Protocol of the Session on October 30, 2020

Ich habe von der Solidarität gesprochen. Die Solidarität be trifft die gesamte Republik. Die Zeit der Sonderwege, der Fli ckenteppiche ist vorbei. Denn bei Sonderwegen einzelner Bundesländer, einem Flickenteppich, weiß niemand mehr, was eigentlich gerade gilt. Das führt zu Verunsicherung der Men schen.

Deswegen ist es richtig, Herr Ministerpräsident, dass sich 16 Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin auf gemeinsa me Empfehlungen verständigt haben.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Wo steht das denn in der Verfassung?)

Herr Kollege Rülke, deswegen ist der Entschließungsantrag der FDP/DVP, den Sie eingereicht haben, unverantwortlich.

Nein, wir brauchen Klarheit, liebe Kolleginnen und Kollegen;

(Zuruf: Halleluja!)

wir müssen die Gesamtzahl der Kontakte reduzieren. Darum geht es, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Udo Stein AfD: Halten Sie sich mal an Ihre Abstandsregeln!)

Die Lage, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ernst.

(Unruhe)

Die Infektionszahlen haben eine exponentielle Dynamik ent wickelt, die die der ersten Welle im Frühjahr weit übersteigt.

(Zuruf des Abg. Martin Hahn GRÜNE)

Schaut man sich das an – –

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich darf um mehr Aufmerksamkeit bitten. Dieser Dialog ist ein fach zu laut und stört. Danke.

Herr Abg. Schwarz hat das Wort.

Wir müssen also von einer exponentiellen Dynamik reden. Wenn man mit Intensivmedi zinerinnen und -medizinern redet, dann bezeichnen sie die La ge als absolut besorgniserregend. Die Zahlen der Kranken hauseinweisungen, der Intensivbettenbelegungen und der be nötigten Beatmungsplätze steigen. Wir alle haben noch die Bilder aus New York und Bergamo vom Frühjahr vor Augen. Deswegen ist für mich und meine Fraktion ganz klar: Eine Explosion der Infektionszahlen wollen und müssen wir ab wenden, und die werden wir in Baden-Württemberg auch ab wenden. Das ist das oberste Ziel.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf von der AfD)

Herr Abg. Schwarz, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stein zu?

Nein. – Einen solchen Kol laps des Gesundheitssystems wollen wir entschieden verhin dern. Wir wollen sicherstellen, dass kranke Menschen weiter hin vollumfänglich die notwendige Hilfe erhalten. Wir wol len gerade nicht, dass Ärztinnen und Ärzte darüber entschei den müssen, wer einen Platz an einem Beatmungsgerät erhält und wer nicht.

(Zuruf von der AfD: Dazu kommt es nicht!)

Wir sind inzwischen in Baden-Württemberg besser vorberei tet. Wir haben die letzten Monate genutzt, um unsere Kran kenhäuser zu stärken,

(Abg. Bernd Gögel AfD: Wo? Wo ist das Personal? – Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

unsere Krankenhäuser zu wappnen. Aber wir müssen jetzt ent schlossen handeln. Das Wichtigste ist doch – ich glaube, das verkennt die AfD jedes Mal –, dass sich erst gar nicht so vie le Menschen anstecken und dass das Gesundheitssystem eben nicht an seine Grenzen kommt. Das steht im Vordergrund.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Andreas Ken ner SPD – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Meine Fraktion begrüßt die Empfehlungen der Runde der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten vom vergangenen Mittwoch. Wir müssen alles dafür tun, Herr Ministerpräsident, um eine nationale Gesundheitsnotlage abzuwenden. Da stim men wir Ihnen vollkommen zu. Das ist auch der Auftrag für diesen Landtag von Baden-Württemberg, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Für meine Fraktion gilt weiterhin: Der Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger steht an erster Stelle. Selbstver ständlich bringen wir dabei die Maßnahmen in Ausgleich mit anderen Grundrechten; denn gesund bleiben heißt auch, phy sisch, mental und existenziell gesund zu bleiben.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Sauerstoff!)

Wir haben vor dem Hintergrund der ersten Welle im Frühjahr beschlossen, dass es weiterhin die oberste Priorität bleiben muss, Kindertagesstätten und Schulen so weit wie möglich offen zu halten. Nur so können wir faire Bildungschancen ga rantieren und sicherstellen, dass Eltern ihrer Arbeit nachge hen können. Diese Priorität gilt weiterhin, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf von der AfD)

Wir können und wir wollen es uns nicht erlauben, dass Kin der und Jugendliche über einen längeren Zeitraum auf elemen tare Bedingungen einer gesunden sozialen, emotionalen und mentalen Entwicklung verzichten müssen. Wenn wir dieses Ziel voranstellen, Kindertagesstätten und Schulen offen zu halten, wenn wir das gemeinsam wollen – vorhin gab es hier zu überwiegend Applaus von den demokratischen Fraktionen –, dann müssen wir an anderer Stelle vorübergehend harte Schritte gehen.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass auch mir diese harten Schritte wehtun. Wir alle wissen, dass an den Branchen, die nun harte Einschnitte erleben müssen, viel Herzblut hängt, dass dort vor allem starke Existenzen betroffen sind. Bund und Länder haben daher beschlossen, die Branchen, die jetzt ein geschränkt werden, durch ein substanzielles Hilfsprogramm zu unterstützen.

Wenn ich mir das anschaue – und ich habe mir, Herr Kollege Stoch, Herr Kollege Reinhart, nochmals vor Augen geführt, was gestern die beiden Bundesminister Olaf Scholz und Pe ter Altmaier vor der Bundespressekonferenz gesagt haben –, stelle ich fest: Das ist wirklich ein substanzielles Hilfspro gramm, das da aufgelegt wird, ein weitreichendes Unterstüt zungsprogramm.

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP meldet sich.)

Ich lasse die Frage nachher zu, Herr Schweickert. – Soweit ich zumindest auf die letzten Jahre zurückblicke, gab es ein so weitreichendes Unterstützungsprogramm vonseiten des Staates noch nie. 75 % des entsprechenden Umsatzes des Vor jahresmonats werden ausgeglichen. Bei denjenigen, die im November 2019 keine Umsätze hatten, wird ein Durch schnittswert herangezogen. Die Details müssen die beiden Bundesminister nur noch erarbeiten.

Aber das macht deutlich: Der Staat lässt die Branchen Gast ronomie, Hotellerie, Kunst und Kultur, Kinos und Freizeit stätten, die jetzt hauptsächlich betroffen sind, nicht im Stich. Ich finde, das ist ein ganz wichtiges Signal, das die Politik an die Bevölkerung ausstrahlt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD)

Herr Schweickert.

Herr Abg. Dr. Schweickert, Herr Abg. Schwarz lässt die Zwischenfrage zu. Sie haben das Wort.

Herr Schwarz, vielen Dank. – Mir geht es um Ihre Ausführungen zu den Wirt schaftshilfen. In dem Beschluss der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin heißt es, „für die von den temporären Schließungen erfassten Unternehmen“ gebe es dann die Hil fen. In Ihrem Entschließungsantrag ist das ein bisschen wei cher formuliert, deswegen die konkrete Frage:

Wir haben im Ernährungshandwerk ganz viele Betriebe, die die Gastronomie als Absatzkanal haben. Diese sind dann zwar nicht direkt von der Schließung betroffen, ihnen fehlt aber der Absatz. Sind sie genauso antragsberechtigt?

Herr Kollege Schweickert, da es sich ja um ein Bundesprogramm handelt,

(Lachen des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

kann ich Ihnen diese Frage nicht detailliert beantworten.

(Abg. Anton Baron AfD: Aha! – Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP: Aber loben!)

Aber ich verstehe dieses Programm so, dass möglichst weite Teile der Branchen, die jetzt von Einschränkungen betroffen sind, von diesem Programm profitieren sollen. So habe ich gestern die beiden Bundesminister verstanden.

(Abg. Anton Baron AfD: Da sollen 10 Milliarden € reichen? Lächerlich!)

Sie haben vor der Bundespressekonferenz zugesagt, dass die Details noch erarbeitet werden. Ich denke, dass man zu Ihrer Frage in den nächsten Wochen eine ganz konkrete Antwort vonseiten des Bundeswirtschaftsministeriums oder des Bun desfinanzministeriums geben wird.

(Abg. Anton Baron AfD: Und da sollen 10 Milliar den € reichen, Herr Schwarz? Da bin ich gespannt! – Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Für einen Monat nur!)

Ich möchte, meine Damen und Herren, zu den Hilfen noch ei nen wichtigen Punkt ansprechen. Wichtig ist nämlich, die So loselbstständigen, die Kultur und die Veranstaltungswirtschaft in diese Hilfen aufzunehmen. Sie werden jetzt wesentlich stär ker berücksichtigt, als es bei den Überbrückungshilfen der Fall war. Das ist in meinen Augen sehr relevant; denn wenn der Kultur der Boden unter den Füßen weggezogen wird,