Herr Präsident, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen, werte Gäste! Seit meinem 16. Lebens jahr war ich Polizeibeamter des Landes. Die Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, ja vieles, über das wir hier im Landtag sprechen, kenne ich aus persönlicher Erfah rung. Deshalb bin ich froh, dass die Einführung von körper nah getragenen Kameras, sogenannten Bodycams, bei der Po lizei nun endlich vorangeht.
In einigen Bundesländern wie auch bei der Bundespolizei wurden Bodycams getestet bzw. eingeführt. Weitere Bundes länder diskutieren derzeit die Einführung. Es wurde bereits ausgeführt: Die Gewalt gegen die Polizei wird durch die Nut zung von Bodycams deutlich minimiert.
Die Ergänzung des Polizeigesetzes zur Einführung von Bo dycams wurde in der letzten Legislaturperiode vom damali gen Innenminister angegangen, aber nicht abgeschlossen. Des halb war es richtig, praxisgerecht und notwendig, dass die Re gierungskoalition das Thema jetzt mit einem eigenen, einem erweiterten Gesetzentwurf aufgreift.
Der Gesetzentwurf wurde insbesondere um das sogenannte Pre-Recording von 60 Sekunden erweitert. Nur damit ist es möglich, auch plötzliche, unerwartete und unvermittelte An griffe aufzunehmen und dadurch, wenn es dann mal bekannt ist und sich herumgesprochen hat, auch präventiv Gewalt ge gen die Polizei zu verhindern.
Selbstverständlich hat der ausreichende Datenschutz für uns Bedeutung. Aus diesem Grund haben wir auch die erste Stel lungnahme des Landesbeauftragten für den Datenschutz zum Gesetzestext aufgegriffen und haben diesen noch einmal an gepasst. Die weiteren Bedenken der neuen Stellungnahme tei len wir nicht. Durch ein gestuftes, zweistufiges Verfahren wer den die durch das sogenannte Pre-Recording aufgenommenen Daten bereits nach 60 Sekunden wieder gelöscht. Die Aufnah men werden lediglich dann über die 60 Sekunden hinaus ge speichert, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeibeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Wir haben hier also schon eine hohe Eingriffsschwelle definiert.
Kollege Sckerl führte es aus: Wie notwendig das Pre-Recor ding ist, zeigen die Erfahrungen von Hessen. Nach einer Pi lotierung ohne das Pre-Recording wurde dieses jetzt dort ein geführt – im Übrigen ohne Bedenken des dortigen Daten schutzbeauftragten.
Darum ist es jetzt von Bedeutung, die Pilotierung der Body cams zeitnah zu beginnen und dann möglichst bis zur Som merpause 2017 abzuschließen, damit wir dann im Anschluss die Ergebnisse und die Erfahrungen wieder hier im Landtag beraten können.
Sehr geehrter Kollege Binder, liebe SPD, eines hat mich bei der Ersten Beratung des Gesetzentwurfs am 21. Juli doch ein bisschen geschockt: Abgesehen davon, dass Sie primär über Verfahrensfragen gesprochen haben, führten Sie aus, dass Sie in der jetzigen Situation keine Gesetzesnotwendigkeit für die
Strafverschärfung bei Gewalt gegen Einsatzkräfte sehen. Dies sieht die Regierungskoalition natürlich anders. Wir werden al les tun, um die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu schützen.
Dazu gehört jetzt auch eine wirklich praxistaugliche Rechts grundlage für die Bodycams. Deshalb wird die CDU dem Ge setzentwurf der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU selbstverständlich zustimmen.
Herr Präsident, werte Kolle ginnen und Kollegen, sehr verehrte Gäste! Die Verrohung un serer Gesellschaft nimmt in erschreckendem Maß zu. Im ver gangenen Jahr erreichte die Gewalt gegen Polizisten mit rund 4 000 Fällen in Baden-Württemberg ihren traurigen vorläufi gen Höhepunkt. Dies ist ein Anstieg um 6,4 % im Vergleich zum Vorjahr. Allein von der Ersten Beratung dieses Gesetz entwurfs bis zum heutigen Tag wurden bereits 1 160 Gewalt taten registriert, das heißt, zur Anzeige gebracht; die Dunkel ziffer wird wohl weit höher sein.
Wenn wir seitens der AfD diese Tendenz ansprechen, werden wir von Ihnen gern als Unheilspropheten abgetan. Jedoch ste hen wir mit dieser Feststellung nicht allein. Sowohl die Deut sche Polizeigewerkschaft als auch die GdP warnen vor dieser Entwicklung und fordern entsprechende Gegenmaßnahmen. Das Tragen einer Bodycam befürworten wir ausdrücklich, je doch ist ein längeres Pre-Recording, das zur Beweissicherung in eine Cloud übertragen wird, dringend erforderlich. Die technischen Möglichkeiten hierfür gibt es.
Neben der erhofften Präventivwirkung der Bodycams dienen sie auch als sichtbares Zeichen mit hoher Publikumswirkung, und die ist beabsichtigt und politisch gewollt. Endlich gibt es für Herrn Strobl etwas Vorzeigbares. Es bedarf keiner Kris tallkugel, um sich die werbewirksamen Fotos vorzustellen, wenn der Innenminister den Beamten ihre ersten Bodycams übergibt.
Öffentlichkeitswirksame Fotos von Stellenplänen hingegen wird es allerdings genauso wenig geben wie die Publikma chung von durchschnittlichen Anfahrtszeiten. Genau daran krankt laut Aussage der Betroffenen die Umsetzung der Poli zeireform in unserem Land. So sind die versprochenen zwei zusätzlichen Beamten pro Revier in der Praxis noch nicht an gekommen. Im Vertrauen auf die Mehrheitskonstellation in diesem Hohen Haus kann der Herr Innenminister diese Re form der Öffentlichkeit trotzdem als großen Erfolg verkaufen – eine Strukturreform, die nach Aussage der Betroffenen den Polizeiapparat eher gelähmt hat
nein; doch, darum geht es – als ihm dabei zu helfen, auf die immer größer werdenden Herausforderungen entsprechend zu reagieren. Originalton in einer Presseerklärung von Ralf Kus terer, dem Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg: Hier herrscht „erheblicher Nachbesse rungsbedarf“.
Der mangelnde Respekt vor der Polizei, also vor der Staats gewalt, den es heute gibt, wäre vor 20 Jahren noch undenk bar gewesen.
Allerdings wurden vor 20 Jahren auch Standpunkte, die heu te von der AfD vertreten werden und nun als rechtspopulis tisch gelten, noch von Ihnen vertreten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.
Dieser mangelnde Respekt vor der Staatsgewalt ist das direk te Resultat mangelnder Konsequenzen. Nur die konsequente Anwendung der bestehenden Gesetze verschafft der Polizei wieder den nötigen Respekt.
Mit einer Strukturreform im Polizeivollzug ist es noch lange nicht getan. Wenn sich Straftäter kurz nach ihrer Festnahme wieder auf freiem Fuß befinden, dann liegt das an einer über forderten Gerichtsbarkeit. Zusätzliche Planstellen bei der Po lizei müssen mit weiteren Planstellen bei der Gerichtsbarkeit und im Strafvollzug einhergehen. Sonst bleibt es dabei, dass die Polizei erleben muss, denselben Täter innerhalb von nur wenigen Tagen wieder festzunehmen.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie frustrierend sich diese Begleitumstände auf den Job eines Polizisten auswir ken, meine Damen und Herren? Die Polizeireform soll eva luiert werden. Wie wir vorhin hörten, sagte Herr Strobl, sein Ziel sei es, mehr Polizisten auf die Straße zu bringen. Wie sich dann die Bewertung der Polizeireform mit der Tatsache ver trägt, dass die betroffenen Beschäftigten bei der Evaluation nicht beteiligt waren, ist bereits von der GdP bemängelt wor den.
Sie, Herr Strobl, haben – wie wir ebenfalls hörten – gesagt, dass organisatorisch alles getan werden müsse, damit ein Ma ximum an Sicherheit
und die bestmöglichen Arbeitsbedingungen für die Polizei ge schaffen würden. Nun, Herr Strobl, möchte ich sagen: Ihre Worte in Gottes Ohr; lassen Sie Taten folgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt müssen Sie halt noch einmal mit mir Vorlieb nehmen. Sie werden es aber aushalten.
Wir haben das Problem der Zunahme der Gewalt gegen Poli zeibeamtinnen und Polizeibeamte. Ich glaube, darüber herrscht in diesem Haus große Einigkeit. Wir alle sind daran interes siert, die Rechtsgrundlagen, die Ausstattung der Polizei und die Ausbildung der Polizei so zu verändern, dass diese Ge walttaten zurückgehen und dass der Respekt in der Gesell schaft vor dem Staat, seinen Organen und seinen Beamtinnen und Beamten wieder dahin zurückkehrt, wo er schon einmal war. Dafür wollen wir sorgen, liebe Kolleginnen und Kolle gen.
Wir haben deshalb einen Gesetzentwurf zum Tragen von Bo dycams vorgelegt, den wir so, wie wir ihn vorgelegt haben, auch als richtig empfinden. Wir sind der Auffassung, dass die ser Gesetzentwurf im Einklang mit der Verfassung und mit dem Datenschutz steht und dass das oberste Ziel dieses Ge setzentwurfs auch erreicht wird, nämlich die abschreckende Wirkung, die zusätzliche Möglichkeit, Gewalt gegen Polizei beamtinnen und Polizeibeamte zu verhindern.
Sie haben damals relativ schnell einen eigenen Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU eingebracht. Insofern stimmt das, was mein Vorredner gerade gesagt hat, nämlich dass Herr Strobl jetzt einmal etwas vorgelegt habe, formal gar nicht. Vorgelegt haben es die Fraktion GRÜNE und die Fraktion der CDU; das ist ja kein Gesetzentwurf des In nenministeriums.
Dieser Gesetzentwurf liegt uns vor und wurde auch dem Landes datenschutzbeauftragten vorgelegt. Der Landesdatenschutz beauftragte, der das Amt gerade interimsmäßig innehat, hat diesem Gesetzentwurf ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt, und das vor dem Hintergrund, dass der Kollege Sckerl – wer ihn kennt und auch schon ein Weilchen kennt, hat gemerkt, wie er sich durch diese Debatte hin und her gewunden hat –
(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Na, na, na! Ich stehe wie eine Eins dahinter, Herr Kollege! – Abg. Thomas Blenke CDU: Pfeilgerade! – Weitere Zuru fe – Glocke des Präsidenten)