.

(Unruhe)

Vielleicht kennt jeder in seinem Wahlkreis ein Kino, das mein te, dieses Katastrophenjahr bisher gerade so überstanden zu haben, und bei dem jetzt schon wieder für einen Monat der Vorhang fällt. Das ist bitter, und das ist auch schwer zu akzep tieren. Aber die Wahrheit ist leider: Es ist nicht gut genug ge lungen, die galoppierend ansteigenden Infektionszahlen zu bremsen.

(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD)

Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, hat gestern gesagt, die Pandemie habe sich schlimmer entwickelt als ur sprünglich befürchtet. Ich glaube, das müssen wir alle an die sem Tag einräumen.

Mit den dosierten und gezielten Beschränkungen haben wir es bisher leider nicht geschafft, gegen das Virus und seine Aus breitung Entscheidendes auszurichten. Insoweit mussten wir uns von Corona einmal mehr belehren lassen.

Laut Robert Koch-Institut sind inzwischen bei 75 % der In fektionen die Ansteckungsquellen nicht mehr konkret zu er mitteln. Deshalb ist der Normzweck der Beschlussvorlage der MPK und der Landesregierungen das Mittel der Kontaktre duzierung. Das ist im Grunde genommen das Ziel, an das man jetzt mit dem Maßstab der Wissenschaft geht.

Wo sich die Menschen also wirklich anstecken, lässt sich heu te nicht mehr ausreichend klären. Unter diesen Bedingungen können auch gute Hygienekonzepte nicht mehr wirken. Aus diesem Zustand müssen wir heraus, um die Infektionszahlen wieder auf ein beherrschbares Niveau zu bringen. Deshalb bleibt derzeit nur, die Gesamtzahl der Kontakte möglichst zu verringern. Das ist wirklich eine gemeinsame Kraftanstren gung in allen gesellschaftlichen Bereichen, um die Anste ckungszahlen zu reduzieren.

Es gibt nicht nur nach der Auffassung der Kanzlerin, sondern auch der 16 Regierungschefs und Landesregierungen derzeit kein besseres, milderes Mittel, das in Sicht ist.

Deshalb stehen wir heute, wie auch die Kolleginnen und Kol legen der grünen Fraktion, zu den Beschlüssen der Regie rungschefs, auch wenn wir bedauern, dass sie notwendig sind. Denn jetzt ist schnelles und, ich sage auch, entschlossenes Handeln nötig, angesagt, während Zögerlichkeit, Unentschlos senheit, auch Zuwarten uns allen schaden. Niemand weiß, was genau das Richtige ist. Aber nichts zu tun – das wissen alle –, wäre das Falsche. Darum geht es momentan.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD)

Herr Abg. Dr. Reinhart, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Reich-Gutjahr zu?

Frau Abg. Reich-Gutjahr.

Danke, Herr Rein hart, dass Sie die Frage zulassen. – Bei Ihrer Beschreibung kommt einem unmittelbar ein Gedanke auf. Sie sagen: „Wir machen einen Monat zu. Danach geht es für alle, die geschlos sen hatten, gut weiter, weil sie dann wieder öffnen dürfen. Dann kommen ja hoffentlich wieder viele Leute dort hin.“ Was macht Sie sicher, dass wir nicht einen Monat später dieselbe Situation haben, dass es nämlich wieder viele Infizierte gibt?

(Zurufe von der CDU – Unruhe)

Wir sind dann noch im Winter. Das ganze Spiel können wir noch über weitere Monate fortsetzen. Was machen wir dann?

(Unruhe)